Alf Poier über seinen „Affen“ im Gehirn

Am Donnerstag hat Alf Poiers neues Programm „Backstage“ Premiere im Orpheum gefeiert. Im wien.ORF.at-Interview erzählte der Kabarettist von Waffen, die man gegen sich selbst richtet und warum Pavarotti in der Oper einmal „Oasch“ genannt wurde.

wien.ORF.at: In Ihrem neuen Programm geht es unter anderem um das Leben von Madonna, Jon Bon Jovi oder Lady Gaga hinter der Bühne. Sind Sie sicher, dass die Leute das überhaupt sehen wollen?

Poier: Die Leute wollen ja immer Backstage-Karten haben, bekommen aber nie welche. Außerdem interessieren sich sowohl die Menschen im Publikum, als auch ein Großteil der Medien vor allem für Dinge wie: Wie lebt der Künstler, wann duscht er, wann steht er auf? Deswegen bringe ich das einfach auf die Bühne, damit die Leute das einmal sehen können. Das Publikum wird also eigentlich gar nicht die Show sehen. Es wird das sehen, was hinter der Show passiert.

wien.ORF.at: Es geht in „Backstage“ aber auch um Ihr eigenes Privatleben. Auf was sollte sich das Publikum da einstellen?

Poier: Es geht zum Beispiel um das Älterwerden, aber auch um Europa. Und es kommt alles Mögliche von dem ins Programm, was man backstage eben so redet und was nicht jeder hören muss (lacht).

Alf Poier

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Poier: „Der Geist ist ein wilder Affe und er hüpft immer irgendwo herum!“

wien.ORF.at: Sie haben eine Zeit lang auch in einer Höhle gelebt, meditiert und sich dort unter anderem mit Zen-Buddhismus beschäftigt. Welche Erkenntnisse hat das gebracht?

Poier: Ich wollte vor allem wissen, ob das reine Sein wirklich genügen kann - dass man also einfach nur dasitzt und sagt: „Ich bin jetzt hier.“ Eine Katze kann das, also kann ich es vielleicht auch. Der Mensch ist im Geist meistens irgendwo zwischen gestern und morgen. Dieses Leben im heute wollte ich aber unbedingt ausprobieren und in einer Höhle hat man mehr oder weniger seine Ruhe. Wenn man in einer Wohnung meditiert, lenkt einen immer irgendwas ab: Es geht jemand über einen knarrenden Boden, oder man hört das Radio vom Nachbarn.

Deshalb wollte ich in der Höhle abgeschieden sein, aber ehrlich gesagt: Ich kann das mit dem „nur im hier und jetzt sein“ bis heute nicht, denn: Der Geist ist ein wilder Affe! Das ist ein buddhistischer Spruch. Dieser Affe hüpft immer irgendwo herum und letzten Endes muss ich ihm freien Lauf lassen.

wien.ORF.at: Er ist also auch in der Höhle immer gehüpft?

Poier: Er hüpft dauernd! Oft fängt es in der Stille sogar noch mehr zu arbeiten an. Schon der (französische Naturwissenschaftler und Philosoph, Anm.) Blaise Pascal hat gesagt: Nimm einen Menschen und setze ihn in eine Zelle hinein - auf heutige Verhältnisse umgemünzt: ohne Radio, ohne Fernsehen, ohne Zeitung, ohne Buch. Dann sitzt du einfach nur dort und bist dir selbst ausgeliefert - und dann fängt das Gehirn noch mehr zum Durchdrehen an, als sonst.

wien.ORF.at: Sie haben das Denken einmal als „Geißel der Menschheit“ bezeichnet und gesagt, dass es die meisten Probleme der Menschen erst verursache. Was ist also die bessere Alternative?

Poier: Na schau, jedes Tier hat eine Waffe. Die Biene hat zum Beispiel einen Stachel, der Mensch hat das Denken. Deshalb waren früher zumindest ein paar Menschen in der Lage, ein Mammut zu erlegen. Die haben es zuerst in die Enge getrieben und es dann umgeschupft.

Das Problem ist nur: Die Biene ist nicht so blöd, dass sie sich selber sticht. Der Mensch denkt sich aber sehr wohl selbst in Probleme hinein. Der denkt sich: Was ist morgen, was ist in zehn Tagen, was ist nächstes Jahr, wie zahle ich meine Miete? Wir haben unsere Waffe also oft gegen uns selbst gerichtet.

wien.ORF.at: Man kann die Waffe aber auch in eine andere Richtung lenken - selbst wenn das nicht zwingend besser sein muss.

Poier: Es gibt natürlich Methoden, die Gedanken zu kontrollieren. Aber am besten ist es, wenn man beschäftigt, im „Flow“ und im Tun drinnen ist. Jeder weiß: Dann vergeht die Zeit am schnellsten. Da schau ich auf die Uhr und denke: Boah, jetzt sind fünf Stunden vorbei! Wenn du aber fünf Stunden beim Arzt sitzt und wartest - dann wirst narrisch, oder?

wien.ORF.at: Und in der Höhle war das auch so wie beim Arzt zu sitzen?

Poier: Ja. Ich war in Spanien auf dieser Aussteigerinsel La Gomera. Dort gibt es enorm viele Höhlen, in denen immer schon Leute gelebt haben. Das ist aber immer schwieriger geworden, weil man auf der Insel Hotels gebaut hat und natürlich keine Höhlenmenschen und Aussteiger wollte.

