Düringer: „Ich bin ein Systemtrottel“

In der letzten Sendung von „Dorfers Donnerstalk“ hat Roland Düringer mit seiner Wutrede für heftige Diskussionen gesorgt. Im wien.ORF.at-Interview sprach er über die Hintergründe und stellte klar: „Ich bin ein Systemtrottel“.

„Wir sind wütend“, schrie Roland Düringer vergangene Woche in die Kamera der ORF-Sendung „Dorfers Donnerstalk“. Der Kabarettist schimpfte in seiner „Wutrede“ auf Politiker, Banken, Medien, das Ausbildung- und Gesundheitssystem. Dabei sprach er scheinbar vielen Menschen aus der Seele. Ein Video seiner Rede verbreitete sich im Internet in Windeseile auf sämtlichen Social Media Plattformen und löste heftige Diskussionen aus. Auf YouTube ist Düringers Wutrede einige Male vertreten und verzeichnete bis zu 50.000 Klicks.

wien.ORF.at: Wie viel Ernst war in Ihrer Wutrede verpackt?

Roland Düringer: Prinzipiell ist es so. Das Ganze war eine satirische TV-Sendung, Unterhaltungsfernsehen sozusagen. Ich bin Schauspieler und Kabarettist und habe da meine Arbeit getan. Dass ich auch über die Sachen gerne spreche, die mich betreffen oder die mich berühren, ist klar. Was auf jeden Fall ist: Es hat etwas ausgelöst. Damit habe ich gar nicht gerechnet. Das war gar nicht der ursprüngliche Plan, dass wir da irgendetwas auslösen damit, sondern das hat sich dann von selber entwickelt.

Roland Düringers Wutrede in der ORF-Sendung "Dorfers Donnerstalk"

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Roland Düringer bei seiner Wutrede in „Dorfers Donnerstalk“

wien.ORF.at: Wie interpretieren Sie diese Reaktionen?

Düringer: Also offenbar habe ich mich nicht getäuscht, dass in den Leuten irgendetwas brodelt. Ich hab das jetzt Wut genannt. Deswegen Wut, weil wenn ich gesagt hätte, wir sind die Enttäuschten oder so, dann wäre das nicht so tief hineingegangen wie Wut. Wut ist eine einfache Emotion, mit der man was verbinden kann. Und offenbar gehen irrsinnig viele Menschen in Resonanz damit. Dieses Video ist im Internet sofort herum geschickt und gepostet worden. Manche dafür, manche dagegen, wie auch immer. Ist doch egal, es tut sich was. Also insofern kann ich sagen: Mission erfüllt.

wien.ORF.at: Welches Ziel steckte hinter der Aktion?

Düringer: Es gibt kein wirkliches Ziel. Ich mache nicht etwas, um ein Ziel zu erreichen. Ich mache es, weil ich es gerne mache. Es war einfach, weil es um die Zeit als Thema hinein gepasst hat. Wutbürger ist jetzt nicht ein Begriff, den ich erfunden habe. Wutbürger oder Wut, das ist etwas, was momentan zwar nur unterschwellig da ist, aber es ist einfach da.

Und das ganz Wichtige ist jetzt, glaube ich, dass diese Wut, die da ist, in die richtigen Kanäle geleitet wird. Dass die Menschen bemerken, dass sie eigentlich nicht wütend sind, sondern schön langsam enttäuscht werden. Das Enttäuschen ist ja etwas Schönes, weil plötzlich die Täuschung weg ist und man plötzlich erkennt: Moment, das ist ja anders als ich geglaubt habe. Und in dem Moment, wo du was erkennst, kannst du auch drauf reagieren. Das ist das Allerwichtigste.

wien.ORF.at: Was sollen die Leute von dieser Rede für sich mitnehmen? Wie sollen sie darauf reagieren?

Düringer: Jeder muss jetzt in seinem Bereich anfangen, zu reagieren, jetzt Vorkehrungen dafür zu treffen, das sich etwas ändern wird. Natürlich gibt es global wichtige Themen, aber ich glaube wichtig ist, dass jeder sich selbst einmal ein bisschen besser spürt. Daran ‚happerts‘ nämlich. Dass wir einfach in einem Hamsterrad laufen und Dingen hinterher laufen. Meistens ist es leider Geld, das plötzlich an Wert verliert und man sich fragt, warum lauf ich jetzt noch im Hamsterrad?

Ich glaube, es wird sich viel ändern in der nächsten Zeit. Umso besser, wenn man darauf vorbereitet ist und sich schon jetzt einen sogenannten Plan B überlegt, wie es für einem selbst und für seine Familie weitergehen kann.

Roland Düringers Wutrede in der ORF-Sendung "Dorfers Donnerstalk"

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Roland Düringer steht als Wutbürger vor der Kamera

wien.ORF.at: Sind die Österreicherinnen und Österreicher Wutbürger? Werden sie aktiv?

