Fotokünstler Erich Lessing wird 90

Mit seinem Fotoapparat hat er Weltgeschichte festgehalten: den Ungarn-Aufstand, das jüdische Osteuropa, die Zeit des Kommunismus. Die Bilder von Erich Lessing gingen um die Welt. Heute feiert der Jungunternehmer seinen 90. Geburtstag.

Erst vergangenes Jahr eröffnete Lessing in der Wiener Innenstadt seine eigene Fotogalerie. Dort präsentiert er Aufnahmen aus seinen 70 Arbeitsjahren in thematischen Ausstellungen. Mit der „neuen“ Digitaltechnologie hat er hingegen wenig Freude. „Ich gehe immer wieder zu analog zurück“, gestand er im Interview, das digitale Zeitalter macht ihm eher Sorge.

„Der Fotograf mit der Digitalkamera hebt heute nur das auf, was sein Chef oder er selber in diesem Augenblick braucht. Speicherplatz ist teuer, das meiste wird gelöscht. Wir beginnen jetzt eigentlich in einer Zeit der Dokumentationsnot zu leben“, ortete Lessing eines der großen Probleme unserer Zeit.

Fotograf Erich Lessing  eröffnet eigene Fotogalerie

APA/Herbert Neubauer

Erster Fotoapparat mit 13 Jahren

Erich Lessing wurde am 13. Juli 1923 als Sohn eines Zahnarztes und einer Konzertpianistin in Wien geboren. 1939 emigrierte er nach Palästina, studierte in Haifa Radiotechnik und arbeitete als Karpfenzüchter in einem Kibbuz. Bereits als Kind interessierte sich Lessing für die Fotografie, bekam mit 13 Jahren seinen ersten Fotoapparat und hat seine Kenntnisse jedoch „selbst gelernt“.

Als Erwachsener fand er zu diesem Hobby zurück und verdiente damit sein Geld. Zuerst arbeitete Lessing als Kindergarten- und Strandfotograf, während des Krieges wurde er bei der Britischen Armee als Fotograf verpflichtet. Nach Kriegsende kehrte der nun 24-Jährige nach Wien zurück und lernte seine spätere Frau Traudl kennen.

Arbeiten für die Magnum-Agentur

Diese arbeitete als Journalistin bei der amerikanischen Nachrichtenagentur Associated Press, für die auch Lessing fortan als Fotoreporter wirkte. Nebenbei arbeitete er als freier Fotograf für Zeitschriften wie „Life“, „Paris Match“ oder „Fortune“. 1951 stieß Lessing zur Magnum Agentur, die vier Jahre zuvor von Robert Capa, George Rodger, David Seymour und Henri Cartier-Bresson in Paris gegründet wurde.

Lessing dokumentierte zu dieser Zeit die politischen Ereignisse im Nachkriegs-Europa. Die von Lessing geschossenen Bilder, wie vom Besuch Charles de Gaulles in Algerien oder der Unterzeichnung des österreichischen Staatsvertrags am Balkon des Belvedere, sorgten weltweit für Aufsehen, mit seinen Porträts kam er zu großem Ansehen. Seit den 60er Jahren inszenierte der Kunstfotograf mit seinen, von ihm als „Erzählfotos“ bezeichneten Arbeiten, historische Persönlichkeiten wie Musiker, Poeten oder Physiker. Einen kompletten Satz seiner Farbfotografien schenkte Lessing dem Bildarchiv der Nationalbibliothek - mehr dazu in Lessing schenkt Nationalbibliothek 60.000 Bilder.

Fotograf Erich Lessing  eröffnet eigene Fotogalerie

APA/Herbert Neubauer

Erich Lessing vor seiner Galerie

Geburtstag „ein Tag wie jeder andere“

Zehntausende Aufnahmen entstanden im Verlauf seiner Karriere, viele davon haben in über 60 Büchern und Ausstellungen auf der ganzen Welt ihr Publikum gefunden. Gemeinsam mit Harry Weber und Franz Hubmann bildete er das große Triumvirat der österreichischen Fotografie. Er erhielt den American Art Director’s Award, den französischen „Prix Nadar“ oder den Dr.-Karl-Renner-Preis. 1998 wurde Lessing mit dem Großen Österreichischen Staatspreis für Künstlerische Fotografie ausgezeichnet.

Von Müdigkeit ist bei Lessing auch im 90. Lebensjahr scheinbar keine Spur. Er ist seit vielen Jahren in der Jury des von der APA mitinitiierten Pressefotografie-Preises „Objektiv“ und war noch im vergangenen Jahr mit einer Ausstellung zur Geschichte Europas seit 1945 in Maribor zu Gast. Den Geburtstag selbst wird er dagegen wohl nicht allzu groß feiern, denn davon halte er nichts, beschied er immer wieder. „Das ist ein Tag wie jeder andere auch.“ Ein Tag in einer 90 Jahre umfassenden, beeindruckenden Biografie.

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