Burjan in Wien seliggesprochen

Die Gründerin der Caritas Socialis, Hildegard Burjan, ist am Sonntag im Stephansdom selig gesprochen worden. Kardinal Christoph Schönborn würdigte die „reine menschliche Energie“ Burjans, „unermüdlich für Menschen in Not da zu sein“.

Der Stephansdom war für Interessierte seit dem frühen Nachmittag über das Riesentor zugänglich. Bis zum Beginn der Messe war er bis auf den letzten Platz gefüllt. Nach der Verlesung des Dekrets war im Altarraum des Stephansdomes ein großes Porträt Burjans aufgezogen worden. Danach wurde eine Glasstele mit der Reliquie Hildegard Burjans in einer Prozession zum Altar gebracht und davor abgestellt.

Neben einem Knochensplitter der Seligen enthält das Reliquiar auch ihren Ehering sowie jene Caritas-Socialis-Brosche, die bei der Öffnung ihres Sarges 2005 gefunden wurde. Den Akt vollzog Kurienkardinal Angelo Amato als Vertreter von Papst Benedikt XVI.

Bildershow von der Seligsprechung

Auch wenn es die erste Seligsprechung im Stephansdom war, ist es nicht der erste Festakt dieser Art, der in Wien stattgefunden hat. Johannes Paul II. sprach beispielsweise am 21. Juni 1998 bei seinem Besuch in Wien Sr. Restituta Kafka, P. Anton Maria Schwarz und Jakob Kern auf dem Heldenplatz selig.

Burjan für Schönborn ein Vorbild

„Heiligkeit ist mehr“, betonte Schönborn später in seiner Predigt. Es gebe viele großartige, sozial engagierte Menschen, wofür man dankbar sein müsse. Burjan besitze allerdings das „besondere Etwas“, das eben eine Selige ausmache. „Da ist eine innere Quelle, ein Feuer, eine Kraft, da ist eine Dynamik, die aus einer innersten Mitte heraus ein Leben verändert, umgestaltet, im Guten radikalisiert, ein nicht mehr erlahmender Impuls, der allem im Leben der Seligen eine neue Marke gegeben hat.“

Die Kirche stelle Burjan mit deren Seligsprechung als Vorbild hin, betonte der Kardinal. Er würdigte auch den ungewöhnlichen Umstand, dass Burjan eine Ehe geführt habe und gleichzeitig eine Schwestergemeinschaft.

Seligsprechung von Burjan

ORF

TV-Thek-Schwerpunkt

Der Festgottesdienst wurde live vom ORF übertragen. Hier gibt es alles rund um den Themenschwerpunkt on Demand zum Nachsehen.

Schönborn strich heraus, dass der nun Seligen „die Predigt der Tat“ wichtiger gewesen sei. „Wir brauchen Menschen, die nicht zu anderen predigen gehen“, zitierte er Burjan. Ihr Ideal sei gewesen, „bei tiefster Frömmigkeit im wirklichen Leben wurzelndes Handeln“. Nichts „Frömmelndes“, keine „Schaustellung ihres Inneren,“ habe die Selige ausgemacht, sondern so Schönborn, sondern „das Sehen der Not, das Hinschauen, das Zupacken, das vernünftige soziale Handeln“. Der Weg der Schule Jesu, dem Burjan gefolgt sei, sei auch das Reformprogramm für die Erzdiözese Wien, so Schönborn.

Geistliche und politische Prominenz im Stephansdom

Unter den Tausenden Gästen Besuchern im Stephansdom befanden sich neben rund 200 Bischöfen und Priestern auch politische Ehrengäste. Darunter die Nationalratspräsidenten Barbara Prammer (SPÖ) und Fritz Neugebauer ebenso wie Vizekanzler Michael Spindelegger (ÖVP). Aus Burjans deutscher Heimatstadt Görlitz war zudem eine große Abordnung angereist.

