Emanuela Friese, stv. Leiterin Covid-19-Station
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Bei Budgen

Intensivmedizinerin: „Die Lage ist ernst“

Emanuela Friese ist stv. Leiterin der Covid-19-Intensivstation der Klinik Favoriten. Sie berichtet „Bei Budgen“ in „Wien heute“ vom Druck, der durch die britische Mutation des Virus bei Patienten und Personal immer höher wird – aber auch von Happy Ends.

„Die Lage ist ernst. Wenn die Zahlen nicht zurückgehen, könnte die Kapazitätsgrenze rasch erreicht sein“, sagt Friese. Die britische Mutation sorge häufig für schwere Krankheitsverläufe: „Es ist so, dass die Leute jünger sind, die auf der Intensivstation behandelt werden müssen. Man merkt, dass die Verläufe schneller sind. Leute die einen schlechten Verlauf haben, landen schneller bei uns auf der Intensivstation.“ Friese spricht von Todesfällen selbst bei sehr jungen Patienten. Der jüngste sei erst 33 gewesen und habe keine Vorerkrankungen gehabt. Im Schnitt beträgt das Alter der Patientinnen und Patienten jetzt 50 bis 65 Jahre.

Manche scheinen für schwere Verläufe prädestiniert

Bei welchen Menschen die Infektion einen schwereren Verlauf nimmt, könne man nie genau vorhersagen, betonte Friese. Es sei in der großen Masse so, dass Menschen eher erkranken, die übergewichtig sind, die einen hohen Blutdruck oder Diabetes haben. Es seien weniger Menschen mit einer bestehenden Lungenerkrankung. Das Virus trifft auch die Gefäße, es kann auch Gerinnungsstörungen machen: „Und Leute mit Diabetes und Übergewicht haben eher auch Gefäßerkrankungen. Was uns auch auffällt, dass Leute mit einer Schilddrüsenunterfunktion häufig einen schweren Verlauf haben bei uns auf der Intensivstation“, so Friese.

Im Unterschied zu herkömmlichen Intensivpatienten brauchen Covid-19-Kranke laut Friese viel mehr Schlaf- und Schmerzmittel, um eine Vollnarkose zu erreichen. Die Ernährung sei viel komplizierter, weil das Virus auch auf den Magen-Darm-Trakt geht. Patienten mit sehr langsamen Herzschlag seien häufiger. Schon bekannt aus den vorangegangenen Wellen war, dass Patienten in Bauchlage eine bessere Sauerstoffsättigung aufweisen. „Was jetzt neu ist, wir machen das auch bei wachen Patienten. Es gibt viele Sachen die anders sind als bei anderen Patienten“, sagte Friese.

Wochenlanger Tiefschlaf und Begleiterkrankungen

Der Verlauf einer Infektion zieht sich über Wochen. Zwischen 70 und 80 Prozent der Patienten sind im künstlichen Tiefschlaf, „wir haben aber immer welche, die bei Bewusstsein sind und Sauerstoff bekommen mittels Hochfluss-Sauerstofftherapie." Es gebe einzelne Patienten mit einer Begleitenzephalitis, ausgelöst vermutlich durch das Virus. Das sei aber noch nicht ganz geklärt. Es gebe auch Patienten, die nach dem Aufwachen motorische Probleme haben. Sie machen Bewegungen, die sie nicht kontrollieren können. " Aber Gott sei Dank ist es bei den Patienten, die wir hatten, nach Wochen wieder weggegangen. Das Virus geht auch aufs Gehirn.“

Durch die extreme Auslastung der Intensivstationen kommt auch das Personal an seine Grenzen. Die Arbeit sei viel aufwendiger durch die Schutzausrüstung, schilderte Friese die Bedingungen: „Es dauert einige Minuten, bis man sich angezogen hat. Es sind Patienten in der Bauchlage, die muss man zwei Mal am Tag drehen, da braucht man mehr Personal dafür.“ Wann die Grenze erreicht sei, wisse sie nicht, sagte Friese: „Man kann sich vorstellen, dass das rasch gehen könnte, wenn die Zahlen nicht zurückgehen. Die Lage ist ernst.“

Es gibt auch Happy Ends

Anfangs sei die Arbeit für das Personal mit vielen Ängsten verbunden gewesen: „Es war nicht klar, ob die Schutzkleidung uns schützt, ob wir das Virus nach Hause tragen, ob wir die Eltern anstecken. Und man wusste nicht, ob das so schlimm sein wird wie in Italien.“ Es gab auch immer Phasen, wo das Personal an der Belastungsgrenze gewesen sei, „es gab auch immer Phasen, wo viele Patienten verstorben sind, was auch sehr belastend ist“.

Die Sterblichkeit auf der Intensivstation liege bei 20 bis 30 Prozent, aber es gebe immer wieder auch Happy Ends: „Wir hatten eine schwangere Patientin, die sehr schwer erkrankt war. Wir hatten große Angst, dass dem Kind oder der Mutter was passieren kann. Zum Glück konnte sie jetzt aus dem Spital entlassen werden und dem Ungeborenen geht’s auch gut.“