Ute Bock ist 70 Jahre alt

Die Flüchtlingshelferin Ute Bock ist am Mittwoch 70 Jahre alt geworden. Feiern will sie ihren Geburtstag eher nicht, dafür wird am Freitag das Flüchtlingsheim in der Zohmanngasse in Wien-Favoriten offiziell eröffnet.

„Das ist ja kein Grund zum Feiern, 70, schrecklich“, weist Bock eine Geburtstagsparty zurück. Was sie jedenfalls tun werde, ist weitermachen, wie sie versicherte: „Das ist der Vorteil, dass ich 70 bin. Ich bin halt schon ein bisschen altersstarrsinnig.“

Die gebürtige Linzerin begann nach der Matura in einem Heim für schwer erziehbare Sonderschüler in Biedermannsdorf zu arbeiten. Ihre nächste Arbeitsstätte wurde das Gesellenheim in der Zohmanngasse, wo sich Bock zunehmend um Fälle aus schwierigen sozialen Verhältnissen kümmerte. 1976 wurde sie Leiterin der Einrichtung.

Ute Bock bei einem Interview zu ihrem 70. Geburtstag

APA/Robert Jäger

Von ihren Schützlingen wird sie „Mama“ genannt

Umstrittene „Operation Spring“ 1999

In den 1990er Jahren wandelte sich das vormalige Gesellenheim immer mehr in ein Quartier für junge Zuwanderer, zunächst aus dem Jugoslawien-Krieg, später auch für viele Schwarzafrikaner. Das sorgte auch für Probleme mit Anrainern, die sich offenbar an Afrikanern in Favoriten stießen.

Bei der nicht unumstrittenen Polizeiaktion „Operation Spring“ wurde „die Zohmanngasse“ 1999 Ziel einer Razzia, bei der etwa 30 Afrikaner unter Verdacht des Drogenhandels festgenommen wurden. Wenig später war Bock in Pension, was ihr Engagement aber nicht beendete. Ganz im Gegenteil, mit eigenen Pensionseinkünften und Gaben von Sponsoren wurden Unterkünfte für obdachlose Flüchtlinge lukriert.

Bocks Einrichtungen wurden auch zur Briefkastenadresse für jene, die kein Dach über dem Kopf haben und einen Meldeort benötigen. Gewechselt wurde die Hilfszentrale. Von Favoriten ging es in die Leopoldstadt.

Haselsteiner rettete Verein

Die von ihren Schützlingen gerne als „Mama“ bezeichnete Bock schwang sich mit ihrem Wirken schnell zu einer Art Kultfigur auf, was beim Lukrieren von Geldern durchaus hilfreich war. Die wohl bekannteste Aktion war „Bock auf Bier“, bei der in Dutzenden Wiener Lokalen ein Zuschlag von zehn Cent zugunsten der Bock-Einrichtungen eingehoben wurde. „Ich brauch’ die Reklame und ich brauch’ das Geld“, kommentierte Bock die Aktionen.

Alles Bemühen vor allem der Kulturwelt hätte freilich nichts genützt, wäre nicht STRABAG-Chef Hans Peter Haselsteiner in die Bresche gesprungen, als 2008 Bocks Verein finanziell vor dem Aus stand und die Helferin sogar mit dem Sprung aus dem Fenster drohte. Mittlerweile läuft alles, was die Geldsorgen betrifft, wieder in ruhigeren Bahnen.

Bock werden Fleiß und Hartnäckigkeit zugeschrieben. Allüren hat sie nicht, Ehrungen und Huldigungen nimmt sie mit einer gewissen Kokettheit entgegen - etwa Houchang Allahyaris Filme „Bock for President“ und „Das verrückte Leben der Ute Bock“ sowie die Biografie „Die Geschichte einer Flüchtlingshelferin“, in der Cornelia Krebs Bocks Gedanken 2010 aufzeichnete.

Ute Bock mit Kind bei einem Rundgang im Flüchtlingsheim Zohmanngasse in Wien-Favoriten

APA/Robert Jäger

Seit einem Monat betreut Ute Bock Flüchtlinge wieder in der Zohmanngasse

Zohmanngasse „hat sich beruhigt“

Seit rund einem Monat ist Bock mit ihrem Verein wieder im früheren Gesellenheim in der Zohmanngasse, dort sind nun Asylwerber und anerkannte Flüchtlinge untergebracht. Haselsteiner hat das Haus erworben und saniert. Die Ängste in der Nachbarschaft haben sich laut Bock gelegt: „Es hat sich beruhigt.“

Vor der Rückkehr hatte sich Widerstand geregt, die FPÖ wetterte gegen den Verein, Anrainer machten sich Sorgen. „Ich habe immer gesagt: Wenn ich da herkomm’, werden sie sich an mich gewöhnt haben, und dann war es das. Mein Eindruck ist, dass es tatsächlich so ist. Ich habe jetzt keine Schwierigkeiten gehabt“, meint Bock jetzt. „Es gibt sehr viele, die sehr freundlich sind, und sehr viele, die ihre Angst abgelegt haben. Natürlich gibt’s welche, die sind dagegen, gegen alles, was man macht. Aber mein Gott. Bei mir war noch keiner, der sich über etwas aufgeregt hat“, so Bock.

Ute Bock bei einem Rundgang im Flüchtlingsheim Zohmanngasse in Wien-Favoriten

APA/Robert Jäger

Politische Polemik ist Ute Bock „egal“

Strenge bei der Hausordnung

Sie kann aber auch streng sein - etwa was die Einhaltung der Hausordnung anbelangt: „Ich bin jeden Tag bis 2.00, 3.00 Uhr auf, damit ich seh, ob’s laut ist, ob wer spät heimkommt, ob jemand wen einazaht (mitnimmt, Anm.). Ich hab’ mir vorgenommen: Die ersten fünf, die blöd sind, schmeiß ich hinaus, damit die anderen sehen: So geht es nicht.“ Die politische Polemik sei ihr „an sich“ egal: „Die sind nicht daran interessiert, dass man da eine Lösung schafft, sondern die sind daran interessiert, dass man das am Kochen hält. Ich hab’ das nicht einmal ignoriert bis jetzt.“

Nicht wirklich ignorieren kann sie die rechtlichen und bürokratischen Erfordernisse. Schwierig sei es etwa oft für Personen, die bereits anerkannte Flüchtlinge sind, aber noch keine Unterstützung beziehen. Oft dauere es sehr lange, bis diese endlich zum ersten Mal ausgezahlt werde. Solchen Leuten hilft sie aus, mit einem Dach über dem Kopf und auch finanziell, „damit sie nicht stehlen gehen müssen“.

Notschlafstelle und Sozialberatung

Generell sei die Situation ihrer Schützlinge in den vergangenen Jahren nicht leichter geworden. Die geltenden Gesetze würden darauf abzielen, ihnen das Leben so schwerzumachen, „dass sie von selber gehen“. Man habe offenbar noch nicht bemerkt, dass sie dies aber nicht tun, so Bock.

In der Zohmanngasse stehen 70 - bereits belegte - Zimmer zur Verfügung. Dazu kommt eine Notschlafstelle, in der auch Familien untergebracht werden können. Ganz wichtig sei auch die Poststelle, wo sich Leute ohne Wohnsitz ihre Sendungen abholen können, wie Bock betont. Auch Sozialberatung wird angeboten.

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