Neuer Präsident für Sängerknaben

Der 48-jährige Gerald Wirth wird neuer Präsident der Wiener Sängerknaben, er folgt Walter Nettig. Wirth wird künstlerischer Leiter des Chors bleiben, der neue Konzertsaal im Augarten wird künstlerisch im Mittelpunkt bleiben.

Gerald Wirth ist in der Nacht auf Dienstag zum neuen Präsidenten gewählt worden. Seit 2001 ist er künstlerischer Leiter des weltberühmten Knabenchors und hat in dieser Zeit unter anderem eine Oberstufe für junge Sängerinnen und Sänger mitkonzipiert und ein eigenes Orchester gegründet. Eine Institution wie die Wiener Sängerknaben habe eine Verantwortung in der Gesellschaft, meinte er: „Wir stehen in einer langen Tradition, gleichzeitig füllen wir sie mit neuem Leben.“

Gerald Wirth

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Gerald Wirth ist neuer Präsident der Wiener Sängerknaben

„Nahtloser Übergang“ geplant

Wirth hält die Funktionen als Präsident und künstlerischer Leiter „grundsätzlich vereinbar“. Jedoch gebe es Situationen, wo er im Vorstand nicht mitstimmen werde können - etwa wenn es um die Funktion des künstlerischen Leiters bzw. seine Person gehe. Wirth zeigte sich jedenfalls erfreut über seine Kür: „Ich fühle mich sehr geehrt, dass meine Kollegen an mich gedacht haben.“

Gefallen sei seine Entscheidung „eher kurzfristig“, wie er berichtete: „Ich wurde im Vorfeld vom Vizepräsidenten gefragt, ob ich mir das vorstellen könnte.“ Er werde nun versuchen, das Amt gemeinsam mit seinen Kollegen zu gestalten. Diese hätten ihn auch überzeugt, dass es sinnvoll sei, wenn er als künstlerischer Leiter auch als Vereinspräsident kandidiere.

„Denn ich kenne die Organisation und auch die Kinder. Ich kann die Schwierigkeiten und die Problematiken schneller verstehen als jemand, der sich erst einarbeiten müsste. Und aufgrund dessen, dass ich doch schon einige Jahre künstlerischer Leiter bin, bin ich im Wiener Kunstleben bekannt und auch unseren internationalen Partnern vertraut“, sagte Wirth. Damit sei es möglich, einen „nahtlosen Übergang“ zu schaffen.

Gerald Wirth neuer Präsident der Wiener Sängerknaben

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Gerald Wirth wird ein künstlerischer Assistent zur Seite gestellt

Keine Stimme bei manchen Besprechungen

Bei manchen Besprechungen im Vorstand werde er angesichts der Doppelfunktion nicht stimmberechtigt sein: „Das ist mir ganz wichtig, dass es da keine Situationen gibt, wo es in irgendeiner Form eine Schieflage gibt. Das muss ganz klar sein.“ Natürlich gebe es für den Präsidenten verschiedene Aufgaben und Verantwortlichkeiten, die nun dazukommen würden.

Darum wird es künftig einen künstlerischen Assistenten geben, „der viele Aufgaben des täglichen Betriebs mitübernehmen kann“. Eine solche Funktion gebe es schon, sie sei jedoch zuletzt nicht besetzt gewesen.

Konzertsaal im Mittelpunkt

Künstlerisch wird etwa der neue Konzertsaal weiter im Mittelpunkt stehen, wie Wirth betonte. Dort sind szenische Projekte geplant - also zum Beispiel Kinderopern oder Kindermusicals. Denn es sei wichtig, dass die Sängerknaben auch musiktheatralische Erfahrung mitbekommen, unterstrich der Neo-Präsident. Der Konzertsaal ist nach lanjährigen Diskussionen im Vorjahr im Augarten eröffnet worden - mehr dazu in Sängerknaben-Saal heißt „MuTh“.

„International gesehen sind uns die Tourneen sehr wichtig, auch in Zukunft“, erklärte der Chorchef am Dienstag. Wobei dabei auch der pädagogische Aspekt immer wichtiger werde: „Wir werden unsere Tourneen nicht nur im traditionellen Sinn machen, indem wir die Länder bereisen und in den wunderbaren Konzertsälen auftreten und dann wieder weg sind. Sondern es wird auch eine Zusammenarbeit mit Musiklehrern, mit lokalen Chorleitern sowie Kindern und Jugendlichen geben.“

„Idealbesetzung“ für Sängerknaben

„Er ist die Idealbesetzung für uns“, sagte Vizepräsident Arthur Trainacher über Wirth, „Er ist ein großartiger Musiker und Komponist, dabei ist er einfach geblieben. Vor allem beeindruckt uns sein Umgang mit den Kindern, er nimmt sie ernst, er respektiert sie. Wir wollten einen Präsidenten, mit dem sich die Kinder identifizieren können“, erklärte Trainacher, „Den haben wir jetzt.“

Die Wiener Sängerknaben dankten Walter Nettig, der das Präsidentenamt Ende August zurückgelegt hat. Nach dem unerwarteten Tod von Eugen Jesser im Jahr 2008 übernahm Nettig diese ehrenamtliche Funktion.

Vor kurzem gab es für die Sängerknaben auch eine finanzielle Zusicherung, sie müssen künftig keine Miete für das Palais im Augarten bezahlen. Vorerst ist das nur eine Übergangslösung, letztlich braucht es aber eine Gesetzesänderung - mehr dazu in Sängerknaben kostenlos in Palais.

Gründung als „Hofsängerknaben“

Die Sängerknaben wurden im Jahr 1498 von Kaiser Maximilian I. als „Hofsängerknaben“ gegründet und zählen damit zu den ältesten noch bestehenden Knabenchören der Welt. Am Ende der Monarchie wurden die Knaben 1918 bei den Messdiensten zunächst durch Damen des Staatsopernchores ersetzt. Der neue Rektor der Hofburgkapelle, Josef Schnitt, kehrte 1921 jedoch zum Gottesdienst nach den 1498 festgesetzten Regeln und damit zum Bubenchor zurück.

Die wirtschaftliche Not der Nachkriegszeit zwang die nun „Wiener Sängerknaben“ genannte Truppe erstmals auch außerhalb der Hofburg aufzutreten. Seit 1926 gehen die singenden Jünglinge regelmäßig auf Tournee und treten in den berühmtesten Konzerthäusern der Welt auf. Jedes Jahr werden rund 300 Konzerte gegeben.

300 Konzerte im Jahr

In ihre jetzige Unterkunft im Wiener Augartenpalais zogen die Sängerknaben erst nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges ein: 1948 wurde das Gebäude zum Zuhause für die zur Zeit rund 100 aktiven Mitglieder, 2003 wurde es umgebaut. Die Karriere der Kinder beginnt durchschnittlich mit zehn und dauert etwa vier Jahre. Organisatorisch aufgeteilt ist die Truppe in vier Chöre, benannt nach Mozart, Haydn, Schubert und Bruckner.

Diese bestreiten abwechselnd 300 Auftritte pro Jahr in der ganzen Welt, erhalten daheim aber auch Schulunterricht. Zu einer großen Neuerung ist es 1998 gekommen: Seit damals dürfen auch Mädchen die Volksschule der Sängerknaben besuchen. Gemischte Chöre soll es aber weiterhin nicht geben.

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