Obonya: „Angst vor Jedermann ist da“

Als Jugendlicher war er „ein fauler Hund“, nun spielt er den „Jedermann“ bei den Salzburger Festspielen: Im Interview mit wien.ORF.at spricht Cornelius Obonya über seine Einsamkeit, die Angst vor der Rolle und unterschiedliche Männertypen.

wien.ORF.at: Wie geht es Ihnen?

Cornelius Obonya: Danke. Sehr, sehr gut.

wien.ORF.at: Und wie geht es Ihnen, wenn Sie an den „Jedermann“ denken?

Da geht’s mir eigentlich auch sehr gut, weil ich jetzt so - wie soll ich sagen - in der Fassung schon herumkrebsen darf und lernen und mich beschäftigen darf. Jetzt geht’s so langsam in den richtigen Spurt.

wien.ORF.at: Können Sie schon etwas zum Konzept des neuen „Jedermann“ sagen?

Obonya: Nein, nicht wirklich.

wien.ORF.at: Haben die Proben schon begonnen?

Obonya: Nein, am 27. Mai fangen wir an.

wien.ORF.at: Schwingt auch Angst oder Erfolgsdruck mit?

Obonya: Mit Sicherheit. Aber das hat hier in diesem Fall sicher eine Verstärkung durch das ganze Brimborium um dieses Stück herum. Aber das hätte ich mir früher überlegen können, wenn mich das stören würde. Nein, es ist die normale Angst eigentlich wie vor jeder Rolle, die ich angehe. Das ist klar, man möchte es gut, sehr gut machen und hofft, dass das die Leute dann auch gerne sehen. Und das ist immer so - die Angst.

Schauspieler Cornelius Obonya

ORF/Hubert Kickinger

Obonya: „Ich wollte mal Baumeister werden“

wien.ORF.at: Wie gehen Sie mit der Angst um?

Obonya: Die ist da. Und im Grunde kann man damit gar nicht umgehen. Man kann im Grunde gar nichts machen. Es ist so: Je besser ich arbeite und je präziser ich für mich selber bin und je klarer wir mit der Regie dieses Stück entwickeln, desto mehr wird die Angst zu dem werden, was vor der Premiere ein Lampenfieber ist. So eine gesunde Angst, die vollkommen normal ist und normal sein muss. Und da sein muss. Wenn die nicht da ist, weiß ich, dass ich schlecht gearbeitet hab.

wien.ORF.at: Wie gehen Sie generell mit Erwartungshaltungen um? Auch vor Ihrem familiären Hintergrund? Da wird es ja auch Erwartungen gegeben haben.

Obonya: Ich muss ehrlich sagen, von meiner Familie gab es nie an uns Erwartungen - an diese dritte Generation, die drei Söhne der drei Hörbiger-Töchter, sage ich einmal. Da gab es nie wirklich einen Erwartungs- oder Erfolgsdruck. Sondern alle Mütter haben sich sehr gewundert und sind ängstlich davor gesessen, dass wir auch diesen wahnsinnigen Beruf ergreifen wollen. Genauso wie wir das mit unseren Kindern erleben.

wien.ORF.at: Gab es als Kind einen anderen Berufswunsch?

Obonya: Ich wollte mal Baumeister werden, weil unser Nachbar Baumeister war. Das klang toll. Keine Ahnung, was der macht. Aber es klang super. Und ich war einmal näher dran an der Archäologie. Das hätte mich auch sehr interessiert. Auch Restauration, Gemälderestauration. Aber ich habe weder ein Zeichentalent, noch glaube ich, dass ich die Geduld und das ruhige Händchen hätte, das man dafür braucht. Ich hab mal einer Restauratorin in einem Museum über die Schulter geschaut. Das ist schon eine Knochenarbeit, so ein Gemälde wiederherzurichten. Da wäre ich wahrscheinlich zu schnell und zu ruppig mit mir selbst.

wien.ORF.at: Zum „Jedermann“ zurück: Haben Sie auch Angst, den vielgelobten und vielgerühmten Vorgängern nicht gerecht zu werden?

