Malaria-Tests: Immer mehr Betroffene

In der Affäre um die Verabreichung von „Malaria-Therapien“ gegen psychiatrische Erkrankungen in den 60er Jahren an der Wiener Klinik Hoff melden sich immer mehr Betroffene. Die Universitätsklinik will die Vorwürfe in den nächsten Wochen klären und sucht nun Zeitzeugen.

Spritze

ORF

Betroffene sprechen von Malaria-Tests in den 60er Jahren

Beim Weißen Ring meldete sich neben einem 63-jährigen Mann, der mit seinen Schilderungen die Geschichte ins Rollen gebracht hatte, ein zweiter Betroffener aus Niederösterreich. Beide Fälle werden bearbeitet, sagte eine Sprecherin der Opferschutzorganisation, welche die Hilfszahlungen von Missbrauchsopfern in Wiener Heimen abwickelt - mehr dazu in Weiteres Opfer von Malaria-Versuchen.

Ein Anwalt, der mehrere ehemalige Patienten der Wiener Klinik Hoff vertritt, geht von einer hohen Dunkelziffer aus: „Mathematik und Logik legen nahe, dass es etwa 100 Opfer gibt“, sagte Johannes Öhlböck. Bis Mittwochnachmittag hatten sich bereits insgesamt vier Menschen als Betroffene bei ihm gemeldet.

Anwalt hofft bei Schadenersatz auf dritte Instanz

Ein von Öhlböck juristisch vertretener Mann gibt an, 1964 in dem Spital als Heimkind, das mehrmals wegen Misshandlungen ausgerissen war, mit Malaria angesteckt worden zu sein. Diese Angaben würden von einer 1963 in der Klinik Hoff behandelten Frau gestützt.

Diese sei von ihren Eltern, die mit der Pubertierenden nicht zurechtgekommen seien, in das Spital gebracht und der „Malaria-Therapie“ unterzogen worden. Ein zweiter Mann sei ebenfalls 1964 behandelt worden. Ein Dritter gebe an, er sei als 16-Jähriger nach „einmaligem Alkoholmissbrauch“ eingeliefert worden und habe eine sechswöchige „Malaria-Kur“ durchgemacht, sagte der Anwalt. Alle klagen über wiederkehrende Spätfolgen.

Zum Thema Schadenersatz sagte Öhlböck, der auch zwei Frauen vertritt, die im ehemaligen Wiener Kinderheim Schloss Wilhelminenberg misshandelt worden sein sollen: „Falls es überhaupt eine positive Entscheidung gibt, dann erst in der dritten Instanz.“ Der Opferanwalt kritisierte heftig die Verjährungsfristen.

Psychiatrie-Chef schließt Missbrauch nicht aus

Siegfried Kasper, Vorstand der Wiener Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, schließt nicht aus, dass die Betroffenen damals missbräuchlich als „Erregerträger“ verwendet worden seien. Die Uniklinik will die Sache in den nächsten Wochen aufarbeiten.

„Klinik Hoff“

Die „Klinik Hoff“ war eigentlich einfach die Universitätsklinik für Psychiatrie und Neurologie. An der Klinik arbeiteten bis heute prominente Psychiater, wie etwa der namensgebende Hans Hoff.

Die „Malaria-Therapie“ sei ab den späten 1920er Jahren gegen Syphilis zum Einsatz gekommen, ihm selbst sei allerdings nicht bewusst gewesen, „dass das nach dem Zweiten Weltkrieg noch gelaufen ist“. Allerdings: „Für psychiatrische Erkrankungen gab es gar keine Verwendung“, so Kasper. Um Syphilis-Patienten den Malaria-Erreger spritzen zu können, habe man „Erregerträger“ gebraucht. Es sei möglich, dass Menschen mit oder ohne ihr Wissen dafür „verwendet“ wurden, sagte Kasper.

Ein Krisenteam solle den Vorwürfen nachgehen. Betroffene können sich unter der Telefonnummer 01/40400-3568 melden. Kasper rechnet mit einem Untersuchungszeitraum von vier bis fünf Wochen. Ziel der Erhebungen sei es, herauszufinden, ob die umstrittene Therapie zu jener Zeit noch dem damaligen Stand der Wissenschaft entsprach, ob Betroffene durch den Einsatz der Malaria-Kur biologischen oder psychischen Schaden hätten und wie man ihnen gegebenenfalls helfen könne. Dabei ist man auch auf die Aussagen von früheren Patienten angewiesen, da die Krankenhausakten aus den 1960er Jahren nicht mehr existieren.

Links: