Polizisten führen Angeklagten in Gerichtssaal
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Fensterbohrerbande: Prozess vertagt

Eine fünfköpfige Bande soll jahrelang mit der sogenannten Fensterbohrermethode in Villen in Wien eingedrungen sein. Auch Home Invasions werden ihr angelastet. Vier der fünf Angeklagten waren geständig, der Prozess wurde vertagt.

Vor allem eine Causa rund um eine Villa in Döbling stand am Montag im Prozess am Landesgericht für Strafsachen im Mittelpunkt. „Es hat irgendwie etwas von einem Hollywood-Film“, so Staatsanwältin Franziska Fent beim Prozessauftakt gegen die hochprofessionelle Einbrecherbande.

Die Angeklagten hätten sich zu einer kriminellen Vereinigung zusammengeschlossen und arbeitsteilig organisiert, um in noble Villen am Stadtrand einzudringen. Einzelne Fakten, auf die Fent im Detail einging, klangen tatsächlich drehbuchreif. Vier der fünf Angeklagten waren geständig. Da die Kronzeugin und die Frau eines Angeklagten nicht zum Prozess erschienen, wurde dieser auf Ende Mai vertagt.

„Wie ein Unternehmen funktioniert“

„Es hat wie ein Unternehmen funktioniert“, hatte die Staatsanwältin zuvor zu Beginn der Verhandlung dargelegt. Bei zwei Angeklagten handelt es sich um die eigentlichen Täter – Profis, die auf die so genannte Fensterbohrmethode spezialisiert sind. Die beiden Männer im Alter von 43 und 54 Jahren weisen europaweit bereits acht bzw. sechs einschlägige Vorstrafen auf.

Sie verstehen es, Fenster- und Türrahmen so anzubohren, dass sich mittels einer durch die Löcher zu ziehenden Drahtschlinge die Verriegelung lösen lässt und man so ins Innere gelangt. „Dafür braucht es spezielle Übung, spezielle Fingerfertigkeit“, zollte die Staatsanwältin den beiden beinahe Respekt für ihre Kenntnisse.

Taxifahrer als Chauffeur

Für die Chauffeurdienste war ein 28-Jähriger Taxifahrer zuständig. Der Tipp für den lukrativsten wie auch einträglichsten Coup stammte laut Anklage von einem Ehepaar, wie alle Angeklagten ungarische Staatsbürger. Während Philipp Wolm, der Verteidiger des 54-Jährigen, ein Geständnis ankündigte, meinte der Rechtsvertreter der Frau, Peter Philipp, diese werde sich „nicht schuldig“ bekennen.

„Die Täter haben es bewusst in Kauf genommen, dass die Opfer zu Hause sind und – wenn es sein muss – Gewalt gegen die Opfer anzuwenden. Das nennt man Home Invasion“, sagte die Staatsanwältin. Eine solche erlebte am 28. Mai 2019 eine wohlhabende ältere Frau in ihrer Villa in Döbling. „Ich war selber am Ort. Man sieht, wie viel da drinnen ist“, verriet die Staatsanwältin den Schöffen, dass das Anwesen schon von außen imposant wirke.

Haushälterin gab Hinweis

Von der aus Ungarn stammenden Haushälterin der Villenbesitzerin habe die Angeklagte von „der Wahnsinnsvilla“ (Staatsanwältin) erfahren und diese bei Besuchen bei ihrer Bekannten gemeinsam mit ihrem Ehemann ausgekundschaftet, wobei dieser den Generalschlüssel nachmachen habe lassen.

Seit 2017 soll geplant gewesen sein, die Nobelvilla auszuräumen. Bei einem ersten Einbruch im Jahr 2018 wurde der Tresor in der Waschküche geknackt, doch der eigentliche Schatz befand sich im zweiten Stock in einem Wandtresor.

Villenbesitzerin gefesselt

Die Besitzerin hörte eines Abends aus dem Zimmer, in dem sich der Tresor befand, Geräusche, die auf Eindringlinge hindeuteten, und zog sich nicht zurück. „Sie ist total mutig. Sie geht in den Raum, wo die beiden Männer sind“, schilderte die Staatsanwältin. Die 43 bzw. 54 Jahre alten Einbrecher seien daraufhin „zum Angriff“ übergegangen, hätten die Villenbesitzerin mit einem Kabel und einem Tuch gefesselt und „einfach liegen gelassen“. Dieses Anklagefaktum hat die Staatsanwaltschaft als schweren Raub qualifiziert.

Mit einem Porsche Cayenne flüchteten die Kriminellen dann nach Ungarn. Im Gepäck: Schmuck im Wert von 800.000 Euro. Beim ersten Einbruch in dieselbe Villa hatten sie im Jahr 2018 bereits 15 bis 20 Armbanduhren im Wert von 100.000 Euro, eine Münzsammlung und Bargeld an sich gebracht.

Porsche mit steckendem Zündschlüssel

Den Porsche hatten die Täter auch nicht redlich erworben. Am 24. Mai 2019 waren sie unbemerkt von den Besitzern, die den Einbruch verschliefen, in eine andere Villa in der Peter-Jordan-Straße gelangt und hatten „Schmuck und alles, was sie finden können“ gesucht. Reich beladen verließen die zwei Männer über die Garage den Tatort – und stießen dort auf den Porsche. Der Zündschlüssel steckte, worauf sie sich kurzerhand ins Fahrzeug setzen, die Garage öffneten und das Weite suchten.

Der mitangeklagte Taxifahrer soll in weiterer Folge den Porsche dann in der Pötzleinsdorfer Straße geparkt haben, um für den nächsten Coup mit einem flotten Fluchtfahrzeug gewappnet zu sein. Vor der Anklage umfasst sind noch zwei weitere Einbrüche im April 2019. Auf die Spur der Angeklagten war man dank der Haushälterin der zweifach ausgeplünderten Villenbesitzerin gekommen, die sich frühzeitig an die Strafverfolgungsbehörden wandte und ihr Wissen preisgab.

Kronzeugenstatus für Haushälterin

Der Frau wurde Kronzeugenstatus zugebilligt, sie wurde daher nicht mitangeklagt. Dasselbe gilt für eine Vertrauensperson, die im Gerichtsakt nur anonymisiert auftaucht. Von dieser Person, die sich im Dezember 2021 an die Kriminalpolizei gewandt hatte, stammen konkrete Hinweise, die zur Ausforschung und Festnahme der unmittelbare Täter führten. „Sie hat Angst um ihr Leben, wenn ihr Name bekannt würde“, gab die Staatsanwältin bekannt.