Das leere Cafe Ritter
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Wirtschaft

Kein Kaffeehaussterben in Wien

Das Cafe Ritter in Wien-Ottakring schließt endgültig, das Grand Cafe auf dem Alsergrund, das Cafe Halle im MuseumsQuartier und beispielsweise das Cafe Francais sind insolvent. Ein Kaffeehaussterben sieht man in der Wiener Wirtschaftskammer jedoch keineswegs.

Es hätten nun Kaffeehäuser zugesperrt, „die in einem anderen medialen Fokus sind als andere Kaffeehäuser“, erklärte Wolfgang Binder, Fachgruppenobmann der Wiener Kaffeehäuser in der Wiener Wirtschaftskammer. „Wir haben pro Jahr im Schnitt einen Abgang von zehn Prozent, aber auch wieder einen Zugang von zehn Prozent.“ Die Schließungen und Neueröffnungen würden sich also über die Jahre ausgleichen. Aufgrund der Pandemienachwehen gebe es „vielleicht um zwei, drei Prozent mehr“ Schließungen, so Binder.

Im Vorjahr wurden bei 1.666 Kaffeehäusern beispielsweise 206 Abgänge und 167 Zugänge verzeichnet. Die Zahl der Cafes sank in Wien also leicht um 39. Insgesamt stieg die Zahl der Lokale in Wien laut Wirtschaftskammer-Zahlen im Vorjahr um 91. Bei Kaffeerestaurants würden die Grenzen zwischen den Lokalkategorien manchmal auch verschwimmen, so ein Sprecher.

„Es tut sich noch immer einiges auf Wiener Markt“

Ein Kaffeehaussterben beobachtet der Fachgruppenobmann der Wiener Kaffeehäuser jedenfalls definitiv nicht. „Es tut sich doch noch immer einiges auf dem Wiener Markt, was Kaffeehäuser betrifft“, sagte Binder im Interview mit Radio Wien. Es würden beispielsweise New-Wave-Betriebe aufsperren und Röstereien, die auch Kaffee anbieten.

Sind die Folgen der Pandemie für die Kaffeehäuser bereits überwunden? Das könne er nicht sagen, meinte Binder. Es gebe noch viele Nachwirkungen etwa durch Gerichtsverhandlungen rund um Mietthemen und durch Verzögerungen bei der Auszahlung von staatlichen Zuschüssen.

Großes Kaffeehaussterben in 60ern und 70ern

„Wir stehen natürlich vor schwierigen Zeiten“, betonte der Branchenvertreter. Die Energiekosten würden im Vergleich zu den vergangenen Jahren etwa das Fünffache betragen, dazu kämen etwa die allgemeine Teuerung und der Personalmangel.

Die Wiener Kaffeehaustradition gebe es jedoch seit mittlerweile 330 Jahren und habe sich immer verändert. „Man hat in den 60er, 70er Jahren vom großen Kaffeehaussterben gesprochen. In viele Kaffeehäuser sind Banken und Autohäuser gekommen. Momentan ist es wieder so, dass sich das zurückentwickelt“, schilderte Binder. Die Wiener Kaffeehauskultur lebe zudem von der Vielfalt – vom Traditions- bis zum Stehcafe.