Jahrzehntelanger Prozess

Der Seligsprechungsprozess für Burjan hatte sich über Jahrzehnte hingezogen, er wurde bereits 1963 vom damaligen Wiener Erzbischof Kardinal Franz König eingeleitet. Der laut römisch-katholischem Kirchenrecht notwendige Wundernachweis - eine Frau wandte sich an Burjan und bekam Kinder, obwohl das bei ihr als medizinisch ausgeschlossen galt - wurde 2001 von Rom anerkannt.

Kardinal Schönborn sprach in diesem Zusammenhang von der „etwas seltsamen Himmelsmathematik der katholischen Kirche“. Richtig und wichtig sei dieser Nachweis aber dennoch, denn: „Das Wunder ist die Unterschrift des Himmels.“

Eine Installation aus Anlass der Seeligsprechung von Hildegard Burjan auf dem Stephansplatz

APA/Schlager

Auf dem Stephansplatz wurde aus Anlass der Feier eine Info-Installation aufgestellt

Einsatz für Gleichberechtigung der Frau

Burjan war eine der großen Gestalten der christlichen Frauenbewegung in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Die Gründerin der Schwesterngemeinschaft Caritas Socialis und Kämpferin für Frauenrechte ist außerdem weltweit die erste Parlamentarierin, der eine solche Ehre zuteilwird.

Am 30. Jänner 1883 als Hildegard Freund im sächsischen Görlitz in eine liberale jüdische Familie geboren, studierte Burjan in Zürich Literatur und Philosophie und in Berlin Sozialwissenschaft. Im Jahr 1907 heiratete sie den gebürtigen Ungarn Alexander Burjan. Nach Heilung von einer schweren Krankheit konvertierte sie zur römisch-katholischen Kirche.

„Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“

1912 gründete Burjan den Verband der christlichen Heimarbeiterinnen und 1918 den Verein Soziale Hilfe. Als Frauen 1919 erstmals das aktive und passive Wahlrecht ausüben konnten, zog Burjan als erste christlich-soziale Abgeordnete in das österreichische Parlament ein.

Burjan

Caritas Socialis

Kampf um Gleichberechtigung

Burjan setzte sich entschieden für die Gleichberechtigung der Frau, für die Bekämpfung der Kinderarbeit und für die Überwindung sozialer Missstände ein. Viele soziale Rechte für Frauen und Kinder, die heute selbstverständlich sind, gehen auf ihre Initiative zurück. Zu ihren wichtigsten politischen Forderungen zählte schon damals „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ für Frauen.

Am 4. Oktober 1919 gründete sie die religiöse Schwesterngemeinschaft Caritas Socialis, mit dem Auftrag, soziale Not der Zeit zu erkennen und zu lindern. Als große Ausnahme in der neueren Ordensgeschichte war Hildegard Burjan zugleich Oberin ihrer Gemeinschaft, Ehefrau (eines der führenden Industriellen seiner Zeit) und Mutter einer Tochter. Zugleich war sie die Beraterin führender Politiker der Ersten Republik, so etwa von Bundeskanzler Prälat Ignaz Seipel.

Am 11. Juni 1933 verstorben

Obwohl sie nur kurze Zeit dem Parlament angehörte, galt sie schon bald als dessen „Gewissen“. Die tief religiöse Hildegard Burjan stellte sich dem Elend großer gesellschaftlicher Schichten und beschäftigte sich mit Jugendkriminalität, Verwahrlosung und Prostitution. Dadurch erwarb sie sich auch den Respekt vieler sozialdemokratischer Politiker.

Als im Jahr 1920 Neuwahlen anstanden, zog sich Burjan aus Rücksicht auf ihre stark angeschlagene Gesundheit und wegen der zunehmenden antisemitischen Strömungen auch innerhalb ihrer Partei aus dem Parlament zurück, blieb aber weiter politisch aktiv. Hildegard Burjan starb am 11. Juni 1933 an einem schweren Nierenleiden.

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