Obonya: Diese Angst ist letztendlich immer da. Die ist da, wenn Sie „Hamlet“ spielen - da haben Sie 190.000 Vorgänger, die alle supergroße Namen haben. Nur im Grunde ist es etwas, das da ist, im Hinterkopf. Das wird jeder Schauspieler haben, der eine gewisse Reihe von Vorgängern hat, egal in welchen Rollen. Aber ich lasse mich davon nicht einschüchtern. Ich kann es eh nur so machen, wie ich es mache. Und wenn ich ausgewählt wurde von den zuständigen Leuten, die glauben, dass ich das am besten könnte dieses Mal, dann hoffe ich, mein Bestes geben zu können. Und ab da interessiert mich meine Angst nicht mehr. Wenn ich da oben stehe, stehe ich da oben und sonst niemand, außer meinen Kollegen, mit denen ich hoffe, das Stück gut machen zu können.

wien.ORF.at: Braucht man dafür nicht ein sehr gesundes Selbstwertgefühl, um das machen zu können? Haben Sie das?

Obonya: Wahrscheinlich. Ja, ich hab ein gutes Selbstwertgefühl. Ich hoffe nicht, dass es irgendwann umschlägt in irgendwelche hybriden Zustände - auch das hatte ich schon, aber dann wohlweislich sehr gut und glücklich geheiratet und da gibt es jemanden, der mir dann den Hemdkragen schon richtet, wo er hingehört. Das ist schon okay. Aber klar: Ein Patzen Selbstvertrauen ist sowieso notwendig, sonst stellt man sich da sowieso nicht rauf.

Schauspieler Cornelius Obonya

ORF/Hubert Kickinger

„Ich hab nicht rebelliert“

wien.ORF.at: In Bezug auf ihren Großvater Attila Hörbiger haben Sie einmal gesagt. Wir sind unterschiedliche Männertypen. Was für ein Männertyp sind Sie?

Obonya: Das ist immer schwer, sich selber einzuschätzen. Die Unterschiede sind zunächst einmal, mein Großvater war einmal einen halben Kopf größer als ich, nur das macht nichts. Wir sind auch in einer unterschiedlichen Zeit geboren. Mein Großvater war ein Mann, der noch im ersten Weltkrieg gekämpft hat mit 18 Jahren. Da habe ich mich schon entschieden, irgendwo im Kaffeehaus zu sitzen und ein Schauspieler werden zu wollen. Das heißt, ich habe auch ganz andere Dinge mitgenommen, auch das prägt einen Mann. In diesem Sinne sind wir einfach unterschiedlich. Ich bin auch unterschiedlich gegenüber meinen Vater oder zu jedem anderen Mann - hoffe ich. Und das ist gut so.

wien.ORF.at: Haben die Eltern viel Zeit für Sie gehabt?

Obonya: Es geht. Teils, teils. Wir hatten ein Kindermädchen. Sie war einfach bei uns in meiner Kindheit und hat auch bei uns gewohnt. Die war da und hat sich mehr oder minder gekümmert. Aber meine Eltern haben trotzdem Zeit für mich gehabt, meine Einsamkeiten kamen später, als ich ein pubertierender, junger Mann war. Als mein Vater tot war, war auch mein Kindermädchen nicht mehr da, und da war ich manchmal alleine. Wenn meine Mutter gespielt hat, gab es einfach niemanden, der aufgepasst hätte. Das war manchmal unschön.

wien.ORF.at: Waren Sie ein schwieriger Jugendlicher?

Obonya: Ich hab nicht rebelliert. Ich war ein fauler Hund und war nur dort ein guter Schüler, wo es mich auch interessiert hat. Und wo es mich nicht interessiert hat, war ich faul und schlecht. Das ist eine tödliche Mischung fürs Gymnasium. Es hat sich aber so erhalten, und ich hab einfach meinen Schädel durchgesetzt, im Sinne von: zum Theater gehen und Schule abbrechen. Das hat meine Mutter alles mithüpfen müssen irgendwann, weil ich es einfach so gemacht habe. Und da war ich schon ziemlich brutal, muss ich im Nachhinein sagen.

wien.ORF.at: Was macht einen guten Schauspieler aus?

Obonya: Locker gebundene Schuhe auf der Bühne. Das mach ich immer, nie zu fest zuschnüren, sonst schnürt es einem das Blut ab. Ich kann es Ihnen nicht sagen, es gehört alles dazu. Sehr viel Disziplin, das nötige - nicht Quäntchen - sondern Quantum Talent, ist leider so, ist nicht zu bezahlen, kommt von irgendwoher, hat man oder hat man nicht, und der Rest ist viel Arbeit.

