Rolf Kutschera verstorben

Der langjährige Leiter des Theaters an der Wien, Rolf Kutschera, ist im Alter von 96 Jahren verstorben. Mit Kassenschlagern wie „My Fair Lady“, „Hello Dolly“ und „Evita“ galt er als Wegbereiter für den späteren Erfolgszug des Musicals in Wien.

Kutschera wurde am 6. Jänner 1916 in Wien-Ottakring geboren. Als sein erstes künstlerisches Erlebnis beschrieb er in seinen Memoiren eine Aufführung von Heinrich Bertes „Dreimäderlhaus“ im Schutzhaus Breitensee. Nachdem er sich an der Geige versuchte („Ich habe darauf immer fürchterlich herumgekratzt.“), bekam er im Alter von sieben Jahren Klavierunterricht.

Der ausgebildete Fleischhauer kam schließlich als „Claqueur“ erstmals mit dem Theater an der Wien in Berührung: „Wer wollte, konnte täglich kommen. Natürlich war ich Stammgast“, erklärte er in seiner im September 2010 erschienenen Biografie „Glück gehabt“.

Rolf Kutschera bei der letzten Vorstellung des Musical Elisabeth am 4. Dezember 2005 im Theater an der Wien

APA/Guenter R. Artinger

Rolf Kutschera

Erstes Engagement in der Scala Wien

Seinen ersten Schauspielunterricht erhielt Kutschera bei Rudolf Beer an der Scala in Wien. Sein erstes Engagement trat er dort an, wo er später so erfolgreich sein sollte: im Theater an der Wien, wo er in „Madame Sans-Gene“ spielte. 1938 ging er nach Heidelberg, ein Jahr später nach Linz und 1940 wurde Kutschera am Wiener Volkstheater engagiert.

Bald darauf wurde der Schauspieler zur deutschen Wehrmacht eingezogen und spielte schließlich bis zur Theatersperre 1944 wieder am Volkstheater. Nach 1945 betätigte er sich zunächst als Autor von Revuen und als Conferencier, bevor er ein Engagement an der Wiener Scala erhielt. Bei der Wien-Film wirkte Kutschera schon vor 1945 in einigen Produktionen mit, nach Kriegsende wurde er in Österreich und Deutschland für eine Reihe von Leinwandwerken verpflichtet.

Als Schauspieler und Regisseur war Kutschera ab 1950 vor allem in Berlin tätig, wo man ihn als König des Boulevards bezeichnete. Daneben spielte und inszenierte er auch im Theater in der Josefstadt, im Hamburger Schauspielhaus sowie in Zürich und Stuttgart. Seine Wiener Inszenierungen wie „Staatsaffären“, „Bei Kerzenlicht“ und „Einzelgänger“ galten als Glanzpunkte des Unterhaltungstheaters jener Zeit.

Musicalpionier am Theater an der Wien

Von 1965 bis 1983 leitete Kutschera schließlich das Theater an der Wien, sein kaufmännischer Mitstreiter war zunächst Robert Jungbluth, der im Jänner 2009 verstorben ist, und ab 1969 dann Franz Häußler. Kutschera war in dieser Zeit für 25 Inszenierungen von Musicals verantwortlich.

Für seine Musicals, die ihren Originalinszenierungen aus London und New York um nichts nachstanden, konnte er Künstler wie Marika Rökk, Dagmar Koller, Harald Juhnke, Theo Lingen, Josef Meinrad, Marianne Mendt und Fritz Muliar in dem damals noch eher neuen Genre einsetzen und zur Wirkung bringen.

Titel der ersten Premiere am Theater an der Wien unter seiner Leitung: „Wie man was wird im Leben, ohne sich anzustrengen.“ Mit einigen Aufführungen wie beispielsweise der „Gräfin vom Naschmarkt“ verlieh Kutschera dem aufstrebenden Genre auch eine Wiener Note.

Vielbeschäftigter Fernsehdarsteller

Auch im deutschen und österreichischen Fernsehen zählte Kutschera zu den vielbeschäftigten Schauspielern und Regisseuren. So inszenierte er beispielsweise für den ORF „Brillanten aus Wien“, „Die Bekehrung des Ferdy Pistora“, den Fernsehfilm „Das Wunder einer Nacht“ und die Unterhaltungsserie „Glückliche Reise“. Außerdem wirkte er als Schauspieler in Georg Lhotzkys Scharang-Verfilmung „Das doppelte Leben“ und in Franz Antels „Der Bockerer“ mit.

Für seine künstlerischen Verdienste wurde Kutschera, der mit der 2009 verstorbenen Schauspielerin Susanne von Almassy verheiratet war, 1971 der Berufstitel Professor verliehen, 1975 erhielt er das Goldene Ehrenzeichen des Landes Wien und 1980 die Ehrenmedaille der Bundeshauptstadt Wien in Gold.

Mailath-Pokorny: Kutschera „Urvater“ des Musicals

Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny (SPÖ) würdigte Rolf Kutschera als Musicalpionier: „Das Musical in Wien hat viele Väter, Rolf Kutschera ist der Urvater.“ Mailath-Pokorny verwies auf Udo Jürgens’ „Helden, Helden“, das erste in Wien produzierte Musical, mit dem "eine neue Entwicklung in Gang gesetzt wurde.

„Wie kaum ein anderer hat Rolf Kutschera dazu beigetragen, Wien auf der internationalen Musicallandkarte zu positionieren und hat damit Mut, Offenheit und Weitsicht bewiesen“, sagte Mailath-Pokorny weiter. Thomas Drozka, Geschäftsführer der Vereinigten Bühnen Wien, nannte Kutschera einen „besonders integren, liebenswürdigen und Musical-begeisterten Theatermenschen“. Das Interesse Kutscheras sei auch in dessen hohen 90er Jahren „eindrucksvoll und bereichernd“ gewesen.