Tagebuch-Lesen auf der Theaterbühne

Verliebt in die Lehrerin, der erste Zahnspangenkuss, Jugendsünden auf der Maturareise: Am Sonntag lesen mutige Wienerinnen und Wiener beim „TAGebuch Slam“ die lustigsten Einträge aus ihren alten Tagebüchern vor.

„Liebes Tagebuch, damit du es gleich weißt, auf Satzstellungen und Rechtschreibfehler nehme ich keine Rücksicht", lautete der erste Satz eines Tagebuchs, das heuer beim Diary-Slam im Brut im Konzerthaus vorgelesen wurde. Mit den Worten „Liebe Schwester, ich weiß, dass du mein Tagebuch in der Hand hältst...“, startete ein anderes Werk.

„Eine 74-jährige Teilnehmerin erzählte von ihrer Maturareise aus den 50er-Jahren und von ihrem spontanen Beschluss, sich in der Pension für einen Zeichenkurs als Aktmodell zur Verfügung zu stellen", so Organisatorin und Slam-MC Diana Köhle. Der Erfolg der Veranstaltung im Brut und die Reaktionen des Publikums waren für sie Anlass genug, ab sofort einmal im Monat einen „TAGebuch-Slam“ im Theater an der Gumpendorfer Straße (TAG) zu veranstalten.

Diana Köhle

Anna Konrath

Moderatorin Diana Köhle schrieb selbst über 15 Tagebücher

Seelenstriptease vor Publikum

„Wer seine alten Tagebücher nach 20 Jahren wieder liest, hat meistens viel zu lachen“, so Köhle. Sie weiß aber, dass es natürlich etwas anderes ist, sich auf die Bühne zu stellen und diese Erinnerungen vorzutragen. Um den Teilnehmern Mut zu machen, wird die Organisatorin den TAGebuch-Slam am Sonntag selbst eröffnen. „Ich weiß noch nicht, was ich vorlesen werde. Beim letzten Mal hab ich von meinem ersten Zahnspangenkuss berichtet. Das war ein dramatisches Erlebnis.“

Vom „Ersten Mal“ bis zum sexuellen Outing, vom bösen Opa zur Lehrerin, in die man verliebt war - die Geschichten des TAGebuch-Slams sollen echt, schräg, ergreifend und lustig sein. Laut Köhle kann sich das Publikum üblicherweise mit vielen der vorgetragenen Texte und Gedanken identifizieren, ganz nach dem Motto „Uns ist es allen gleich gegangen“.

Einträge aus dem Diddl-Buch

Wichtig ist Köhle auch, dass die Teilnehmer aus ihren Original-Tagebüchern vortragen und nicht mit abgetippten Texten auf A4-Papier erscheinen. „Wir haben schon Diddl- oder Pferdebücher gesehen, Kalender mit Zeichnungen oder ganze Ordner voll handgeschriebener Notizen“, so Köhle. Außer dem Tagebuch sind keine Hilfsmittel auf der Bühne erlaubt. Die Zeitbegrenzung pro Teilnehmer beträgt fünf Minuten. Köhle: „Da ist es auch verkraftbar, wenn jemand etwas Furchtbares vorträgt.“

TAGebuch SLAM

„Stell dich deinen Jugendsünden!“ Saisonauftakt am Sonntag, 17. November, 19.00 Uhr, Theater an der Gumpendorfer Straße

Es gibt eine Vor- und eine Finalrunde, das Publikum entscheidet durch Applaus, wer am Ende des Abends als Sieger hervorgeht. Für jeden Teilnehmer gibt es ein neues Tagebuch und eine Eintrittskarte vom TAG. Der Hauptpreis ist eine Taschengelderhöhung. „Diese beträgt der Zeit entsprechend 1.000 Schilling. Es wird aber in Euro ausbezahlt“, so Köhle. „Mit dem alten Tagebuch kann man also noch Geld verdienen.“

Tagebuch vorlesen statt Tatort schauen

Für den TAGebuch-Slam am Sonntag meldeten sich bereits sieben Teilnehmer an. "Obwohl sicher mehr Frauen als Männer Tagebuch schreiben, haben sich bisher mehr männliche Teilnehmer gemeldet. Männer gehen einfach leichter auf die Bühne“, so Köhle, die jetzt vor allem noch auf der Suche nach Frauen ist, die mitmachen wollen.

Zwölf Teilnehmer können pro TAGebuch-Slam im Theater an der Gumpendorfer Straße auftreten. Die Veranstaltung soll künftig jeden Sonntagabend als Ausklang zum Wochenende stattfinden. Köhle: „Ich hoffe, dass wir bald einen ähnlichen Kultfaktor erreichen wie der Tatort, der auch am Sonntag im Fernsehen läuft.“

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