Polizei auf der Simmeringer Hauptstraße
ORF/Fried
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Chronik

Kritik nach möglicher Polizeigewalt

Misshandlungsvorwürfe gibt es gegen einen Polizisten bei einem Einsatz im Zusammenhang mit einem Mord in Simmering. Wie Videoaufnahmen zeigen, soll der Beamte einen unbeteiligten Mann mit dem Kopf gegen den Asphalt geschlagen haben. Der Polizist ist weiterhin im Dienst, die Ermittlungen laufen.

Das Video, aufgenommen von einem „Puls24“-Kameramann, zeigt, wie bei der Festnahme eines Mannes dessen Kopf mehrfach auf den Boden geschlagen wird. Der 19-Jährige wollte einen nach Angaben der Exekutive gesperrten Bereich vis-a-vis des Tatorts betreten, um von einem Bankomaten Geld zu beheben. Kurz zuvor hatte in einem Geschäft gegenüber ein 38-jähriger Iraner eine tödliche Schusswunde erlitten.

Ermittlungen von Polizei und Staatsanwaltschaft

Die Ermittler seien erst dabei, sich das Originalvideo zu besorgen, um die Ermittlungen entsprechend weiterzuführen, sagte Polizeisprecherin Barbara Gass. Die im Internet kursierenden, geschnittenen und teils verpixelten Aufnahmen seien schon zuvor gesichert und gesichtet worden.

„Jetzt werden alle Informationen zusammengetragen und dann dem zuständigen Gericht übermittelt, wie in jedem anderen Fall auch“, betonte die Sprecherin. Eine Beurteilung in einem so frühen Stadium der Ermittlungen könne sich die Polizei nicht erlauben. Bei der Staatsanwaltschaft Wien ist ebenfalls ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden. „Wir haben mit der Polizei Kontakt aufgenommen“, sagte Sprecherin Nina Bussek der APA. Vor Aufnahme der Ermittlungen will die Staatsanwaltschaft aber den Bericht der Polizei abwarten.

Kritik nach möglicher Polizeigewalt

Nach der vorläufigen Festnahme eines 19-jährigen in der Nähe des Tatorts in Simmering gibt es Diskussionen über mögliche Polizeigewalt. Der 19-jährige wurde angezeigt, gegen einen Beamten wird ermittelt.

19-Jähriger mehrfach angezeigt

Der 19-Jährige, der laut Gass eine Kopfverletzung davongetragen hat, war vorläufig festgenommen worden, er wurde dann wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt und schwerer Körperverletzung auf freiem Fuß angezeigt. Denn auch ein an der Amtshandlung beteiligter Polizist wurde laut Polizei verletzt. Dieser habe sich „nach Meldungslegung selbst in ein Krankenhaus begeben“ und Verletzungen an einem Knie sowie am Ellbogen aufgewiesen, so die Sprecherin.

Scharfe Kritik am Vorgehen der Polizei

„Sobald die Polizei einen Menschen überwältigt hat, darf sie gegen ihn – egal, was ihm vorgeworfen wird – keine weitere Gewalt mehr ausüben“, kritisierte der Grüne Sicherheitssprecher Georg Bürstmayr. „Diese Videoaufnahmen sind verstörend, für diese offenkundig überbordende Gewalt ist keinerlei Grund ersichtlich. Zwangsgewalt darf unsere Polizei nur ausüben, wenn und solange das notwendig ist, um einen Widerstand zu überwinden, und selbst dann muss sie stets das gelindeste Mittel wählen.“

Fragen werfe auch auf, „dass gegen den Betroffenen gleich mehrere strafrechtliche Vorwürfe erhoben werden, unter anderem ausgerechnet der, er hätte einen Polizisten am Körper verletzt. Diese Fragen betreffen nicht nur jenen Beamten, der den Kopf des Betroffenen gegen den Boden geschlagen hat. Es ist auch schwer nachvollziehbar, …, warum andere beteiligte Polizisten ihren Kollegen nicht an dieser offenkundigen Misshandlung gehindert haben“, so Bürstmayr weiter. Er kündigte eine parlamentarische Anfrage an.

Auch NEOS mit parlamentarischer Anfrage

Ebenfalls eine parlamentarische Anfrage kündigten die NEOS an. Sicherheitssprecherin Stephanie Krisper forderte aus Anlass des Falles erneut, dass die geplante Beschwerdestelle gegen Polizeigewalt nicht im Innenministerium angesiedelt werde. „Dem haben die Grünen aber trotz lauter Kritik von sämtlichen Fachleuten zugestimmt. Sie sollten ihre Zustimmung zu dieser absurden Idee spätestens jetzt zurückziehen“, sagte Krisper.

SPÖ-Sicherheitssprecher Reinhold Einwallner forderte ebenfalls ein Umdenken der Bundesregierung zur Ermittlungs- und Beschwerdestelle für Polizeigewalt. „Wenn ein Zivilist von mehreren Polizistinnen und Polizisten klar fixiert ist und dann plötzlich sein Kopf gegen den Gehsteig geschlagen wird, dann scheint das eindeutig wie überschießende Gewaltanwendung. Genau für solche Fälle braucht es eine starke und unabhängige Beschwerdestelle, die eben nicht im Innenministerium liegen darf“, so Einwallner. Der Vorfall müsse zu einem Umdenken führen.

Kriminalsoziologe Reinhard Kreissl ortete im Ö1-Mittagsjournal eine „Überforderung der jungen Beamten in einer aufgeheizten Situation“ und sprach sich für eine bessere Ausbildung aus. Mit dem staatlichen Gewaltmonopol, das Polizisten haben, müsse man aber „mit Augenmaß umgehen“. „Wenn jemand eine Gefahr darstellt, dann muss die Polizei reagieren, aber wenn eine Person schon am Boden fixiert ist, dann kann dieser Person gegenüber keine Gewalt mehr ausgeübt werden“, kritisierte auch der auf Polizeigewalt spezialisierte Anwalt Clemens Lahner.

Verdächtiger will in Notwehr gehandelt haben

Unterdessen laufen die Ermittlungen wegen Mordverdachts nach der Bluttat in Simmering weiter. Der 34-jährige Verdächtige habe bei den Einvernahmen angegeben, er habe in Notwehr gehandelt, so die Polizei. Seinen Behauptungen zufolge sei es der 38-Jährige gewesen, der die Schusswaffe dabei hatte, als er Sonntagnachmittag in Begleitung seiner Partnerin in das Geschäft des 34-Jährigen auf der Simmeringer Hauptstraße kam.

Pistole bei Gerangel entrissen

Hintergrund des Treffens der beiden Männer dürften Geldstreitigkeiten gewesen sein. Bei einem Gerangel soll der Beschuldigte dem Älteren die Waffe entrissen haben. Die Staatsanwaltschaft habe einen Antrag auf Verhängung der Untersuchungshaft in Aussicht gestellt, heißt es. Die 26-Jährige Lebensgefährtin des Opfers, über die am Montag eine vorläufige Festnahme verfügt worden war, wurde wieder auf freien Fuß gesetzt, eine Anzeige wegen des Verdachts der Erpressung ist aufrecht.