Vergewaltigung: Opfer kämpfen ein Leben lang

Im Vorjahr sind in Wien 337 Vergewaltigungen oder Vergewaltigungsversuche angezeigt worden. Die Dunkelziffer liegt weit höher. Viele Opfer kämpfen ein Leben lang mit den Folgen, sagt die Gerichtspsychiaterin Sigrun Roßmanith.

Sigrun Roßmanith erstellte das Gutachten über den U-Bahn-Vergewaltiger, der am Freitag zu zwölf Jahren Haft verurteilt wurde - mehr dazu in U-Bahn-Vergewaltigung: Zwölf Jahre Haft. Die Gerichtspsychiaterin behandelte in ihrer Laufbahn tausende Opfer und kennt den langen Leidensweg der Frauen.

„Gewalthandlung ein Leben lang parat“

„Viele haben die Gewalthandlung ein Leben lang parat“, sagt Roßmanith im „Wien heute“-Interview. Minimale Reize können die Erfahrungen wieder gegenwärtig machen. „Angststörungen, Schlafstörungen, Depressionen und selbstschädigende Handlungen sind die Folge von derartigen Gewalthandlungen.“

Sigrun Roßmanith

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Sigrun Roßmanith

Ob eine Vergewaltigung vom Opfer jemals komplett verarbeitet werden kann, hängt von verschiedenen Faktoren ab, sagt Roßmanith. Das wichtigste für die Opfer sei, viel über das Erlebte zu sprechen, auch in Therapiesitzungen. Nur so könnten betroffene Frauen wieder eine Art normales Leben haben. „Nicht jede Frau die sexuelle Gewalt erleidet, erleidet danach so eine Störung der Persönlichkeit, dass sie sich im Leben nicht mehr zurechtfindet und Sexualität überhaupt ablehnt. Es gibt manche, die können nach einer Zeit ganz normal auch weiterleben", erklärt die Psychiaterin.

Täter ohne Unrechtsbewusstsein

Die wenigsten Täter sind psychisch krank, sagt Roßmanith, eher psychisch gestört. Außerdem würde vielen das Unrechtsbewusstsein fehlen. Die Folge seien Rechtfertigungen seitens der Täter. „Die Frau hat ohnedies mitgemacht oder hätte irgendwelche Signale gegeben oder man wollte eigentlich eh nicht, aber es ist dann so dazu gekommen.“ Viele Täter würden äußeren Faktoren die Schuld geben, ohne Verantwortung zu übernehmen.

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