Jugendlicher in Haft misshandelt

In der Jugendabteilung der Justizanstalt Josefstadt ist es erneut zu einem schweren sexuellen Übergriff gekommen. Anfang Mai wurde ein 14-Jähriger in einer Mehrpersonenzelle von drei älteren jugendlichen Mitgefangenen schwerst misshandelt.

Der 14-jährige Insasse wurde von seinen Zellengenossen in der Nacht auf den 7. Mai laut einem Bericht der Wochenzeitung „Falter“ von Insassen schwerst misshandelt und dabei „schwer verletzt“. Danach wurde er laut dem Bericht wegen „mangelnder Reife“ enthaftet.

Der Vorfall wurde von der Vollzugsdirektion auf Nachfrage von wien.ORF.at bestätigt. Die Justizanstalt habe den Vorfall am darauffolgenden Tag bei der Staatsanwaltschaft angezeigt. „Das Ermittlungsverfahren gegen die Beschuldigten sei noch nicht abgeschlossen. Wir haben gute Gründe, dass die Angaben stimmen“, sagte der stellvertretende Leiter der Vollzugsdirektion, Christian Timm.

Richterin übt scharfe Kritik

Zum Tatzeitpunkt war der 14-Jährige mit drei weiteren Jugendlichen in einer Zelle in der Jugendabteilung eingeschlossen. „Die Insassen wurden getrennt. Der Jugendliche wurde in einer betreuten Wohngemeinschaft untergebracht, wo er auch psychologisch betreut wird“, sagte Timm.

Die Wiener Jugendrichterin Beate Matschnig beklagte gegenüber dem „Falter“, dass Jugendliche sehr früh zum Nachtdienst eingesperrt werden und „in den Zellen ein unglaublicher Druck entsteht“, so komme es zu „Demütigungsritualen an den Schwächsten“. An Wochenenden werden die Jugendlichen bereits ab 13.00 Uhr in ihre Zellen gesperrt, an manchen Wochentagen bereits um 15.00 Uhr. Die Jugendrichterin sprach deshalb von „Folter“ - mehr dazu in oe1.ORF.at.

Zu viele Jugendliche in einer Zelle und zu wenig Beschäftigung, weil das Personal fehlt, lautete ein weiterer Kritikpunkt. Das seien unhaltbare Zustände, kritisierte Matschnig. So seien seit zwei Wochen die Werkstätten gesperrt, weil keine Leute da sind. „Und je weniger sie beschäftigt sind, umso mehr kommen sie auf Dummheiten, das ist ja auch klar“, so Matschnig.

„Keine Frage, dass wir mehr Personal nehmen würden“

Auf zu wenig Personal angesprochen meinte Timm gegenüber wien.ORF.at: „Keine Frage, dass wir mehr Personal nehmen würden, wenn man es uns gibt. Unsere Personalressourcen sind begrenzt. Im Unterschied zu früher kommt es im Jugendgefängnis häufiger zu sexuellen Übergriffen. Jeder in unserer Abteilung bekommt einmal im Jahr so einen Fall“, hält Norbert Gerstberger, Jugendrichter am Wiener Straflandesgericht und Obmann der Fachgruppe Jugendrichter in der Richtervereinigung, zur grundsätzlichen Problematik fest.

Für Gerstberger hängt das mit der Auflassung des Jugendgerichtshofs zusammen, der unter dem damaligen Justizminister Dieter Böhmdorfer ins Wiener Straflandesgericht integriert wurde, wie er im Gespräch mit der APA erklärte: „Die räumlichen Verhältnisse sind hier beengter, Vorgänge in den Hafträumen schwerer kontrollierbar.“

Timm verwies auf vierseitige Richtlinie

Die Vollzugsdirektion weist das zurück. Die Infrastruktur für Jugendliche sei in der Justizanstalt Josefstadt deutlich besser und zeitgemäßer als seinerzeit im Jugendgerichtshof. Misshandlungen und Übergriffe stünden „nicht auf der Tagesordnung“, versicherte Timm.

Der letzte gravierende Zwischenfall sei vor eineinhalb Jahren passiert: „Wir haben nach diesem Vorfall eine vierseitige Richtlinie erarbeitet, um Mindeststandards im Betrieb garantieren zu können. Wir bemühen uns nach allen Regeln der Kunst, solche Übergriffe zu verhindern. Jeder einzelne Fall ist einer zu viel, aber wir werden solche Einzelfälle trotz intensivster Bemühungen in der Zukunft wahrscheinlich nicht verhindern können.“

„Falter“: Justizministerium verwarf Konzept

Wie der „Falter“ berichtete, haben Justizwachebeamte längst ein Konzept erarbeitet, wonach Jugendliche nicht mehr in Großraumzellen untergebracht werden sollen. Dieses Konzept sei aber von Justizministerin Beatrix Karl (ÖVP) als „unausgegoren“ verworfen worden. Karl bedauert den sexuellen Übergriff an dem Kind „zutiefst“.

Der Justizsprecher der Grünen, Albert Steinhauser, forderte per Presseaussendung „eine umfassende Aufklärung über die Situation im Jugendstrafvollzug in der Josefstadt“ und kündigte eine parlamentarische Anfrage an Justizministerin Karl an. Die Justizanstalt habe durchaus engagierte Beamte, „ist aber schlicht baulich und ressourcenmäßig für den Jugendvollzug nicht gerüstet“, meinte Steinhauser.

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