Welser-Möst kritisiert Mitklatschen

Franz Welser-Möst wird das Neujahrskonzert 2013 dirigieren. Über die Vorbereitungen und warum er das Mitklatschen beim Radetzkymarsch nicht mag, hat er mit wien.ORF.at gesprochen.

wien.ORF.at: Vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass Sie das Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker am 1. Jänner 2013 dirigieren dürfen. Seit wann haben Sie von diesem Wunsch gewusst?

Franz Welser-Möst: Ich wurde vor ein paar Monaten gefragt und habe mich natürlich riesig gefreut. Das ist wirklich eine spezielle Auszeichnung und dass das so kurz aufeinander kommt. Es ist, wie es Clemens Hellsberg, der Vorstand der Wiener Philharmoniker, gesagt hat, auch ein Ausdruck davon, wie die Philharmoniker unsere Zusammenarbeit schätzen und mögen.

wien.ORF.at: Wie haben Sie die ersten Reaktionen auf diese Ankündigung wahrgenommen?

Welser-Möst: In meiner Umgebung wurde der Beschluss mit Begeisterung und Freude aufgenommen. Die Leute freuen sich einfach mit mir. Es ist schon etwas Außergewöhnliches und Spezielles, dass man das machen kann und darf, und so hat es zumindest meine Umgebung auch aufgenommen.

Franz-Welser Möst

ORF/Florian Kobler

Franz-Welser Möst bereitet sich bereits auf das Neujahrskonzert 2013 vor

wien.ORF.at: Was ist der genaue Grund, warum Sie erneut das Konzert dirigieren dürfen? Liegt es am Verkaufserfolg der Neujahrskonzert-CD 2011 oder an der hohen Quote der TV-Übertragung?

Welser-Möst: Die Frage kann ich Ihnen nicht beantworten, das müssen Sie die Wiener Philharmoniker fragen. Aufgrund des großen Erfolges, hat Clemens Hellsberg meines Wissens gesagt. Das mag man jetzt so oder so nehmen. Sei es künstlerisch, sei es finanziell, wirtschaftlich oder alles zusammen, ich weiß es nicht.

wien.ORF.at: Sie dirigieren das Neujahrskonzert 2013 nach nur einem Jahr Pause erneut. Ist diese Zeit dazwischen nicht zu kurz?

Welser-Möst: Für mich nicht. (lacht) Ich meine, es hat ja auch früher solche Traditionen gegeben. Lorin Maazel hat das Konzert mehrere Jahre hintereinander gemacht. Und es gab ja einige Fälle, zum Beispiel Georges Pretre, da war nur ein Jahr dazwischen, ich glaube bei Nikolaus Harnoncourt waren auch nur ein oder zwei Jahre dazwischen, bei Carlos Kleiber war nur ein Jahr dazwischen, soweit ich mich erinnere. Also das hat es schon öfter gegeben.

wien.ORF.at: Wie werden Sie sich auf das Konzert vorbereiten?

Welser-Möst: Intensiv. Clemens Hellsberg und ich werden uns jetzt in den nächsten drei Monaten viele Gedanken über das Programm machen. Wir werden das spätestens so um Ostern herum entscheiden, wie es genau aussehen soll. Und dann habe ich Gott sei Dank lange Sommerferien, sechs Wochen, wo ich mich intensivst damit beschäftigen werde. Und ich habe danach noch einmal im Spätherbst, sprich im November, zwei Wochen Zeit, wo ich mich auch noch einmal intensiv darauf vorbereiten kann.

wien.ORF.at: Wie viel Entscheidungskraft haben Sie bei der Programmgestaltung?

Welser-Möst: Das ist ein Kompromiss. Clemens Hellsberg hat gesagt: „Sag uns deine Wünsche. Was möchtest du machen?“ Jetzt ist es bei mir so, ich bin natürlich auch ein neugieriger Mensch und möchte nicht unbedingt das Gleiche dirigieren, was eh schon meine Kollegen fünfmal, zehnmal oder zwölfmal abgeliefert haben. Mich interessieren auch die verborgenen Schätze, und da begeben wir uns eben auf Schatzsuche.

