Kunstkammer für alle geöffnet

Straußeneipokale, Narwalhornbecher oder die berühmte „Saliera“: Die Kunstkammer im Kunsthistorischen Museum (KHM) hat wieder ihre Türen geöffnet und zeigt seltene, kuriose und außergewöhnliche Kunstwerke aus elf Jahrhunderten.

Rund 2.160 Objekte werden auf mehr als 2.700 Quadratmetern in der komplett renovierten Kunstkammer des Kunsthistorischen Museums (KHM) neu präsentiert. Arrangiert in 300 schlichten Glasvitrinen und bei dezenter Beleuchtung werden die Objekte nach zehn Jahren Schließzeit wieder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Zusätzlich erhellen 51 eigens entworfene und hoch über den Besuchern schwebende „Starbrick“-Luster des Lichtkünstlers Olafur Eliasson die Präsentation.

Die Saliera in einer Glasvitrine in der neu eröffneten Kunstkammer. Im Hintergrund Kulturministerin Claudia Schmied und Sabine Haag, Direktorin des KHM

APA, Hans Klaus Techt

Die „Saliera“ in der neu eröffneten Kunstkammer im Kunsthistorischen Museum

Dabei entstand im Hochparterre des KHM ein „Museum im Museum“, dessen Renovierung insgesamt 18,56 Millionen Euro kostete. Davon wurden 3,5 Millionen Euro vom Museum durch Sponsoren beschafft, den Rest übernahm das Kulturministerium.

„Saliera“ wieder für Öffentlichkeit zugänglich

Unter den Schätzen der Kunstkammer befindet sich auch das wohl berühmteste Salzfass der Welt: Die „Saliera“, die Benvenuto Cellini im 16. Jahrhundert fertigte. Das vergoldete Salzfass erregte weltweites Aufsehen, als es 2003 aus dem Museum gestohlen wurde und 2006 unbeschadet zurückkehrte. Es handelt sich um die einzig erhaltene, gesicherte Goldschmiedearbeit Cellinis und gilt als kostbarstes Exponat der Kunstkammer. Nun ist es in einer eigenen Glasvitrine wieder zu bestaunen.

Bildergalerie: Schätze der Kunstkammer

Elfenbein und Perlmutt, Gold und Ebenholz

Das Spektrum der ausgestellten Exponate reicht von selten-skurril bis handwerklich-wertvoll. Oft sind sie beides zugleich, wie etwa ein majestätisch gefertigter Deckelpokal aus Rhinozeroshorn, dem zwei am Deckel eingefasste Warzenschweinhauer etwas Wikingerhaftes verleihen.

TV-Hinweis

„Wien heute“ hat der Kunstkammer bereits einen Besuch abgestattet, den Beitrag gibt es hier in der ORF-TVthek zum Nachsehen.

„Exotica“ nannte man die filigran verarbeiteten Objekte aus Naturmaterialien wie Elfenbein, Korallen, Bergkristall oder Narwalhorn, die nun erstmals in einem eigenen Saal präsentiert werden. Daneben zeugen Büsten aus Marmor und Bronze, Tapisserien sowie ein aus Gold, Ebenholz, Porzellan, Bergkristall und Perlmutt gefertigtes Frühstücksservice der Kaiserin Maria Theresia vom Kunsthandwerk vergangener Jahrhunderte.

Trinkspiele, die über den Tisch fahren

Kurios sind auch allerlei Automaten, Uhren und mechanische Globen. „Figurenuhr mit Diana auf dem Kentauren“ heißt eine dieser Tischautomaten. Ein komplizierter Mechanismus im Sockel und Bauch des Kentauren lässt die Figur über den Tisch fahren, Diana und einen der Jagdhunde den Kopf drehen und den Kentauren einen Pfeil abschießen. Jener Gast, in dessen Richtung der Pfeil flog, hatte seinen Becher zu leeren. Zu den beliebtesten Motiven bei Trinkspielen dieser Zeit gehörte die Gruppe der Jagdgöttin Diana auf dem Hirsch.

„Einiges, was man jetzt sehen wird, war jahrzehntelang in Depots aufbewahrt“, sagte Kurator Franz Kirchweger. Rund drei Viertel der etwa 8.000 Objekte der Kunstkammer bleiben auch weiterhin in den Depots. „Eine Gesamtpräsentation wäre nicht mehr zeitgemäß“, betonte KHM-Generaldirektorin Sabine Haag.

