Leichen im Keller - eine Chronologie

Zwei erschossene Männer, zerstückelte und einbetonierte Leichen, eine Verdächtige, die in der Haft Mutter und Ehefrau wurde: Seit Montag stand Estibaliz C. im wohl spektakulärsten Kriminalfall des Jahres vor Gericht. Die Chronologie.

27. April 2008: Estibaliz C. soll an diesem Tag laut Anklage ihren geschiedenen Mann erschossen haben. Danach soll sie versucht haben, die Leiche zu verbrennen, was scheiterte. Sie soll die Leiche mit einer Kettensäge zerteilt und die Teile eingefroren haben. Im Herbst soll sie diese einbetoniert und unter ihrem Eissalon in Wien-Meidling im Keller gelagert haben. Das mutmaßliche Motiv: Der Mann habe nicht aus der gemeinsamen Wohnung ausziehen wollen.

21./22. November 2010: In dieser Nacht stirbt der Lebensgefährte von Estibaliz C. in der gemeinsamen Wohnung. Vier Schüsse aus kurzer Distanz treffen seinen Hinterkopf. Laut Anklage wird die Leiche mit einer Kettensäge zerteilt und die Teile wieder in Wannen einbetoniert und im Keller unter dem Eissalon gelagert. Das mutmaßliche Motiv: wiederholte Untreue.

6. Juni 2011: Für Umbauarbeiten bricht ein Mieter in dem Mehrparteienhaus in der Oswaldgasse ein Kellerabteil auf, das zunächst niemandem zugeordnet werden konnte. Er entdeckt eine Faustfeuerwaffe und mit Beton gefüllte Mörtelwannen. Die alarmierte Polizei findet in mehreren Mörtelwannen, Blumentöpfen und Kühltruhen Leichenteile, die von einer Sachverständigen den beiden Toten zugeordnet werden.

Blick in das Kellerabteil

APA/Herbert P. Oczeret

Blick in das Kellerabteil

7. Juni 2011: Die Verdächtige hört in ihrem Eissalon, wie der Entdecker der Leichen gegenüber einer ihrer Mitarbeiterinnen davon spricht, im Keller den verschwundenen Lebensgefährten von Estibaliz C. gefunden zu haben. Sie flüchtet, hebt 10.000 Euro ab, bucht einen Flug nach Paris, fährt dann aber mit einem Taxi nach Udine. Der Lenker bucht ihr ein Hotelzimmer. Die Polizei wartete vergebens auf dem Flughafen.

8. Juni 2011: Estibaliz C. verlässt das Hotel. Auf dem Bahnhof von Udine spricht sie einen Straßenkünstler an, bringt ihn dazu, sie bei ihm aufzunehmen. Dem Mann fällt ihr Interesse an den Kellerleichenfall im Internet auf, er alarmiert die Polizei.

9. Juni 2011: Das Geschlecht des zweiten Toten ist geklärt. Laut Polizei handelt es sich ebenfalls um einen Mann. Beide Leichen weisen Schussverletzungen auf. Die Suche nach weiteren Leichenteilen wird in dem Haus abgeschlossen. Von dem zweiten Opfer findet man bis auf den Kopf nichts.

Bei dem ersten Toten handelt es sich um einen Ex-Freund der Besitzerin des Eissalons, den seit Monaten als abgängig gemeldeten Manfred H. Die Identität des zweiten Toten, der schon länger in dem Keller in der Oswaldgasse 1 liegen dürfte, bleibt hingegen weiter unklar. Dass es sich um den Ex-Mann der Gesuchten handelt, wie Anrainer vermuteten, bleibt zunächst Spekulation.

Polizisten am Tatort

APA/HERBERT P. OCZERET

Spurensicherung verlässt den Tatort

10. Juni 2011: Italienische Polizisten verhaften Estibaliz C. in Udine. Nach einer ersten Befragung wird sie in ein Krankenhaus gebracht. Die Frau ist zu diesem Zeitpunkt im zweiten Monat schwanger. Vater ist ihr neuer Lebensgefährte.

Eissalonbesitzerin bei Übergabe an Österreich

APA/EXPA/Groder

Auslieferung an Österreich

24. Juni 2011: Die italienischen Behörden übergeben die unter Mordverdacht stehende Frau an Österreich.

25. Juni 2011: Eskortiert von zwei Polizisten und einer Polizistin trifft die 32-Jährige am nächsten Tag um 11.00 Uhr mit einem weißen Justizwachebus mit verdunkelten Scheiben in der Justizanstalt Josefstadt ein.