Ich war vor ein paar Tagen zu Hause am Attersee und habe in meinen Unterlagen, sprich Partituren, die ich von Johann Strauss habe, geschmökert. Und da habe ich einiges gefunden, das mir wahnsinnig gefällt und nicht so bekannt ist. Wie gesagt, das ist ein Geben und Nehmen, und wir werden uns letztendlich auf eine Dramaturgie und ein Programm einigen.

Franz Welser-Möst

ORF/Florian Kobler

Verborgene Schätze statt Klassiker stehen 2013 am Konzertprogramm

wien.ORF.at: Welche Erwartungen werden an Sie gestellt?

Welser-Möst: In meinem Fall wird erwartet, dass das Ganze sehr ursprünglich-wienerisch abgeht. Es wird immer von einem Dirigenten erwartet, oder man schaut mit großer Neugier hin, wie sehr sich jemand diese doch sehr spezielle musikalische Sprache aneignen kann.

Aber nachdem ich zumindest aus dem gleichen Land komme und der Wiener Walzer die Donau hinuntergewandert ist, nämlich von Linz aus, dort ist er ursprünglich erfunden worden, heißt es zumindest, mache ich mir keine Sorgen. Oder wie es ein Musiker beim letzten Neujahrskonzert mit mir nach der ersten Probe ausgedrückt hat: „Wir atmen halt doch die gleiche Luft.“

wien.ORF.at: Sie sollen kein Freund von Gags sein. Jetzt waren Sie beim Neujahrskonzert 2011 aber bei einem Stück als Schaffner zu sehen. Wie humorvoll wird das Konzert 2013 angelegt?

Welser-Möst: Das hängt ein bisschen von den Stücken ab. Ich habe nur gesagt, dass ich kein Zirkuspferd bin. Das ist auch nach wie vor so. Allerdings, dass ein bisschen was dazu gehört, ist Tradition. Irgendetwas wird uns auch für das nächste Jahr einfallen.

wien.ORF.at: Das Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker ist ein Aushängeschild für Österreich und wird weltweit in über 70 Länder ausgestrahlt. Soll es überhaupt ein Österreicher dirigieren?

Welser-Möst: Ja, warum nicht? Also umso österreichischer wird es ja dann. Ich muss natürlich Argumente bringen, die für mich sprechen, das ist klar. (lacht) Ohne irgendjemandem meiner Kollegen nahetreten zu wollen, aber ich glaube schon, dass es gut ist, wenn Österreich dem Ausland zeigt, was es hat und sich von seiner besten Seite zeigt. Hier in Österreich nehmen wir die Dinge eh alle viel zu selbstverständlich.

Was die Wiener Philharmoniker mit diesem Neujahrskonzert erreichen für das Land oder auch mit dem Konzert in Schönbrunn, das könnte die öffentliche Hand an Werbungskosten ja nie aufbringen. Das ist genauso bei den Salzburger Festspielen oder der Wiener Staatsoper. Das hat ja eine Breitenwirkung und, wenn Sie so wollen, ist das Tourismuswerbung im besten Sinn. Aber darüber hinaus zeigt es, wo Österreich kulturell steht und was es tut, und das finde ich wichtig.

wien.ORF.at: Warum ist das Neujahrskonzert Ihrer Meinung nach so erfolgreich?

