Chronik

Blockierte Rettung: Neue Angaben der Polizei

Die „Letzte Generation“ hat Donnerstagfrüh erneut den Verkehr in Wien blockiert. Unterdessen weist die Gruppe Vorwürfe, am Mittwoch ein Rettungsauto blockiert zu haben, zurück. Die Polizei sagt nun, es sei nachvollziehbar, dass die Gruppe das Auto nicht bemerkt habe.

Die „Letzte Generation“ hatte Mittwochfrüh den Verteilerkreis in Wien-Favoriten blockiert. Die Wiener Berufsrettung war laut Landespolizeidirektion Wien von der Grenzackerstraße in Richtung Altes Landgut unterwegs. Das Rettungsauto wurde demnach durch den Stau in etwa 250 Meter Entfernung gegenüber von jener Stelle gestoppt, an der sich Aktivistinnen und Aktivisten festgeklebt hatten.

„Rund 250 Meter Sichtweite“, sagte Polizeisprecherin Irina Steirer – es sei durchaus nachvollziehbar, dass die Gruppe von ihrer Position das nicht bemerkt habe. „Einsatzkräfte vor Ort berichteten, dass an dem sehr weitläufigen Ort davon auszugehen sei, dass der Krankenwagen nicht wahrgenommen wurde.“

Polizei informierte Gruppe nicht über Rettungseinsatz

Die Polizistinnen und Polizisten seien jedenfalls nicht auf die „Letzte Generation“ zugegangen, um sie aktiv über den Rettungseinsatz zu informieren: Die festgeklebten Personen hätten gar nicht schnell genug entfernt werden können, und es sei „nicht zielführend, Fahrzeuge am mittleren Fahrstreifen zwischen den Klebern“ durchzulotsen, sagte Steirer. Auf der mittleren Spur wäre laut den Demonstrierenden niemand festgeklebt gewesen.

Die „Intervention“ erfolgte vielmehr viel weiter hinten, mitten im dichten Stau: „Kollegen und Kolleginnen haben Zentimeter für Zentimeter Fahrzeuge eingeordnet und zur Seite eingewiesen, damit die Rettung einen schmalen Weg frei hatte“, schilderte die Sprecherin der APA. So schob sich das Einsatzfahrzeug offensichtlich mühsam bis zum Verteilerkreis vor, um dort nicht über die Fahrspuren im Kreisverkehr selbst, sondern über die Mitte der Verkehrsanlage darüber und dann abzufahren. Die Länge der Verzögerung konnte Steirer zunächst nicht beurteilen.

Vier Personen angezeigt

Vier Mitglieder der „Letzten Generation“ wurden angezeigt. Ermittelt wird wegen „Gefährdung der öffentlichen Sicherheit“ (§ 89 StGB). „Wer vorsätzlich, grob fahrlässig (§ 6 Abs. 3) oder fahrlässig unter den in § 81 Abs. 2 umschriebenen Umständen eine Gefahr für das Leben, die Gesundheit oder die körperliche Sicherheit eines anderen herbeiführt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen zu bestrafen“, heißt es im entsprechenden Paragrafen.

Vorwürfe laut Aktivisten „haltlos“

Am Mittwochabend hatte die „Letzte Generation“ einen „Fehler“ eingestanden. Man habe die Leitstelle der Rettung diesmal im Vorfeld der Aktion nicht wie sonst über die Aktion informiert, hatte ein Sprecher erklärt – mehr dazu in Klimademo blockierte Rettungsauto. Am Donnerstag hingegen bezeichnete die Gruppe die Vorwürfe als „haltlos“: Der Protest habe sich „primär auf den von Süden kommenden Verkehr“ ausgewirkt, während der Rettungswagen in die Gegenrichtung unterwegs gewesen sei.

Eine Abbiegespur sei von Anfang an freigelassen worden, sodass Fahrzeuge den Kreisverkehr verlassen konnten, wurde beteuert. „Der Verstorbene – unser Mitgefühl gilt den Angehörigen – wurde vor Ort bereits von Einsatzkräften eines Notarzthubschraubers versorgt und noch vor Protestbeginn für tot erklärt“, hieß es weiter. Dass man sich geweigert habe, einem Einsatzfahrzeug Platz zu machen, stimme nicht: „Wie bei jedem unserer Proteste war auf einer Fahrspur niemand festgeklebt, um diese im Ernstfall sofort aufmachen zu können.“

Es habe keine Anzeichen eines Notfalls gegeben: Es hat nie eine Aufforderung der Polizei, von Passanten oder Passantinnen und/oder Autofahrern oder Autofahrerinnen gegeben, einen Rettungswagen durchzulassen. Zudem habe ein Kamerateam von oe24 den Protest von Anfang bis Ende begleitet, „und auf den Aufnahmen ist von Anfang bis Ende weder von einer solchen Aufforderung noch von einem im Stau feststeckenden Rettungswagen etwas zu sehen oder zu hören“, wies die „Letzte Generation“ sämtliche Vorwürfe zurück.

Andere Rettungskräfte nach vier Minuten an Ort und Stelle

Der Notruf ging am Mittwoch um kurz vor 8.00 Uhr bei der Leitstelle der Berufsrettung in Wien ein. Das aus Wien zufahrende Rettungsauto steckte dann wenige Minuten später am Verteilerkreis fest. Nahezu gleichzeitig setzten sich auch ein Christophorus-9-Hubschrauber sowie ein Rettungstransportwagen (RTW) des niederösterreichischen Roten Kreuzes in Bewegung.

Nur kurze Zeit später seien der Heli und der RTW dann am Einsatzort an der Grenze zu Wien eingetroffen und hätten mit der Wiederbelebung begonnen, berichtete der Sprecher des niederösterreichischen Roten Kreuzes, Andreas Zenker, der APA. „Wir haben den Patienten dann mehr als eine Stunde reanimiert“, sagte Zenker über den Einsatz. Der Mann sei um 9.14 Uhr für tot erklärt worden, hieß es. Laut Angaben der niederösterreichischen Polizei gegenüber dem ORF Niederösterreich waren die Rettungskräfte vier Minuten nach dem Notruf an Ort und Stelle.

Mikl-Leitner fordert gesetzliche Verschärfungen

Die Ereignisse zogen auch zahlreiche politische Reaktionen nach sich. Die Wiener ÖVP forderte beispielsweise eine Änderung des Versammlungsgesetzes, die Freiheitlichen sprachen sich für „massive Strafverschärfungen“ aus. „Bewegt euch im Rahmen unseres Rechtsstaats“, richtete Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) den „Klimablockierern“ aus. Sie habe vor Monaten gewarnt, dass durch unangemeldeten Aktivismus Rettungskräfte behindert werden könnten und im schlimmsten Fall Menschenleben gefährdet würden. Es seien gesetzliche Verschärfungen fällig.

Die Blockaden am Donnerstag waren indes gegen 9.00 Uhr laut Polizei schon wieder „so gut wie beendet“. Nicht angemeldete Versammlungen gab es bei der Schüttelstraße im Bereich Franzensbrücke in der Leopoldstadt, am Inneren Mariahilfer Gürtel auf der Höhe Westbahnhof in Rudolfsheim-Fünfhaus und auf der Donaukanalstraße auf Höhe der Müllverbrennungsanlage Spittelau im Bezirk Alsergrund.