28. Juni 2011: Der Anwalt der Frau dementiert, dass seine Mandantin ein Mordgeständnis abgelegt hat. Zudem wird die Beiziehung eines Gutachters beantragt. Ein Psychiater soll abklären, ob die 32-Jährige an einer Krankheit oder seelisch-geistigen Abartigkeit höheren Grades leidet und zum Zeitpunkt der Bluttaten überhaupt zurechnungsfähig war.

20. Juli 2011: Details aus den Polizeiakten werden bekannt. „Etwas Böses hat wieder einmal die Kontrolle über mich ergriffen“, heißt es darin. Über die Zerstückelung der Leiche gibt sie laut dem Magazin „News“ zu Protokoll: „Ich konnte Holger nicht tragen, er war doch so schwer.“ In einem Heimwerkerzentrum habe sie einen „Schnellkurs“ im Umgang mit Motorsägen gemacht und ein „handliches Gerät“ gekauft.

Das „in 4,5-Kilo-Stücke“ zerteilte Opfer habe sie in mit Müllsäcken ausgelegten Kübeln im Keller deponiert. Später versuchte sie, mit Zement und Katzenstreu die „schlimmen Düfte“ zu neutralisieren.

25. August 2011: Die Eissalonbesitzerin steht erstmals vor Gericht. Allerdings geht es „nur“ um eine medienrechtliche Entschädigung. Bezeichnungen wie „Todeshexe“ oder „Metzgerarbeiten“ in Artikeln einer Tageszeitung führen zu dem Verfahren.

Eissalonbesitzerin vor Gericht

APA/Robert Jäger

16. November 2011: Gegen die Frau sollen weitere belastende Indizien vorliegen. Das berichtet „News“. Demnach sollen bei der Obduktion eines der beiden Opfer enorme Schäden an Leber und Niere festgestellt worden sein.

Die Staatsanwaltschaft Wien, die gegen die 33-Jährige wegen Doppelmordes ermittelt, gibt daraufhin ein weiteres Gutachten in Auftrag. Ein Toxikologe soll klären, ob sich der Vergiftungsverdacht „objektivieren lässt“, wie Behördensprecher Thomas Vecsey erklärt mehr dazu in Eissalon-Morde: Online Gift gekauft?.

21. Dezember 2011: Die Verdächtige redet über ihre Motive. Demnach fühlte sie sich von den beiden Opfern unterdrückt und hintergangen, wie „News“ sie zitierte. Hochzeitspläne mit dem Vater ihres Kindes publik - mehr dazu in Mordverdächtige will heiraten.

11. Jänner 2012: Die Mordverdächtige bringt ihr Kind zur Welt. Die Geburt verläuft ohne Komplikationen. Die Frau darf das Kind allerdings nicht behalten. Das Ansuchen für die Hochzeit wird unterdessen genehmigt - mehr dazu in Baby sofort nach Geburt weg: Beschwerde

13. Jänner 2012: Während Estibaliz C. wieder in die Justizanstalt Josefstadt gebracht wird, beschließt das Jugendamt, das Kind in die Obsorge des Vaters zu übergeben. Der Wiener Krankenanstaltenverbund wehrt sich gegen Kritik - mehr dazu in Babyabnahme wegen Kaiserschnitts.

31. Jänner 2012: Zum ersten Mal darf Estibaliz C. ihren Sohn sehen. Der Besuch des Vaters mit dem Kind in der Justizanstalt dauert rund eine Stunde. Die Mutter darf das Kind in die Arme nehmen, da es sich um einen „Tischbesuch“ handelt - normalerweise sind Häftling und Besucher durch eine Glaswand getrennt - mehr dazu in Estibaliz C. sah Sohn zum ersten Mal.

Estibaliz C. im Gerichtssaal

APA/Robert Jäger

29. März 2012: Die 32-Jährige heiratet in der Justizanstalt Josefstadt den 47-jährigen Vater ihres Kindes. Zwei Trauzeugen sind anwesend, Feiern gibt es nicht - mehr dazu in Estibaliz C. heiratete im Gefängnis.

4. April 2012: Laut einem „News“-Bericht wird das Baby von Estibaliz C. von Wien nach Barcelona gebracht. Der Bub der unter Mordverdacht stehenden Frau soll bei seinen Großeltern aufwachsen - mehr dazu in Estibaliz C.: Sohn bei Großeltern.

4. Juli 2012: Das psychiatrische Gutachten liegt vor. Gerichtspsychiaterin Kastner hat sich 30 Stunden lang mit Estibaliz C. unterhalten. In dem 140 Seiten dicken Befund wird die Frau als zurechungsfähig bezeichnet, die Verdächtige weise eine „besondere Gefährlichkeit“ auf. Im Fall einer Mordanklage und eines anklagekonformen Schuldspruchs wird die Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher empfohlen - mehr dazu in Estibaliz C. als „besonders gefährlich“ eingestuft.

