Dritte Piste: Sammelklage möglich

Die Bürgerinitiativen gegen die geplante dritte Piste am Flughafen Wien-Schwechat wollen das Projekt möglicherweise mit einer Sammelklage bekämpfen. Der Flughafen wies Vorwürfe von „rechtlichen Schwarzbauten“ zurück.

Der positive Baubescheid in erster Instanz vom heurigen Sommer basiere auf unfairen und teils rechtswidrigen Grundlagen, so die durchgängige Kritik der Pisten-Gegner in einer Pressekonferenz in Wien. Man werde alle rechtlichen Schritte ausschöpfen, kündigte der Dachverband unabhängiger Bürgerinitiativen an.

Das sind mehr als zwei Dutzend Pistengegner-Initiativen, die sich 2005 dem Mediationsvertrag verweigerten und die jetzt gegen den erstinstanzlichen Baubescheid berufen haben. Es gehe nicht darum, den Flughafen Wien zu „killen“, sagte der Rechtsanwalt Wolfram Proksch. Die Betroffenen wehrten sich aber gegen Sonderopfer, „unter Umständen mit einer Sammelklage. Daran arbeiten wir.“

Rechtswidrige Basis für Bescheid?

Nach Berechnung der Plattform würden für die 3. Piste 2,5 Milliarden Euro an Bau- und Finanzierungskosten für 25 Prozent mehr Kapazität eingesetzt. Das ginge sich nur dann aus, wenn der Gewinn pro Flugbewegung in 20 Jahren verdoppelt werde. Andernfalls sei wieder der Steuerzahler dran.

Für 27 Bürgerinitiativen führt die Rechtsanwältin Susanne Heger ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich bei der EU. Ihr Vorwurf: Weil die hunderte Millionen teuren früheren Ausbauten am Airport seit 1999 keiner Umweltverträglichkeitsprüfung unterzogen wurden, seien schon die bisherigen Kapazitätssteigerungen (An- und Abrollwege, Billigairline-Terminal, Parkhäuser) „umweltrechtliche Schwarzbauten“.

Somit setze auch die dritte Piste auf einer rechtswidrigen Basis auf, so Heger. Weil sich die EU-Kommission mit nachträglichen Umweltverträglichkeitsberichten begnügte und die Sache als erledigt sah, wurde über den EU-Bürgeranwalt die Wiederaufnahme des Verfahrens beantragt.

Flughafen: Keine „Schwarzbauten“

Der Flughafen Wien-Schwechat wies vor allem den Vorwurf von „umweltrechtlichen Schwarzbauten“ entschieden zurück: Alle Bauwerke am Flughafen Wien seien entsprechend der zum Genehmigungszeitpunkt rechtlichen Vorschriften und geltenden österreichischen Gesetze errichtet worden, betonte die börsenotierte Flughafen AG.

Auch der von der EU-Kommission zusätzlich geforderte Ex-Post-Umweltverträglichkeitsbericht weise alle Merkmale einer Umweltverträglichkeitsprüfung auf, wie beispielsweise die Möglichkeit zur öffentlichen Stellungnahme sowie behördliche Auflagen und Ausgleichsmaßnahmen für den Flughafen Wien.

Überdies würden die Umweltauswirkungen der im Vertragsverletzungsverfahren genannten Maßnahmen im Rahmen der aktuell laufenden UVP (Umweltverträglichkeitsprüfung) für die dritte Piste ebenfalls berücksichtigt.

Vorwurf: „Tricksereien“ bei Prüfung

Dem Flughafen wurde von Initiativen-Vertretern auch „Tricksereien“ zu den Flugrouten in der Umweltverträglichkeitsprüfung vorgeworfen. Der Flughafen verwies darauf, dass „die Flugrouten ausdrücklich kein Bestandteil der laufenden Umweltverträglichkeitsprüfung sein können und für die 3. Piste daher noch gar nicht definiert“ worden seien. Wie im Mediationsvertrag vereinbart, würden Flugrouten erst ab dem Zeitpunkt einer Bauentscheidung zur 3. Piste mit der zuständigen Behörde verhandelt werden.

Neue Jobs bei der Erweiterung des Flughafens durch die 3. Piste werden von den Gegnern angezweifelt. Als warnendes Beispiel gelte Frankfurt, dort sei während der Fertigstellung der 4. Piste vielmehr ein Drittel der Beschäftigten abgebaut worden.

Amtshaftungsklage wegen Lärmbelästigung

Die Anwältin Anja Oberkofler warf dem Land Niederösterreich am Montag Befangenheit vor - als einer der Flughafen-Hauptaktionäre einerseits und Naturschutzbehörde anderseits sei es „Richter in eigener Sache“. Das verstoße gegen Verfassungsrecht und gegen das Recht auf ein faires Verfahren.

Wegen der Lärmbelastung und Wertverlusten von Liegenschaften im Nahbereich des Airport hat die Kanzlei Proksch & Fritzsche Frank Fletzberger für eine Ärztin eine Amtshaftungsklage eingebracht. Von Land und Bund werden Schadenersatz und Haftungen für drohende Gesundheitsschäden verlangt. Am 17. Oktober wird in dem Streit vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) verhandelt.

Furcht vor Wertminderung bei Immobilien

Von den Bürgerinitiativen eingesetzte Immo-Experten fürchten eine großflächige Verbrennung von Immobilienwerten. Wer im Nah- oder Überflugsbereich ein Haus oder eine Wohnung verkaufen oder vermieten wolle, werde „schön schauen“, meinte der Immobilienfachmann Eduard Issel. Nach Grundstücksdeals vom heurigen Sommer wisse er, dass der Fluglärm in betroffenen Gebieten ein Drittel des ursprünglichen Grundwertes koste.

Landwirte-Initiativen beklagten einen enormen „Flächenfraß“ und fürchten Zwangsenteignungen, die für den Pistenausbau möglich wurden. Der Bauer Franz Hittinger fühlte sich außerdem von der „Arroganz“ von Flughafen-Verantwortlichen gekränkt.

Insgesamt liege der Flughafen viel zu nahe am dicht besiedelten Gebiet, die Emissionen verteilen sich - 18 Kilometer vom Stadtzentrum Wien entfernt - innerhalb dieser 18 Kilometer auf hunderttausende Menschen, wurde am Montag generell beklagt. Und die neue dritte Piste ziele direkt auf Wien.

Stadt Wien gab grünes Licht

Der Bescheid zur Umweltverträglichkeit der dritten Piste kam im Juli, das bisher größte Umweltverträglichkeitsverfahren Österreichs war in erster Instanz positiv abgeschlossen worden - mehr dazu in Flughafen: UVP für dritte Piste fertig (noe.ORF.at; 10.7.2012).

Die Stadt Wien hatte zunächst angekündigt, keine grundsätzlichen Einwände gegen den Bescheid zu erheben - mehr dazu in Flughafen: Stadt gibt grünes Licht für dritte Piste (wien.ORF.at; 14.8.2012). Um eine formale Stellung vor dem Parteiensenat zu erhalten, wurde im August Berufung eingelegt - mehr dazu in 3.Piste: „Formale“ Berufung Wiens gegen UVP (wien.ORF.at; 10.9.2012).

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