Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) in der ehemaligen Rennwegkaserne auf dem Rennweg in Wien
ORF.at/Carina Kainz
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Chronik

BVT-Prozess: Wegen Weisung so gehandelt

Der Amtsmissbrauchsprozess gegen mehrere Ex-Spitzenbeamte des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) ist am Donnerstag fortgesetzt worden. Ein Angeklagter beruft sich auf eine Weisung eines Vorgesetzten.

Als erster Zeuge befragt wurde ein Beamter der Erstaufnahmestelle OST in Traiskirchen. Dieser sei vom Leiter der Erstaufnahmestelle, der heute auf der Anklagebank sitzt, angewiesen worden, den Akt des Generals „liegen zu lassen“. Dadurch sollte die Frist verstreichen, nach der Österreich automatisch für dessen Asylverfahren zuständig wurde, heißt es in der Anklage.

Neben dem Verstreichenlassen der zweimonatigen Frist, innerhalb der Österreich Frankreich kontaktieren hätte können, gab es nur die Möglichkeit eines „Selbsteintritts“, damit Österreich zuständig geworden wäre. Im Rahmen eines solchen hätte sich Österreich bereit erklärt, das Asylverfahren zu übernehmen, wenn der Asylwerber in seinem Aufenthaltsland, sprich im Falle des Generals Frankreich, gefährdet sei.

Zeuge: „War nie mit Sache betraut“

Mit dem Fall des Generals sei er aber nie betraut worden, entgegnete dem der Zeuge. „Dieser Akt ist nie über meinen Tisch gegangen.“ Davon erfahren habe er erst durch die erste Einvernahme der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA). Eben jene „Selbsteintritte“ seien bei ihm im Sommer 2015 nicht vorgekommen.

Um festzustellen, ob die Person gefährdet sei oder nicht, sei man auf die Informationen der Polizei oder des BVT beziehungsweise mittlerweile ihrer Nachfolgerin, der Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN), angewiesen. Selbst ermitteln dürfe man nicht. Im Falle von syrischen Staatsangehörigen frage man aber immer explizit beim Verfassungsschutz an, betonte der Zeuge.

Gefährdungseinschätzung durch BVT

Für den syrischen General gab es eine derartige „Gefährdungseinschätzung“, die besagte, dass er in Frankreich gefährdet gewesen sei. Ein „Selbsteintritt“ hätte daher geprüft werden können, wurde es aber nicht. Das sei Teil des „Tatplanes“ gewesen, laut dem der fünftangeklagte Leiter der Erstaufnahmestelle OST den zuständigen Beamten die Weisung erteilt habe, den „Akt liegenzulassen“, so die Anklage.

Den Angeklagten wird vorgeworfen, sie hätten einen syrischen „Foltergeneral“ in Österreich untergebracht und ihm trotz Fehlens der Voraussetzungen Asyl verschafft. „Der Akt ist nie über meinen Tisch gegangen“, sagte am Donnerstag ein damals zuständiger Beamter der Erstaufnahmestelle OST.

General schon frühzeitig angekündigt

Bereits bevor der General in Traiskirchen seinen Termin für ein Erstgespräch hatte, sei dem Leiter der Erstaufnahmestelle vom angeklagten Chefinspektor die Ankunft eines Syrers, der bereits in einem anderen EU-Staat Asyl beantragt hatte, avisiert worden, so die Anklage. Solche Informationen seien immer wieder vorgekommen, auch in die andere Richtung, sagte ein weiterer Zeuge aus der Erstaufnahmestelle Traiskirchen. „Wenn irgendwo Verdacht war, dass wir einen Terroristen haben, haben wir natürlich sofort das BVT informiert“, besonders zu dieser Zeit, als die Situation in Europa aufgrund von mehreren Anschlägen angespannt gewesen sei.

Ein wesentlicher Bestandteil der Anklage gegen den Leiter der Erstaufnahmestelle ist ein E-Mail, das er an den viertangeklagten Chefinspektor sendete und in dem er die beiden Zeugen in CC setzte. Darin informierte er den Inspektor darüber, dass es „öfters vorkommt“, dass die Frist für ein Konsultationsverfahren ablaufe, und weiter: „Akt bleibt liegen“. Der Leiter beschrieb das – eben das Liegenbleiben des Aktes – als die wesentlich elegantere Lösung.

General in Erstaufnahmezentrum abgeschottet

Ebenfalls befragt wurde jene Polizistin, die in der Erstaufnahmestelle in Traiskirchen den General einvernommen hatte. An der Einvernahme hatte neben ihr und einer Dolmetscherin auch der viertangeklagte Chefinspektor teilgenommen. Dieser sei jedoch „eher teilnahmslos dabeigesessen“, daran, dass er sich in die Befragung eingemischt habe, könne sie sich nicht erinnern. Dem schloss sich auch die als Zeugin aussagende Dolmetscherin an. Aufgefallen sei der Polizistin jedoch, dass der General im Erstaufnahmezentrum „abgeschottet“ wurde, was sonst nicht vorkomme.

Nach einer kurzen Mittagspause wurde der Verhandlungstag mit Befragungen des Leiters sowie mehrerer Mitarbeiter der Regionaldirektion Wien des BFA fortgesetzt. Diese schilderten der Richterin und den Schöffen Grundlegendes zum Ablauf eines Asylverfahrens. Konkrete Fragen konnten großteils aufgrund von Erinnerungslücken nicht beantwortet werden, gehen die inkriminierten Vorgänge doch auf das Jahr 2015 zurück. Die erste Wahrnehmung von dem Fall des „Foltergenerals“ habe ein Teamleiter der Regionaldirektion erst bei der Einvernahme durch die WKStA gehabt. „Erst da ist mir klar geworden, dass das der ‚Medienfall‘ ist.“

Akt des Generals „vorgereiht“

Der angeklagte Chefinspektor habe sich beim BFA nach einer „Vorreihung“ des Aktes des Generals erkundigt, so die Richterin. Solche Ansuchen würden das BFA oft erreichen, zumeist würden diese aber von Hilfsorganisationen kommen, so ein hochrangiger BFA-Beamter. Vorreihungen seien ein gängiges Mittel, besonders dann, wenn es in einem Haus viele Asylwerber und Einvernahmeabsagen oder Schwierigkeiten mit Dolmetschern gebe.

Auf die Frage der Richterin, ob dieses Verfahren besonders schnell erledigt worden sei, musste der befragte Zeuge aus dem BFA erst nur verhalten lachen. „Oft liest man, wir sind zu langsam, dann sind wir wieder zu schnell. Klar ist aber, dass das Verfahren sicher nicht durchgezogen wurde. (…) Das wäre es, wenn am Montag ein Antrag gestellt wird und am Freitag ein Asylbescheid erfolgt. Überragend schnell war das nicht.“

General werden Folterungen vorgeworfen

Vom Mossad soll der General aus Frankreich nach Österreich gebracht worden sein, wo er den Beamten des BVT übergeben worden sein soll, so die Anklage. Auf Bestreben des israelischen Auslandsgeheimdienstes sollen die Beamten ihm in Österreich Asyl verschafft haben. Dem syrischen General wird die Mitverantwortung für Folterungen von Gegnern des syrischen Regimes in einem Gefängnis in al-Rakka vorgeworfen.

Fortgesetzt wird der Prozess am Freitag mit der Befragung mehrerer Zeugen aus dem Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT) Oberösterreich. Kommende Woche Mittwoch soll dann neben dem General und dem suspendierten Sektionschef im Justizministerium Christian Pilnacek auch der zum Zeitpunkt der inkriminierten Vorgänge stellvertretende BVT-Direktor aussagen, dessen Ladung bislang aufgrund einer falsch angegebenen Dienstadresse nicht möglich war.