Experte fordert Ruhe für Kampusch

Der Präsident der Opferschutzeinrichtung „Weisser Ring“ Udo Jesionek fordert anlässlich der möglichen neuen Ermittlungen im Fall Kampusch Ruhe für das Opfer. Sollte man den Fall ohne neue Beweise neu aufrollen, sei das „verantwortungslos“.

Zwei Polizei-Sonderkommissionen und zwei Staatsanwaltschaften ermittelten in der Vergangenheit, eine Expertenkommission tagte und dennoch: Geht es nach dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss im Parlament dürfte der Fall neu aufgerollt werden - mehr dazu in Neue Zweifel im Fall Kampusch.

Aufklärung oder „politisches Kleingeld“?

Für viele stellt sich die Frage, ob das noch im Sinne des Opfers ist. Die Betroffene, Natascha Kampusch, selbst schweigt. Scharfe Kritik kam nun aber von Jesionek in einem Interview mit dem ORF-Radio Ö3. Er sprach von einem „verantwortungslosen“ Vorgehen der Politiker im Untersuchungsausschuss sollten sie den Fall ohne konkrete neue Beweise weiter verfolgen: „Natürlich habe ich das Gefühl, dass da Kleingeld gemacht wird. Schauen sie, die Sache ist sehr medienwirksam, die Leute interessiert es, und man kann damit von anderen Dingen ablenken.“

Jesionek: „Frau in Ruhe lassen“

Der Grat zwischen dem Schutz der Privatsphäre von Opfern und der lückenlosen Aufklärung eines Falls sei sowieso ein sehr schmaler, so Jesionek. Im konkreten Fall habe das einen einleuchtenden Grund: „Das bringt die Frau nie weg, der ganze Heilungsprozess, der Versuch im Leben wieder Fuß zu fassen, werde dadurch torpediert und das Ganze ist noch mit Verdächtigungen gegen das Opfer verbunden.“

Ermittlungen nicht aufgrund von Vermutungen

Der Appell von Jesionek ist daher deutlich: Man solle Kampusch "einmal Ruhe geben und „die Frau leben lassen". Sofern es nicht etwas ganz Gravierendes ist, das auch nach dem Strafrecht die Staatsanwaltschaft dazu veranlasst, Erhebungen durchzuführen, sollte man die Sache einstellen.“ Aufgrund bloßer Vermutungen und Mutmaßungen solle nicht mehr ermittelt werden, so Jesionek.

Angesehener Jurist

Der Jurist Udo Jesionek machte sich durch Publikationen insbesondere auf dem Gebiet des Jugendstraf- und Jugendwohlfahrtsrechts und des Strafprozessrechtes einen Namen. Er war unter anderem Präsident der Vereinigung der österreichischen Richter, Mitglied des Menschenrechtsbeirates und ist derzeit Präsident beim „Weissen Ring“. Aktuell ist er auch mit den Vorwürfen rund um das ehemalige Kinderheim am Wilhelminenberg betraut.

Das Risiko, ein möglicher Mittäter könnte durch diese Vorgangsweise in Freiheit ungestraft bleiben, wollte Jesionek nicht gelten lassen. Denn wenn es „konkrete und neue Anhaltspunkte gebe, die bei der Staatsanwaltschaft und der Polizei neu sind, dann wird man die Ermittlungen neu aufnehmen müssen“, so Jesionek. Aber das gebe es anscheinend nicht.

Für Kampusch müsse die Situation jedenfalls eine enorme Belastung darstellen. Jesionek: „Schauen Sie, nach so vielen Jahren - immer und immer wieder. Das kann man sich selbst gar nicht vorstellen, was das für eine Belastung ist, wenn man das selbst nicht erlitten hat.“

Polizist ermittelte illegal

Ruhe dürfte es in der Causa Kampusch aber noch lange nicht geben. Erst am Dienstag wurde bekannt, dass ein Wiener Polizist illegal ermittelt hat. Der Mann soll versucht haben, von einer Volksschülerin DNA-Proben zu erhalten. Die Wiener Polizei bestätigte einen entsprechenden „News“-Artikel - mehr dazu in Kampusch: Polizist ermittelte illegal.

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