Düringer: Nicht alle. Geht gar nicht. Es ist so, dass wir ja alle verhaftet sind. Ich merke es auch an den Reaktionen, die auf diese Geschichte hin im Internet grassieren. Ich kann sofort an diesen Reaktionen erkennen, wo sich dieser Mensch zugehörig fühlt. Wir fühlen uns ja immer einer politischen Richtung zugehörig. Rechts oder links, einer Religion, einer Tradition oder irgendeiner anderen Gemeinschaft. Und das ist unser „Wir“, dass wir kennen. Aber in dem „Wir“ sind wir nicht frei. In dem Moment, wo ich mich irgendeiner Gruppe zugehörig fühle, bin ich in Wirklichkeit an der Leine.

Wir müssen uns von diesen Denkmustern lösen. Wir müssen wirklich schauen, was tut uns Menschen gut, wie wollen wir in Zukunft miteinander umgehen, wie wollen wir leben miteinander. Unser System beruht darauf, dass man in Wirklichkeit lügt und betrügt. Dass man einfach immer den eigenen Vorteil hat. Und wenn ich heute auf die Bank gehe und sage: ‚Bitte, ich möchte viel Zinsen für mein Geld bekommen‘, muss ich damit rechnen, dass für diese Zinsen irgendwo anders auf der Welt einer arbeiten muss. Nicht der unmittelbare Nachbar, aber vielleicht irgendein Kind in China oder in Indien. Und dass ich in Wirklichkeit immer für mehr Zinsen bezahle, als ich bekomme, das ist einfach so.

wien.ORF.at: Welchen Tipp können Sie uns auf den Weg mitgeben, um kein „Systemtrottel“ mehr zu sein.

Düringer: Ich kann nur das sagen, was ich gemacht habe. Ich bin ein klassisches Beispiel von einem Systemtrottel. Ich bin in die Falle gegangen, übe aber, Gott sei Dank muss ich sagen, eine Tätigkeit aus, die mir Spaß macht. Das ist schon einmal ganz wichtig, dass man das tut, was man wirklich will. Und nicht etwas macht, weil man es muss. Und ich habe das Glück, dass ich mit dem, was ich gerne mache, Geld verdiene.

Eine Zeit lang habe ich sogar sehr viel Geld verdient. Und dann schafft man sich Dinge an und lernt irgendwann: Besitz besitzt. Und ich hab jetzt probiert, mich von vielen Dingen zu lösen. Ich arbeite viel weniger als früher, ich verdiene auch viel weniger Geld als früher. Immer noch genug, keine Frage.

Roland Düringers Wutrede in der ORF-Sendung "Dorfers Donnerstalk"

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Roland Düringers Wutrede entwickelt sich zum YouTube-Hit

wien.ORF.at: Welche Dinge haben für Sie einen Wert?

Düringer: Sind es diese Dinge, die man sich anschafft? Ist es der Urlaubsort, den man unbedingt erreichen möchte, um danach erzählen zu können, ich war dort auch schon auf Urlaub? Was sind Dinge die Wert haben? Das sind so Sachen wie Gesundheit. Dass man seinen Körper pflegt, dass man nicht einfach nur des Geldes wegen seine Gesundheit, seinen Körper kaputt macht. Auch die Psyche. Darunter leiden ja viele Menschen, dass sie einfach depressiv werden, weil sie es einfach nicht mehr ‚dablasen‘.

Dass wir auch überlegen, bei jeder Handlung, die ich setze: Diene ich damit dem Leben oder schade ich irgendjemandem? Wir haben wirklich in dem Land, in dem wir leben, sehr viele Freiheiten. Und auf so Dinge achte ich jetzt. Und ich merke, je mehr es zum Ursprung zurück geht, desto mehr bekommt man zurück und lebt mit der Natur. Das heißt, dass man auf einem überschaubaren Gebiet lebt, so etwas wie einen Acker hat, den man bepflanzen kann, wo man Gemüse ernten kann, wo man will auch Tiere halten. Das ist so mein Weg, den ich gehen möchte. Ich probiere Schritt für Schritt einfach gewisse Systeme zu verlassen.

wien.ORF.at: Können Sie ein Beispiel nennen?

Düringer: Ich gehe nicht mehr zu einem Arzt, außer wenn ich mir ein Bein breche. Denn dann muss ich zu einem Arzt, wenn ich operiert werden muss, aber wegen einer Verkühlung gehe ich nicht zum Arzt und lass mir etwas verschreiben, damit die Verkühlung leichter wird. Ich lebe die Verkühlung einfach aus, weil es einfach ein Teil von mir gerade ist, ein Reinigungsprozess.

Und so gibt es einfach viele Bereiche, wo man zum Arbeiten anfangen kann. Gott sei Dank gibt es auch schon viele Möglichkeiten, sich zu informieren. Sei es jetzt im Internet oder bei Freunden oder Menschen, die einfach schon Erfahrungen in gewissen Bereichen gemacht haben, die nicht der Mainstream sind. Es werden eh immer mehr. Alle werden das nie sein. Das ist klar. Das muss man halt als langsame Entwicklung sehen.

Das Interview führte Florian Kobler, wien.ORF.at

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