Ein anderer Blick auf Wien

20 Jahre lang war der gebürtige Bayer Michael Frank Korrespondent der Süddeutschen Zeitung in Wien. Vor Weihnachten hat er noch einmal im Bezirkgsgericht Meidling seine Ansichten zu Wien und Österreich auf den Tisch gelegt.

Seine direkte Art sorgte bei manchem österreichischen Politiker für Ohrensausen. Im Bezirksgericht Meidling zog der Korrespondent Bilanz über seine Jahre in Österreich. Ein Thema dabei war sein Bericht, mit dem er den Spionageverdacht gegen den ehemaligen Wiener Bürgermeister Helmut Zilk publik machte.

Franks Bericht sorgte tagelang für Aufregung in Wien. Zilk hätte kurz vor Erscheinen des Berichts einen Orden aus den Händen des damaligen Präsidenten Vaclav Havel verliehen bekommen sollen. Tschechische Sender hatten angeblich vor, Havel bloßzustellen. „Seht, dieser Präsident hängt den Feinden des tschechischen Volks auch noch Orden um. Und deswegen ist die Sache damals sehr überstürzt, aber deswegen nicht weniger qualifiziert aufgedeckt worden“, so Michael Frank im Interview für Wien heute.

Wien heute-Video mit Michael Frank

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„Naja, mei“

Unter die Akte Zilk wurde ein Schlussstrich gezogen. Havel entschuldigte sich schließlich bei Zilk. Ein anderer Fall für die internationale Presse war erst heuer die Festnahme des mutmaßlichen russischen Kriegsverbrechers Michail Golowatow am Wiener Flughafen. Ein europäischer Haftbefehl lag vor. Doch statt den Verdächtigen an Litauen auszuliefern, wurde er wieder auf freien Fuß gesetzt.

Frank quittierte dies nun mit einer typisch österreichischen Wendung: „Man denkt im eigenen Rahmen, was ja auch völlig legitim ist. Aber man denkt meistens nicht daran, wie die Ausstrahlung nach außen sein könnte. Dieser Fall Golowatow ist natürlich ein Skandal im internationalen Rahmen, während man in Österreich gedacht hat ‚Naja, mei‘.“

Wien als Tummelplatz für Agenten ist in der Auslandspresse häufig ein Thema. Das sieht auch Susanne Glass so, die Präsidentin der Auslandspresse in Österreich: „Wir berichten immer wieder genüsslich über die Fälle von Geheimagenten, die sich hier tummeln, die von Österreich geschützt werden. Da findet ja sehr viel seltsames statt, und darüber berichten wir regelmäßig in der ARD.“

„Noch ein bisschen der Hof von 1918“

Wenn Kosten explodieren, ein Bau das doppelte kostet, stellt die Presse die Frage der Verantwortung. Paradebeispiel dafür ist in Österreich der Sky Link am Flughafen Wien-Schwechat.

TV-Hinweis

Wien heute hat mit Michael Frank gesprochen. Den Beitrag sehen Sie in Wien heute, 19.00 Uhr, ORF2.

Dass Vorstände auf Schadenersatz geklagt werden, sei noch nicht ganz der österreichische Weg, so Frank. Er sieht Österreich noch in alten Strukturen verhaftet: „Da kann man sich auch Dinge erlauben, die sich ein Normalbürger nie erlauben könnte, ohne dass sich die Leute aufregen, weil es gleichsam zur gesellschaftlichen Position gehört. So herrscht noch ein bisschen der Hof von 1918 in den Köpfen der Menschen“, so Frank.

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