Schauspieler Cornelius Obonya

ORF/Hubert Kickinger

wien.ORF.at: Sie waren im Personenkomitee zum Kirchenvolksbegehren. Waren Sie enttäuscht, dass die 100.000 Unterschriften nicht erreicht wurden?

Obonya: Nein, war ich nicht. Das ist ein schweres Feld, es gab auch Teile dieses Volksbegehren, wo ich selbst nicht einverstanden war damit, aber mir ging es damals generell einfach um ein kurzes Zeichen. Das hat nichts mit Glauben zu tun. Das hat auch nichts zu tun mit einer Feindschaft gegen die katholische Kirche zum Beispiel, aber es ging ja auch um andere Religionen in diesem Kirchenvolksbegehren.

Für mich ist eine Trennung von Kirche und Staat immer gut. Das ist einfach mein persönliches Empfinden. Und solange diese Dinge unaufgeräumt sind, die, sag ich einmal, Gottes Bodenpersonal macht, und das sind Menschen, das sind weder Götter, noch sonst was, das sind reine Menschen, solange es da ein bisschen schiefläuft, ist mir fast jedes Zeichen recht, um Dinge anzustoßen. (...)

wien.ORF.at: Sind Sie selbst noch Mitglied in der Kirche?

Obonya: Nein, ich bin schon vor sehr, sehr langer Zeit ausgetreten. Damals war ich 18 Jahre alt. Es hat mich seitdem nicht wieder irgendetwas dazu getrieben, wieder einzutreten zu wollen. Das heißt nicht, dass ich kein gläubiger Mensch bin. Das wird immer wahnsinnig gern verwechselt. Speziell hierzulande immer gerne, wenn man sich nicht deklariert und zu einem Club, zu einer Gemeinschaft, einer Partei oder was dazugehört, dann werden sehr viele Leute sehr nervös, weil man sich das nicht vorstellen kann.

Ich war vier Jahre lang in einem katholischen Internat bei den Jesuiten in Kalksburg. Das war nicht die schlechteste Zeit. Aber wenn einem die falschen Fragen gestellt werden oder man merkt, dass man nicht offen antworten darf, weil eine offene Antwort gar nicht erwünscht ist, das ist kein Gruppenzusammenhang unter Menschen, wo ich gerne drinnen bin. Ich möchte es gerne frei haben und da bin ich mit meinem alten Gott mit dem weißen Bart aus meiner Kindheit eigentlich sehr, sehr glücklich.

wien.ORF.at: Der „Jedermann“ ist eigentlich ein zutiefst christliches Schauspiel. Ist das dann ein Problem?

Obonya: Nein, überhaupt nicht. Ich spiele im Moment „Caligula“ von Albert Camus im Kasino am Schwarzenbergplatz für das Burgtheater. Und da bringe ich auf offener Bühne mehrere Leute um oder erteile Befehle, dass Leute umgebracht werden. Das bedeutet nicht, dass ich in meinem Herzen ein Mörder sein muss. Genauso bedeutet es nicht, wenn ich dieses christliche Stück mit diesem christlichen Schluss spiele, dass ich notwendigerweise ein Christ sein muss.

Nein, ich habe damit kein Problem und ich hab Nachrichten bekommen von Menschen, die damit ein Problem haben natürlich – gerade jetzt in Bezug auf das Kirchenvolksbegehren. Das finde ich komisch, weil es nicht wirklich einen Zusammenhang gibt. Das eine ist meine Privatperson, ich treffe meine Entscheidungen so. Und das andere ist der Schauspieler, der diese Rolle spielt. Ich habe sie genauso gut zu spielen wie alle anderen auch. Was wäre denn, wenn ich Jude wäre? Dürfte ich sie dann nicht spielen? Oder wenn ich Moslem wäre? Ich bin da in erster Linie Schauspieler.

wien.ORF.at: Gibt es eine Grenze oder Stücke, die Sie als Schauspieler nicht spielen würden?

Obonya: Nein, keine Grenze.

wien.ORF.at: Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Hubert Kickinger, wien.ORF.at

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