Weiteres Opfer von Malaria-Versuchen

An Wiener Heimkindern sollen in den 1960er Jahren zweifelhafte Therapien und medizinische Versuche mit Malaria-Erregern durchgeführt worden sein. Nach den Vorwürfen eines heute 63-Jährigen meldete sich ein weiteres Opfer. Die Vorfälle werden nun untersucht.

Wilhelm J. war als Heimkind mit 16 Jahren nachweislich einen Monat lang an der Klinik Hoff an der Wiener Universitätsklinik. Dort wurde mit „Psychopathie“ eine aus heutiger Sicht fragwürdige Diagnose gestellt und eine bereits 1964 zweifelhafte Zwangstherapie vollzogen.

Drohung mit „geschlossener Abteilung“

Er sei mit Malaria infiziert worden. Von jemand anderem sei Blut abgenommen und ihm in den Muskel eingespritzt worden, so J. gegenüber Ö1. Die Ärztin habe ihm offen gesagt, dass da Versuche gemacht werden. 42 Grad Fieber über zwei Wochen hinweg und dann noch jahrzehntelang Fieberschübe seien die Folgen gewesen. Er habe sich nicht gewehrt, da man ihm damals auch gedroht habe, er würde sonst auf die geschlossene Abteilung ins Gitterbett kommen, so der heute 63-Jährige.

J. war vom Wiener Heim Im Werd an die Klinik Hoff - damals eine Psychiatrie - gekommen. Rückblickend sieht er das als Bestrafung - vor allem dafür, dass er nach Hause wollte und deshalb immer wieder aus Kinderheimen ausgerissen war.

Betroffener im Originalton

Dieses Element ist nicht mehr verfügbar

Prüfung soll Klarheit bringen

Nach Bekanntwerden des Falles meldete sich bei Ö1 ein weiteres mutmaßliches Opfer. Die Vorfälle sollen nun vom AKH und der Medizin-Uni untersucht werden. Man will klären, ob wissenschaftliche Aufzeichnungen aus den 1960er Jahren doch noch zu finden sind. Den Betroffenen werden medizinische Hilfe und Untersuchungen angeboten.

„Fieberkuren“ ohne Sinn

Für die Malaria-Therapie zur Behandlung von Syphilis hatte Julius Wagner-Jauregg 1927 zwar den Nobelpreis bekommen, später wurde sie auch für andere psychiatrische Erkrankungen angewandt, aber 1964 war all das längst nicht mehr Stand der Wissenschaft. Das bestätigt der Zeitzeuge und Psychiater Bernd Küfferle, der ab 1965 an der Unipsychiatrie gearbeitet hatte. Dennoch seien dort kurz davor tatsächlich noch Patienten mit Malaria infiziert und mit „Fieberkuren“ behandelt worden. Laut Küfferle wollte die Klinik den Malaria-Erreger in Patienten am Leben erhalten, um ihn für die Behandlung von Syphilis verfügbar zu haben.

Für plausibel und glaubwürdig hielt der Kinderpsychiater Ernst Berger die Angaben von J. Er hatte im Auftrag der Stadt Wien mit dem ehemaligen Heimkind gesprochen. Der aktuelle Unipsychiatrie-Chef Johannes Wancata meint, er könne sich die Vorgangsweise seiner Vorgänger nicht erklären und bedaure und verurteile sie, wenn es nur um die Erhaltung des Malaria-Erregerstammes gegangen sein sollte.

Causa Wilhelminenberg wird untersucht

Entgegen erster Informationen wird die Prüfung der neu bekannt gewordenen Vorwürfe jedenfalls doch nicht die Wilhelminenberg-Kommission übernehmen. Diese konstituierte sich zuletzt als Konsequenz auf die Missbrauchsvorwürfe im ehemaligen Kinderheim auf dem Wilhelminenberg unter dem Vorsitz der Richterin Barbara Helige - mehr dazu in Missbrauch: Ergebnisse bis Ende 2012.