Volksbefragung: Privatisierung

Von 7. bis 9. März findet in Wien eine Volksbefragung unter dem Motto „Wien will’s wissen“ statt. Die Wiener Bürger können vier Fragen beantworten. wien.ORF.at stellt Fragen samt Hintergründe dar. Die dritte Frage betrifft Privatisierungen.

Die dritte Frage der Volksbefragung lautet:

Die kommunalen Betriebe bieten der Wiener Bevölkerung wichtige Dienstleistungen. Zum Beispiel Wasser, Kanal, Müllabfuhr, Energie, Spitäler, Gemeindewohnbauten und öffentliche Verkehrsmittel. Sind Sie dafür, dass diese Betriebe vor einer Privatisierung geschützt werden?

Ein Trinkwasserbehälter der Wiener Wasserwerke

APA/Herbert Pfarrhofer

Die Positionen von Stadtregierung und Opposition

SPÖ: Sie sagt ganz klar Ja. Auf EU-Ebene würden kommunale Dienstleistungen zunehmend unter Privatisierungsdruck geraten. Das soll verhindert werden.

Grüne: Sie sind wie ihr Koalitionspartner in Wien für den Schutz vor einer Privatisierung.

ÖVP: Keine Partei wolle in Wien Wasser oder Müllabfuhr privatisieren. Auch die EU zwinge uns nicht dazu.

FPÖ: Sie spricht von Panikmache der SPÖ und hält diese Frage für ebenso unnötig wie die anderen.

Entsprechender Beschluss bereits 2010 vereinbart

Dass uns die EU dazu zwingt, die kommunale Dienstleistungen wie etwa die Wasserversorgung zu privatisieren, ist, wie mehrfach berichtet, falsch - das gilt auch für andere kommunale Bereiche.

„Ob und wozu eine Stadt eine Volksbefragung macht, ist denen überlassen, da haben wir kein Problem damit. Allerdings verwehren wir uns dagegen, wenn wir hier ungerechtfertigt zu einem Drohbild aufgebaut werden. Daher noch einmal ganz klar: Wir wollen niemanden dazu drängen oder bringen, Wasser zu privatisieren“, stellt Richard Kühnel, Vertreter der EU-Kommission in Österreich, klar.

Auch wenn jetzt das Volk gefragt wird, die Rot-Grüne Stadtregierung beschloss schon 2010, Wasser, Kanal und Müllabfuhr nicht zu privatisieren. Am 15. November 2010 unterzeichneten Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) und Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou (Grüne) das Regierungsübereinkommen für fünf Jahre. Darin heißt es auf Seite 66, dass die gesamte Kette der Müllentsorgung in kommunaler Hand bleibt. Auf Seite 67 heißt es, auch Trinkwasser und Abwasserentsorgung würden in Händen der Stadt bleiben.

Gefahr von Ineffizienz droht

Dass die Kommunen in der EU über eine Privatisierung selbst entscheiden, sei auch im Vertrag von Lissabon geregelt. Wird aber privatisiert, sieht eine neue Richtlinie Spielregeln vor. „Wenn diese Richtlinie umgesetzt werden müsste, dann müsste stärker auf den Bestbieter Bedacht genommen werden als bisher“, sagt der Verfassungsjurist Heinz Mayer.

Im Wirtschaftsforschungsinstitut sieht man Vor- und Nachteile, wenn Gemeinden Dienstleistungen selbst betreiben: Grudnsätzlich sei es so, dass Städte, wenn sie eigene Betriebe unterhalten, sie auf der einen Seite betriebswirtschaftlichen Kriterien gerecht werden können, auf der anderen Seite aber auch wirtschafts- und sozialpolitische Ziele verwirklichen können.

„Wir wissen auf der anderen Seite auch, dass es gewisse Nachteile gibt, die solche öffentlichen Betriebe haben: Sie arbeiten als Monopolbetriebe häufig ineffizient, das kostet den Steuerzahler etwas, und sie sind auch ein beliebtes Feld für politischen Postenschacher“, so Heinz Pitlik vom Wirtschaftsforschungsinstitut.

„Wer soll hier schon ‚Nein‘ sagen?“

Als schlechtes Beispiel für Privatisierungen gilt etwa Berlin, das von Schulden erdrückt wird. Die Stadt hat die Wasserbetriebe teilprivatisiert. Als Folge davon sind die Wasserpreise stark gestiegen.

Als schlechtes Beispiel für eine Volksbefragung könnte auch die Frage zur Privatisierung bei der Wiener Volksbefragung dienen. „Wer soll hier bei dieser Frage schon ‚Nein‘ sagen, noch dazu ist die Frage klar subjektiv formuliert. Eine Ausgewogenheit ist immer extrem wichtig, bei jeder Fragestellung“, so die Meinungsforscherin Karin Cvrtila von OGM.

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