Büste eines jungen Paares aus Stein und Marmor

Kunsthistorisches Museum Wien

Steinskulptur von Tullio Lombardo (um 1505/10)

Die Habsburger und ihre Sammelleidenschaft

Der Objektbestand in der Kunstkammer reicht vom Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert und erstreckt sich auf 20 nach Themenschwerpunkten gestaltete Säle, die wiederum in drei Sektionen gegliedert sind. Den Kern der Kunstkammer bildet das Thema „Habsburgs Sammler und ihre Sammlungen“.

In den ersten drei Sälen wird die höfische Sammlungskultur vom Mittelalter bis zur Renaissancezeit gezeigt. Der zweite Bereich widmet sich den wichtigsten habsburgischen Erzherzögen und Kaisern des 16. und 17. Jahrhunderts in Form von Gemälden und Büsten. In der dritten Sektion setzen sich jene hochbarocken habsburgischen Auftraggeber in Szene, deren primäre Sammlungsintention sich auf dynastische und politische Repräsentation konzentrierte und sich weniger mit der Weiterführung des Kunstkammerkonzepts ihrer Vorfahren beschäftigte.

Zudem erwartet die Besucher eine „virtuelle Kunstkammer“: Tablets, die in 33 Sitzbänke integriert sind, versorgen mit zusätzlichen Informationen. Eigens gedrehte Filme veranschaulichen darüber hinaus die Funktionsweise der ausgestellten Automaten.

Kunstkammern wollten Wissen der Zeit erfassen

Kunst- und Wunderkammern entstanden ab dem späten Mittelalter als von Kaiser und Fürsten angelegte enzyklopädische Universalsammlungen, die das gesamte Wissen ihrer Zeit zu erfassen versuchten. Die Sammler sahen sich als gottgleiche Schöpfer einer Welt im Kleinen.

Die Wurzeln der Kunstkammer Wien reichen bis in das Mittelalter zurück, als Herzog Rudolf IV. (1339 - 1365) die Gründung eines habsburgischen Hausschatzes anregte. Später trug Erzherzog Ferdinand II. (1529 - 1595), Exotisches aus aller Welt in einer „Kunst- und Wunderkammer“ auf Schloss Ambras in Innsbruck zusammen. Daneben waren es vor allem Erzherzog Leopold Wilhelm (1614 - 1662), der in Brüssel sakrale Kunst, Reliquien und Ornate sammelte, und Kaiser Rudolf II. (1552 - 1612), der in Prag ein - wie man die Kunst- und Wunderkammern auch nannte - „Archiv der Weisheit“ aufbaute.

Im KHM wird man jedoch keinen Nachbau einer habsburgischen Kunstkammer sehen: „Von den mittelalterlichen Beständen des Hauses Habsburg ist kaum mehr etwas vorhanden“, sagte Kurator Franz Kirchweger. Die wiedereröffnete Kunstkammer in Wien stützt sich auf die Sammlung „kunstindustrieller Gegenstände“ des als Privatmuseum des Hauses Habsburg 1891 gegründeten Kunsthistorischen Museums.

Ausstellungsansicht der neuen Kunstkammer

hg merz architekten

Die Objekte der Kunstkammer werden in schlichten Glasvitrinen präsentiert

Tickets mit Zeitfenster

Um die vor allem in den ersten Wochen erwarteten Besucherströme rechtzeitig zu kanalisieren, hat das KHM für den Besuch der Kunstkammer gesonderte Zeitfenstertickets eingeführt.

Ausstellungshinweis:

Wiedereröffnung der Kunstkammer Kunsthistorisches Museum Wien,
1. März, 10.00 Uhr, Eintritt 14 Euro, Dienstag bis Sonntag 10.00 bis 18.00, Donnerstag 10.00 bis 21.00 Uhr.

Sendungshinweis

„Wien heute“, 1. März 2013

Zeitfenster sind für Dienstag bis Sonntag von 10.00 bis 17.00 Uhr in 20-Minuten-Intervallen verfügbar. So sollen Wartezeiten vermieden werden. Die Dauer des Besuchs ist jedoch zeitlich unbegrenzt. An jedem Tag bleibt eine gewisse Anzahl von Zeitfenstertickets für Tagesbesucher reserviert, die sich erst an Ort und Stelle für einen Kunstkammer-Besuch entschließen.

Sowohl Eintrittskarten in das KHM als auch die Zeitfenstertickets für den Besuch der Kunstkammer sind online im Voraus buchbar. Die Kassen werden für die erste Zeit nach der Eröffnung der Kunstkammer vor das Haus auf den Maria-Theresien-Platz verlegt. Jahreskartenbesitzer haben automatisch eine Eintrittskarte für die Kunstkammer.

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