Sanac: Beschneidungsdebatte „scheinheilig“

Die Vertreter von Islam und Judentum in Österreich haben für die Debatte über ein Beschneidungsverbot und die Überlegungen, solche Eingriffe in Spitälern auszusetzen, kein Verständnis. Fuat Sanac, Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft (IGGiÖ) hält sie für „scheinheilig“.

Er beobachte die Entwicklung „mit Sorge“, sagte Oskar Deutsch, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG), und versteht „eigentlich die ganze Debatte überhaupt nicht“. Heftiger reagierte IGGiÖ-Präsident Sanac. Er findet die Diskussion „ehrlich gesagt scheinheilig“, wenn nicht gar „gefährlich“.

Sowohl Sanac als auch Deutsch sehen die rechtliche Lage in Österreich als geklärt und Beschneidungen daher als gesichert an. Man werde diese auch weiterhin durchführen, betonten beide. Dass österreichische Spitäler diese nun zum Teil nicht mehr durchführen wollen, scheint dabei kein Problem zu sein.

Kultusgemeinde: Bis zu 150 Beschneidungen pro Jahr

In Wien gebe es drei ausgebildete Mohalim, die Beschneidungen durchführen, und die Kultusgemeinde werde dafür sorgen, dass jeder Bub, dessen Eltern das wünschen, beschnitten werden kann, versicherte Deutsch. Pro Jahr führe die Kultusgemeinde 100 bis 150 derartige Eingriffe durch. Für Beschneidungen an Muslimen in Österreich hat die IGGiÖ keine Zahlen parat, ein Problem für die Zukunft sieht Sanac aber dennoch nicht. Die Rituale würden nämlich auch häufig in den Heimatländern durchgeführt, hieß es.

Wiewohl Sanac die Debatte scharf kritisierte - sie sei „scheinheilig“, weil es dabei nicht um die Kinder gehe, sondern um Religionsfreiheit bzw. „Religionsfeindschaft“ -, hoffte er auf eine „vernünftige Lösung“. Man sei im Dialog mit allen anderen Religionsgemeinschaften und diese hätten sich alle solidarisiert, erklärte er. Angriffslustiger zeigte sich Deutsch. Die Kultusgemeinde werde gegen jeden, der Beschneidungen verbieten will, vorgehen - wenn nötig auch mit Anzeigen wegen Wiederbetätigung oder Gesetzesbruch, kündigte er an.

Die Beschneidung sei ein „religiöser Akt seit dem Propheten Mohammed“, betonte Sanac, und wichtig für beide Religionen. Auch Deutsch verwies darauf, dass es sich um eines der 613 Ge- und Verbote im Judentum handle, das von der großen Mehrheit auch diskussionslos eingehalten werde, egal ob sie sehr oder wenig religiös seien. Die nun anlaufende Diskussion verunsichere aber die Gemeindemitglieder, meinte der IKG-Präsident.

Wiener SPÖ sieht Debatte gelassen

Die Debatte um die religiöse Beschneidung von minderjährigen Buben - ausgelöst durch ein Urteil eines Kölner Gerichts, das in Beschneidungen eine strafbare Körperverletzung sieht - hat die österreichische Innenpolitik erreicht. Am Dienstag riet Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) den Vorarlberger Ärzten, "vorläufig keine weiteren Beschneidungen ohne medizinische Indikation durchzuführen. Damit reagierte Wallner auf eine FPÖ-Forderung - mehr dazu in „Vorläufiger“ Beschneidungs-Stopp in Vorarlberg (religion.ORF.at; 24.7.2012).

Der vorarlberger Gesundheitslandesrat Christian Bernhard (ebenfalls ÖVP) will religiös motivierte Beschneidungen aber weiter in Landesspitälern durchführen lassen, wenn Juristen die Unbedenklichkeit bestätigen - mehr dazu in Beschneidung in Spitälern weiter möglich (vorarlberg.ORF.at; 25.7.2012).

In den städtischen Spitälern in Wien werden aus religiösen Gründen pro Jahr rund 15 Beschneidungen durchgeführt. Das teilte ein Sprecher von Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely (SPÖ) auf Anfrage mit. Einen Anlass, diese Eingriffe zu verbieten, sieht man nicht, wie betont wurde. Für die Zulässigkeit seien das Gesundheits- und das Justizministerium zuständig. Dass es dort entsprechende Bedenken gebe, sei nicht bekannt.

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