Politstreit um Volksbefragung
Häupl machte gemeinsam mit den übrigen Mitgliedern der Stadtregierung von der Briefwahl Gebrauch und deponierte seinen Stimmzettel in einem Briefkasten am Rathausplatz. Häupl verteidigte bei dieser Gelegenheit die Befragung - die zuletzt sowohl von der Opposition als auch von Politologen kritisiert worden war. So wurde den Stadt-Verantwortlichen unter anderem vorgeworfen, sie hätten „No-na-Fragen“ für das Plebiszit ausgewählt.

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Die Stadtregierung bei der Stimmabgabe am Rathausplatz
Mayer: „Nahe am Missbrauch“
„Ich glaube nicht, dass die Volksbefragung so wie sie jetzt durchgeführt wird, verfassungwidrig ist, aber sie ist in manchen Punkten natürlich nahe am Missbrauch“, hatte der Verfassungsrechtler Heinz Mayer Donnerstagfrüh in einem Interview im Ö1-Morgenjournal deponiert. Als „großes Problem“ nannte er etwa die Möglichkeit des „taktischen Abstimmens“, da Wahlkarten erst nach dem Schließen der Wahllokale am Samstag abgegeben werden können.
Der Konter von Bürgermeister Häupl zu Mittag: „Was ist da ein Missbrauch der direkten Demokratie, das kann ich nicht nachvollziehen. Wenn die Opposition direkte demokratische Instrumente nutzt ist es gut, wenn eine Regierung es macht, ist es schlecht - mit dieser Argumentation kann ich mich nicht anfreunden.“
„Es geht in Wien um absolute Zukunftsfragen“, versicherte Häupl. Er könne sich zum Beispiel nicht vorstellen, was daran falsch sei, wenn man frage, ob sich Wien für Olympische Spiele bewerben solle. Die Regierung werde sich an das Ergebnis jedenfalls halten, versprach der Bürgermeister. Was passiere, wenn die Wiener zum Beispiel für Privatisierungen seien, wollte Häupl noch nicht verraten: „Dann unterhalten wir uns darüber, wenn es so weit ist.“

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Bürgermeister Häupl ärgerte sich über Kritik
Filzmaier: „Klare politische Strategie“
Der Politologe Peter Filzmaier hatte am Mittwoch in „Wien heute“ von einer „ganz klaren politischen Strategie von SPÖ und Grünen“ gesprochen. Man habe die Befragung nicht unbedingt gewollt, sondern das Thema Parkpickerl längst erledigt haben wollen.
„Jetzt muss man sie durchführen. Man hat das erstens gelöst durch eine etwas umstrittene Fragestellung, wo eigentlich nur noch die Zuständigkeit für das Parkpickerl als Option A oder B angeboten wird, und gleichzeitig noch eine Themenüberlagerung zu drei Bereichen, die wirklich keine aktuelle Relevanz haben von olympischen Spielen in ferner Zukunft bis zu einer Privatisierung des Wassers, die sowieso keiner will“, so Filzmaier.
TV-Hinweis:
Das gesamte Interview können Sie in „Wien heute“ am Mittwoch hier nachsehen.
Die Stadtregierung hofft auf eine hohe Beteiligung, die Opposition rät zum Boykott. Filzmaier sieht die Beteiligung nicht als die entscheidende Frage. In Wien habe es bei der letzten Befragung 2010, als es um Nacht-U-Bahn und Hausmeister ging, 35 Prozent Beteiligung gegeben. Das Kriterium sei vielmehr, „dass man seitens der Politik die Beteiligung mit guter Information wirklich ermöglicht“. Dann habe der Bürger das Recht hinzugehen oder nicht. Eine Grenzlatte hinzulegen, ab wann die Befragung ein Erfolg ist und ab wann nicht, sei kein seriöses Kriterium.

Tony Gigov
Parkraumbewirtschaftung, Olympia, Privatisierung und Energieprojekte
Pro & Contra zu Olympia, Parkpickerl & Co.
Zum achten Mal findet in Wien eine Volksbefragung statt. Bis 9. März können rund 1,15 Mio. Stimmberechtigte vier Fragen beantworten. wien.ORF.at hat Details und Informationen zu den vier Fragen zusammengestellt - mehr dazu in Die Volksbefragung: Pro & Contra.
Pannen bei der Vorbereitung
Schon der Beschluss im Gemeinderat verlief hektisch. Die Stadt musste die Formulierung der Parkpickerlfrage während der Sitzung noch ändern, damit sie der Stadtverfassung entspricht. Daher fragt man jetzt nicht nach der Gebühr an sich, sondern nach Zuständigkeiten. Der zweite Patzer betrifft die äußerst umstrittene lange Nachfrist für die Briefwähler. Österreichweit ist sie abgeschafft. Wien ist da anders. Taktisches Abstimmen nach Wahlschluss ist zwar verboten, aber eben ganz leicht möglich.
Debatte: Wäre Wien für Olympia gerüstet?
Die dritte Panne passierte bei der Olympiafrage: Nicht Wien kann sich bewerben, sondern das Österreichische Olympische Komitee muss das tun. Der vierte Patzer betrifft die Privatisierungen: Niemand außer der Stadtregierung selbst kann Betriebe privatisieren. Die EU hat das nie gefordert. Viel mehr fürchtet man um Einnahmen in Niederösterreich. Dort bieten die Stadtwerke derzeit noch ohne Ausschreibung privatwirtschaftlich Strom und Wasser an.