Welser-Möst: Am 1. Jänner lassen die Leute das Jahr hinter sich. Es gibt ja immer so Daten, das zeigt sich in der Wirtschaft oder an der Börse, man rechnet ab, man legt das Vergangene ad acta und sagt: „Und jetzt mit neuem Schwung!“ Ich glaube, es ist diese Lebensfreude, wobei, wenn es sehr österreichisch ist, dann ist natürlich auch immer eine Spur Melancholie und Sentimentalität dabei. Es braucht ja gerade in der Wiener Musik immer ein bisschen den doppelten Boden. Aber trotzdem, man geht in ein neues Jahr mit Zuversicht und sagt: „Jetzt packen wir es wieder an und schauen, dass es besser wird als das vorhergehende.“ Ich glaube, das ist etwas, was dieses Konzert wahnsinnig vermittelt in einer Art und Weise, die halt einzigartig ist.

wien.ORF.at: Liegt es also nur am Datum?

Welser-Möst: Es ist eine Kombination von Dingen. Es trifft sich das Datum mit diesem wunderschönen Saal, mit diesem außergewöhnlichen und einzigartigen Orchester und mit dieser Musik, die ja schon in ihrer Geschichte, wenn Sie sich erinnern an den berühmten Ausspruch „Der Kongress tanzt“, das ist Musik, die international schon in ihren Anfängen schon einen solchen Zuspruch gefunden hat, wo irgendwo das Lebensgefühl von Menschen, ganz egal, ob die in Japan oder Neuseeland oder in Honolulu sitzen oder wo auch immer, wo dieses Lebensgefühl angesprochen wird.

Franz Welser-Möst

ORF/Florian Kobler

Das Neujahrskonzert vermittelt, so Möst, ein Lebensgefühl der Menschen

wien.ORF.at: Wie wichtig ist das Neujahrskonzert für die Karriere eines Dirigenten?

Welser-Möst: Es hat einen großen Einfluss auf den weltweiten Bekanntheitsgrad. Weil da schauen 50 Millionen Menschen zu und sagen: „Ah, den hab ich schon mal gesehen!“ Ich war vor zwei Wochen in einer Wiener Volksschule und hab da mit Kindern geplaudert, es war unglaublich nett, und ich gehe in dieses Klassenzimmer hinein und ein zehnjähriger Bub schreit: „Ah, den kenn ich aus dem Fernsehen.“ Na ja, der hat das Neujahrskonzert gesehen. Für die Karriere als solches weiß ich nicht. Man dirigiert das Konzert ja erst, wenn man schon eine Karriere gemacht hat. Also für die Karriere als solches hat es gar nicht so einen Einfluss, aber auf den Bekanntheitsgrad hat es einen unglaublichen Einfluss.

wien.ORF.at: Welchen Ihrer Kollegen würden Sie gerne einmal am Pult des Neujahrskonzertes sehen?

Welser-Möst: Diese Frage ist ein Leger. (lacht) Ich glaube, es muss jemand sein, der wirklich zu dieser Musik einen Zugang hat. Es gibt fantastische Kollegen, wie ein Simon Rattle zum Beispiel, der sagt: „Also mit der Musik kann ich nichts anfangen.“ Das hat er mir selber gesagt. Da tut er sich schwer. Er weiß nicht, wie er den Zugang dazu findet. Nicht jeder kann alles, das ist nun einmal so. Und ich glaube, die Wiener Philharmoniker machen sich da eh unglaublich viele Gedanken, dass sie die Dirigenten aus ihrer philharmonischen Familie, wie sie sie nennen, nehmen, wo sie glauben, dass sie auch wirklich einen Zugang zu dieser Musik haben. Aber ich wünsche es allen meinen Kollegen, weil es eine sehr, sehr spezielle Erfahrung ist.

wien.ORF.at: Wie stehen Sie zum Mitklatschen beim Radetzkymarsch?

Welser-Möst: Das fällt, glaube ich, unter Brauchtum, nicht unbedingt unter Kunst. Der Radetzkymarsch ist ein großartiges Stück, und das Mitklatschen ist halt ein Teil des Showelements. Der Radetzkymarsch ohne Klatschen ist auf jeden Fall ein besseres Stück.

Das Interview führte Florian Kobler, wien.ORF.at

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