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Der Wienerbergteich: Eine Oase in der Stadt

In Favoriten, dem einwohnerreichsten Bezirk Wiens, befindet sich das Erholungsgebiet Wienerberg mit seinem künstlich angelegten Teich und dem größten Schilfbestand im Süden Wiens. Der Ruhepol mitten im Großstadtdschungel birgt so manches Geheimnis.

Eigentlich ist das alles ein wenig unwirklich. Wenige Meter abseits der vielbefahrenen Triesterstraße eröffnet sich ein Grünraum, den man in einem so dicht besiedelten Bezirk nicht vermuten würde. Hat man einen Eingang entdeckt, ist man wie in einer anderen Welt: Grillen zirpen und Vögel zwitschern. Das Landschaftsschutzgebiet ist 123 Hektar groß, mit kleinen verwunschenen Wegen, Wiesen und Böschungen. Im Zentrum des Gebietes befindet sich ein künstlich angelegter Teich mit interessanter Geschichte.

Wienerbergteich
Josef Bollwein
Das Erholungsparadies erstreckt sich über 123 Hektar

Es handelt sich um ein ehemaliges Ziegeleigelände, auf dem seit der Römerzeit Ziegel produziert wurden. Unter Maria Theresia entstand dort die erste staatliche Ziegelei. Der Industrielle Alois Miesbach erwarb den heute als „Wienerberger“ weltweit tätigen Betrieb 1820. Unter seinem Neffen Heinrich Drasche – nach ihm sind in Wien auch die Draschegasse in Meidling oder der Draschepark in Liesing benannt – entwickelte sich die Ziegelfabrik zur größten Europas, mit einer Jahresproduktion von 130 Millionen Stück Ziegel.

Standorthinweis:

Der Wienerbergteich befindet sich am Wienerberg im 10. Bezirk, erreichbar etwa via Straßenbahn 67 bis Otto-Probst-Straße, danach ca. 10 bis 15 Minuten Fußweg. Mit dem Auto über die A2-Ausfahrt Zentrum via Triesterstraße. Parkplätze im Umkreis.

Schlechte Arbeitsbedingungen in Ziegelgruben

Aus diesen Wienerberger Ziegeln wurden etwa die Ringstraßenbauten, das Arsenal, das Hauptzollamt oder auch die Semmeringbahn gebaut. Drasche wurde bald „der reichste Mann Wiens“ genannt und ließ für seine rund 10.000 Arbeiter Wohnhäuser bauen. 1869 wurde der Betrieb in die „Wiener Ziegelfabriks- und Baugesellschaft“ umgewandelt. Die Arbeitsbedingungen in den Ziegelgruben waren branchenüblich schlecht und verschlechterten sich 1869 nach dem Börsegang des Unternehmens weiter.

Die meist aus Böhmen und Mähren stammenden Lohnarbeiter – bis heute als „Ziegelböhm“ ein Begriff – mussten im Schnitt 15 Stunden täglich arbeiten, auch Kinder. Wochenende oder arbeitsfreie Tage gab es nicht. Der Lohn wurde meist in Blechmarken beglichen, die nur in den betriebseigenen Kantinen eingelöst werden konnten. Erst der Gründer der SPÖ, Viktor Adler, wies öffentlich auf die unhaltbaren Zustände hin, die sich daraufhin besserten.

Ein Teich „wie karibisches Wasser“

In den 1960er Jahren wurde die Fabrik am Wienerberg wegen Unrentabilität des Lehmabbaus schließlich geschlossen. Der Wienerbergteich ist 12 Hektar groß und nichts Anderes als der Aushub dieser Ziegelarbeiten. Das Areal wurde nach Schließung der Fabrik von der Stadt Wien zur Schuttablagerung genutzt. Danach übernahmen die Försterinnen und Förster der Stadt das Gebiet und gestalteten es zu einem Erholungsgebiet um.

Fotostrecke mit 7 Bildern

Erholungsgebiet Wienerberg
Josef Bollwein
Erholungsgebiet Wienerberg
Josef Bollwein
Erholungsgebiet Wienerberg
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Erholungsgebiet Wienerberg
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Erholungsgebiet Wienerberg
Josef Bollwein
Erholungsgebiet Wienerberg
Josef Bollwein
Erholungsgebiet Wienerberg
Josef Bollwein

Dieses ist zur Gänze als Landschaftsschutzgebiet ausgewiesen. Es gibt viele Wege zum Spazieren und auch Laufen. Nähert man sich über die wildbewachsenen Böschungen oder Wege dem Wasser, entdeckt man zwischen den Sträuchern versteckte Plätzchen mit direktem Blick auf den Teich. Am Ufer gibt es auch einige Liegewiesen. An einem Tag mit blauem Himmel erscheint der Teich wie karibisches Wasser. Untrügliches Zeichen dafür, dass man doch in Wien ist: die Skyline der Wienerberg City, die sich im Hintergrund des Wassers zeigt.

Vielfältige Flora und Fauna

Der Wienerbergteich hat den größten Schilfbestand im Wiener Raum. Und hinter dem Schilf verbirgt sich so manches Geheimnis: Das Schilf bietet Singvögeln wie Drosselrohrsänger, Zwergdommel oder Rohrammer perfekte Nistmöglichkeiten. Die Halme sind Schlafplatz, Nahrungsreservoir und Deckung zugleich. Info-Tafeln klären auf, welche Vögel hier leben, wie etwa das Teichhuhn „Gallinula chloropus“, das man an seinen Ruflauten “kurr“ oder „kürr“ erkennt.

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Making Of Fotos Wienerbergteich
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Oder der seltene Haubentaucher „Podiceps cristatus“, mit schwarzem Schopf und schnarrenden Ruflauten, die wie „keck-keck-keck“ klingen. Im Winter finden hier auch Vögel anderer Lebensräume Nahrung, etwa die Samen des Schilfrohres. Wohl fühlen sich hier übrigens auch Menschen, die es bevorzugen, wie Gott sie schuf, zu schwimmen – es gibt einen eigenen FKK-Bereich.

Wer den Weg zu diesem urigen Badeteich findet, mit dem Hund oder Picknick im Gepäck, wird nicht enttäuscht. Der Wienerbergteich und sein Rundherum – eine wahre Ruheoase mitten in der Stadt, mit jeder Menge Grün und Natur und so manch versteckten Plätzchen, die es wert sind, entdeckt zu werden.