Als ich dort war, konnte man das Höhlenleben aber noch gut praktizieren. Da musste man fünf Kilometer gehen, um Wasser oder einen Holzscheit zu holen. Ich finde diese Tätigkeiten aber super, weil wenn ich mal zwei, drei Wochen frei habe und auf der Terrasse meiner Villa sitze, dann beneiden mich alle und sagen: „Wahnsinnn, Du kannst da den ganzen Tag sitzen!“ Ich sage dann nur: „Heast bitte, I wü wos tuan!“

wien.ORF.at: Zeit zum Denken zu haben ist für Sie also nie schön?

Poier: Nein, das muss ich wirklich nicht so haben.

wien.ORF.at: Haben Sie als ehemaliger Teilnehmer heuer eigentlich den Songcontest gesehen?

Poier: Ja. Ich muss gerade überlegen, wer mir da gefallen hat, das ist nämlich schon wieder so lange her. Es ist alles so schnelllebig - jetzt gibt es ja schon wieder „Die große Chance“ (lacht). Also ich bin grundsätzlich keiner, der so wahnsinnig auf Songcontest-Lieder steht. Ich würde da sowieso immer etwas komplett anderes machen - aber das ist ja nicht so gefragt. Der Erfolg hat mir zwar recht gegeben, aber es ist nicht so, dass man will, dass da jemand hinfährt und so ist wie ich.

wien.ORF.at: In Ihrer neuen Single „Oid und fett“...

Poier: (lacht) Der Dominic Heinzl hat dazu gesagt: „Da hast du dir ja nicht viel einfallen lassen.“ Darauf hab ich gesagt: „Das hab ich mir vom Gabalier abgeschaut.“ Der hat auch Erfolg, deshalb hab ich mir gedacht, das probiere ich auch einmal. Ich habe aber auch neun Welthits in die Nummer eingearbeitet - von Phil Collins über Deep Purple bis Kiss. Die kriegt man beim ersten Anhören vielleicht gar nicht so mit.

wien.ORF.at: Eine Rätselaufgabe?

Poier: Ja, und außerdem ist das Lied auch eine kleine Revanche für meine verpatzte Jugend. Ich möchte die Leute damit auffordern, in ihren jungen Jahren nichts zu versäumen. Ich habe mir als junger Mann mit den Frauen nämlich sehr schwer getan. Als ich dann Erfolg hatte, sind die Frauen von damals plötzlich alle zu mir gekommen. Aber Gleichaltrige wollte ich zu diesem Zeitpunkt nicht mehr, deshalb habe ich mir dann ihre 25-jährigen Töchter genommen. Man kann also wirklich sagen: ein bisschen eine Revanche.

wien.ORF.at: Im Text heißt es unter anderem „Viele Jahre sand vergangen, dei Figur is’ auseinander gangen (...) Jetzt wos’d oid und fett bist, kummst zu mir“. Political Correctness mochten Sie noch nie besonders, oder?

Poier: Mit der habe ich es nicht so, nein - weil letztendlich eh jeder die Wahrheit kennt. Leute versuchen oft, die Dinge schön zu reden. Ich versuche eher, sie so zu sehen, wie sie wirklich sind. Denn man geht ja zum Beispiel auf Klassentreffen und kriegt mit, wie die Leute sich im Laufe der Jahre entwickeln. Und man hat fünf Sinne, mit denen man das wahrnehmen kann.

Es gibt natürlich Leute, die mir vorwerfen, dass das Lied beleidigend ist. Dazu will ich aber zwei Sachen sagen: Erstens, am Schluss des Songs ändere ich den Refrain in „Jetzt wo ich alt und fett bin, kommst zu mir“. Ich bin zwar nicht wirklich fett, aber 45 bin ich schon und zunehmen tue ich ständig! Und zweitens geht es ja um eine Geschichte, die aus dem Leben gegriffen ist. Man müsste also eigentlich sagen: Das Leben ist beleidigend. Aber dafür bin ich nicht mehr zuständig - da müssen sich die Leute an wen anderen wenden.

wien.ORF.at: Erzählen sie eigentlich auch Witze?

Poier: Es gibt da einen, den ich wirklich gut finde und der ist auch noch wahr: Ich habe einmal im Vindobona gespielt und der Kellner dort - er hieß Mario - hat gleichzeitig auch an der Garderobe der Staatsoper gearbeitet. Als Garderobier in der Staatsoper ist man die Nummer Null, also ein absoluter Niemand.

Eines Tages hat der Pavarotti an der Staatsoper gesungen und der Mario ist zu ihm gegangen und hat gesagt: „Schauen Sie, ich bin niemand zwischen den ganzen Pelzmänteln“. Er hat Pavarotti gefragt, ob es möglich wäre, dass er in der Garderobe zu ihm kommt und vor allen Leuten sagt: „Servus Mario, alter Freund, wie schaut’s aus, gehen wir nach der Show zusammen was trinken?“ Er hat gemeint, dann könnte er vielleicht ein bisschen wichtig ausschauen.

Der Pavarotti ist dann wirklich über die Stiegen zu ihm heruntergekommen und hat vor allen Leuten gesagt: „Servus Mario, wie schaut’s aus, gehen wir nach der Show was trinken?“ Und Mario hat darauf gesagt: „Schleich di, du Oasch, i hob’ jetzt ka Zeit!“

wien.ORF.at: Was ist der schlechteste Witz, den Sie kennen?

Poier: Ich glaube, das Leben selbst.

wien.ORF.at: Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Martin Tschiderer, wien.ORF.at

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