5. September 2012: Die Anklageschrift ist fertig. Auf 21 Seiten werden die Vorwürfe detailliert festgehalten. Staatsanwältin Ursula Kropiunig erhebt Anklage wegen Doppelmords. Der Angeklagten wird eine „geradezu einzigartige Kaltblütigkeit und Skrupellosigkeit“ bescheinigt. Selbst ihre jeweiligen Lebensgefährten hätten bei Estibaliz C. „trotz den von ihr begangenen schauderhaften Taten keine Verhaltensänderung wahrgenommen“ - mehr dazu in Kellerleichen: Anklage fertig.

Die im Fall der Kellerleichen in Wien-Meidling angeklagte Estibaliz C. in einem Medienprozess im August 2011

APA/Robert Jäger

14. September 2012: Der Prozessbeginn wird mit 19. November terminisiert. Am ersten Verhandlungstag soll ausschließlich die Angeklagte einvernommen werden, ein Urteil ist zu diesem Zeitpunkt noch für den 21. November angekündigt - mehr dazu in Kellerleichen-Prozess im November.

9. November 2012: Die Verhandlung wird auf vier Prozesstage ausgedehnt, insgesamt sollen 47 Zeugen einvernommen werden - mehr dazu in Kellerleichen: 47 Zeugen im Prozess.

Prozess um Kellerleichen: Die mutmaßliche Doppel-Mörderin Estibaliz C. (M.) mit ihren Anwälten Werner Tomanek (l.) und Rudolf Mayer am ersten Prozesstag

APA/Helmut Fohringer

Estibaliz C. mit ihren beiden Verteidigern am ersten Prozesstag

19. November 2012: Der Prozess gegen Estibaliz C. wurde im Großen Schwurgerichtssaal des Landesgerichts eröffnet. Die Angeklagte legte gleich zu Beginn ihrer Einvernahme ein Geständnis ab. Sie bekenne sich „zu den Tötungen schuldig“, sagte die 34-Jährige. Dabei bezeichnete sie ihre Taten als „widerlich“ - mehr dazu in Estibaliz C.: „Taten waren widerlich“.

20. November 2012: Am zweiten Prozesstag hatten mehrere frühere Freunde der Angeklagten ausgesagt. Während ein Mann C. als „gefallsüchtig“ beschrieb, nannte ein anderer die Angeklagte „grundsätzlich eine Chaotin“, die ihre Ziele „ausgesprochen planlos“ verfolgt habe. Der zweite Ehemann der Angeklagten, den sie im Frühjahr 2012 im Gefängnis geheiratet hatte, war dagegen nur für einen kurzen Auftritt im Gerichtssaal, er entschlug sich der Aussage - mehr dazu in Kellerleichen: Gatte sagt nicht aus.

21. November 2012: Am dritten Verhandlungstag schockte Gerichtsmediziner Johann Missliwetz mit einer Powerpoint-Präsentation, die Großaufnahmen der Leichenteile enthielt. Das Zerteilen der Leichen müsse „eine große Sauerei“ verursacht haben, so der Sachverständige. Beide Männer wurden laut Missliwetz aus kurzer Entfernung von hinten bzw. der Seite erschossen. Mit den sterblichen Überresten wurden auch die beiden Kettensägen einbetoniert, mit denen die Opfer zerkleinert worden waren.

Kellerleichen-Prozess: Die mutmaßliche Doppel-Mörderin Estibaliz C. (M.) mit ihren Anwälten Werner Tomanek (l.) und Rudolf Mayer

APA/Helmut Fohringer

Weiters sagten eine frühere Angestellte des Eissalons der Angeklagten, ein Geschäftspartner des zweiten Opfers und ein Nachbar des Eissalons aus. Die frühere Angeklagte schilderte das zweite Opfer Manfred H. als „sehr nett, sehr brav“, auch C. sei umgänglich gewesen - mehr dazu in Kellerleichen: Gerichtsmediziner am Wort.

22. November 2012: Estibaliz C. wird zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt. Sie wird in eine Anstalt eingewiesen. Das psychiatrische Gutachten attestierte ihr eine schwere Persönlichkeitsstörung, und trotzdem Zurechnungsfähigkeit. C. habe sich auf Tötungsfantasien fixiert und das „Aus-dem-Weg-Räumen der Männer als Lösung“ empfunden - mehr dazu in Lebenslange Haft für Estibaliz C..