Am Wiener Landesgericht müssen sich heute fünf Männer verantworten. Ihnen wird vorgeworfen, sie hätten sich zu einer kriminellen Vereinigung zusammengeschlossen, um in Nobelvillen am Stadtrand einzudringen. Im Bild: Die angeklagten mit Justuzwachebeamten
ORF
ORF
Gericht

Fensterbohrerbande: Heute kein Urteil

Heute wird es am Wiener Landesgericht beim Prozess gegen eine fünfköpfige Räuber-Bande kein Urteil geben, weil eine Zeugin nicht erschienen ist. Die Bande hatte sich auf Home Invasions in Villen am Stadtrand spezialisiert. Vier Angeklagte waren beim ersten Prozesstermin geständig.

„Es hat wie ein Unternehmen funktioniert“, legte die Staatsanwältin zu Beginn der Verhandlung dar. Bei zwei Angeklagten handelt es sich um die eigentlichen Täter – Profis, die auf die sogenannte Fensterbohrmethode spezialisiert sind. Die beiden Männer im Alter von 43 und 54 Jahren weisen europaweit bereits acht bzw. sechs einschlägige Vorstrafen auf.

Sie verstehen es, Fenster- und Türrahmen so anzubohren, dass sich mittels einer durch die Löcher zu ziehenden Drahtschlinge die Verriegelung lösen lässt und man so ins Innere gelangt. „Dafür braucht es spezielle Übung, spezielle Fingerfertigkeit“, zollte die Staatsanwältin den beiden beinahe Respekt für ihre Kenntnisse.

Gewalt gegen Opfer in Kauf genommen

Für die Chauffeurdienste war ein 28-jähriger Taxifahrer zuständig. Der Tipp für den lukrativsten wie auch einträglichsten Coup stammte laut Anklage von einem Ehepaar (50 und 53 Jahre alt). „Die Täter haben es bewusst in Kauf genommen, dass die Opfer zu Hause sind und – wenn es sein muss – Gewalt gegen die Opfer anzuwenden. Das nennt man Home Invasion“, sagte die Staatsanwältin.

Eine solche erlebte am 28. Mai 2019 eine wohlhabende 79-jährige Frau in ihrer Villa in Döbling. „Ich war selber am Ort. Man sieht, wie viel da drinnen ist“, verriet die Staatsanwältin den Schöffen, dass das Anwesen schon von außen imposant wirke. Von der aus Ungarn stammenden Haushälterin der Villenbesitzerin habe die Angeklagte von „der Wahnsinnsvilla“ (Staatsanwältin) erfahren.

Zwei Einbrüche in selbe Villa

Bei Besuchen bei ihrer Bekannten soll sie gemeinsam mit ihrem Ehemann die Villa ausgekundschaftet haben. Dem Mann wird von der Staatsanwaltschaft vorgeworfen, er habe sich eine Kopie des Generalschlüssels anfertigen lassen. Vor Gericht verneinte der 53-jährige, zweifach vorbestrafte Bauunternehmer das jedoch, seine Frau nahm er in Schutz. Es habe zudem keinen Auftrag gegeben, jenes Haus zu überfallen, betonte er vor dem Schöffengericht.

Der 54-Jährige widersprach in seiner Aussage jedoch der Darstellung der Staatsanwaltschaft, wonach man über einen Tipp des Ehepaares auf das luxuriöse Anwesen gekommen sei. „Wir sind darauf gekommen, weil ein ungarisches Lokal in der Nähe ist“, behauptete er. Bei einem ersten Einbruch im Jahr 2018 wurde der Tresor in der Waschküche geknackt, doch der eigentliche Schatz befand sich im zweiten Stock in einem Wandtresor.

Am 28. Mai 2019 folgte der zweite Coup. Die Besitzerin hörte eines Abends aus dem Zimmer, in dem sich der Tresor befand, verdächtige Geräusche und ging nachsehen. „In dem Moment sind plötzlich zwei vermummte Männer vor mir gestanden“, erinnerte sich die 79-jährige Wienerin an den Überfall. Die Männer sollen sie bedroht haben und sie anschließend mit einem Kabel und einem Tuch gefesselt „einfach liegen gelassen“ haben, so die Staatsanwältin. Dieses Anklagefaktum hat die Staatsanwaltschaft als schweren Raub qualifiziert.

Weitere Einbrüche Teil der Anklage

Schon am 24. Mai 2019 waren sie unbemerkt von den Besitzern in eine andere Villa in der Peter-Jordan-Straße gelangt und hatten „Schmuck und alles, was sie finden können“ gesucht. In der Garage stahlen sie zudem einen Porsche. Mit dem Luxusschlitten auch noch Geld zu machen, sei jedoch nicht der Plan gewesen. „Unser Interesse war es, den Porsche verschwinden zu lassen“, sagte der 54-Jährige aus. Von der Anklage umfasst sind noch zwei weitere Einbrüche im April 2019.

Auf die Spur der Angeklagten war man dank der Haushälterin der zweifach ausgeplünderten Villenbesitzerin gekommen, die sich frühzeitig an die Strafverfolgungsbehörden wandte und ihr Wissen preisgab. Der Frau wurde Kronzeugenstatus zugebilligt, sie wurde daher nicht mitangeklagt. Dasselbe gilt für eine Vertrauensperson, die im Gerichtsakt nur anonymisiert auftaucht.

Von dieser Person, die sich im Dezember 2021 an die Kriminalpolizei gewandt hatte, stammen konkrete Hinweise, die zur Ausforschung und Festnahme der mutmaßlichen Täter führten. „Sie hat Angst um ihr Leben, wenn ihr Name bekannt würde“, gab die Staatsanwältin bekannt. Die Haushälterin der 79-Jährigen, die Vertrauensperson und die Frau des 54-jährigen Zweitangeklagten waren am ersten Prozesstag als Zeugen bestellt, erschienen jedoch nicht.

Anonymisierter Zeuge belastete einen Hauptangeklagten

Nun sagte die Vertrauensperson (VP) der Polizei als Zeuge aus – und zwar öffentlich. Die VP – ein Ungar, der zu seiner Identität aus nahe liegenden Gründen keine Angaben machen wollte – wurde im Weg einer mit den ungarischen Behörden akkordierten Videokonferenz vernommen.

Der Zeuge belastete einen der unmittelbaren Täter schwer. Er habe den 54-jährigen Landsmann seinerzeit in einem Gefängnis kennengelernt und 2018 in Freiheit wieder getroffen. Später habe dieser ihm erzählt, dass er in Wien eine ältere Dame in ihrem Haus gefesselt und deren Safe entwendet habe. Dieser sei in weiterer Folge mit einem Porsche Cayenne nach Budapest verbracht worden.

Erstmals hatte die VP diese Aussagen vor der Wiener Kriminalpolizei getätigt. Wie der Zeuge schilderte, hätten ihn insgesamt vier Polizisten vernommen, darunter auch sein Führungsbeamter. Die Frage von Verteidiger Wolm, wie dieser denn heiße, wollte der Zeuge nicht beantworten. Er verwies diesbezüglich auf seinen Anwalt.

Die Verhandlung wurde nun zur Ladung und Einvernahme der Haushälterin der 79-jährigen Villen-Besitzerin auf den 11. Juli vertagt.