Novemberpogrome „Schande“ für Gesellschaft

Mit einer Matinee im Wiener Stadttempel hat die Israelitische Kultusgemeinde am Sonntag dem Novemberpogrom vor 75 Jahren gedacht. Bundespräsident Heinz Fischer bezeichnete die Ereignisse als „Schande“ für die Zivilgesellschaft.

Fischer erinnerte an die Mitverantwortung der österreichischen Zivilgesellschaft für die Ausschreitungen, denn die meisten Menschen hätten weggesehen, geschwiegen oder sich sogar selbst an den Verbrechen beteiligt: „Was vor 75 Jahren im Herzen Wiens geschah, was sich Wienerinnen und Wiener in einer Hauptstadt abendländischer Kultur zu Schulden kommen ließen, ist eine Schande, die nicht vergessen werden kann und nicht vergessen werden darf.“

Oskar Deutsch, Rudolf Hundstorfer, Renate und Heinz Fischer bei Gedenkveranstaltung im Stadttempel

APA/Herbert Neubauer

Gedenken an die Opfer der Novemberpogrome im Stadttempel

Pogrom „Test für Mitmachen“

Oskar Deutsch, Präsident der Kultusgemeinde, verwies darauf, dass erst kürzlich eine Umfrage einen deutlichen Anstieg des Antisemitismus in mehreren europäischen Ländern gezeigt habe. Kritik übte er aber auch an der „selbstgerechten, einseitigen Kritik“ an Israel in der Nahost-Debatte - zumal vielen Kritikern zu Menschenrechtsverletzungen in anderen Staaten nichts einfalle. „Diese Doppelmoral trägt antisemitische Züge“, meinte Deutsch.

Oberrabbiner Eisenberg sieht das Novemberpogrom 1938 auch als Test für die Bereitschaft der Bevölkerung, eine noch schlimmere Judenverfolgung zu akzeptieren. „Es wurde getestet, ob sie das mitmachen“, sagte Eisenberg. Die Nazis hätten die Bevölkerung „aufgestachelt und verblendet“. Ab dem Novemberpogrom sei klar gewesen, dass noch Schlimmeres folgen konnte.

Tempelgebäude blieb erhalten

Dass der 1826 eingeweihte Stadttempel im November 1938 nicht niedergebrannt wurde, liegt an dessen enger Verbauung mit den umgebenden Häusern in der Wiener Innenstadt. Der Innenraum wurde zwar verwüstet und entweiht, das Gebäude selbst blieb allerdings erhalten.

Bei dem vom NS-Regime organisierten Pogrom in der Nacht auf den 10. November 1938 wurden allein in Österreich 30 Juden ermordet, 7.800 Menschen wurden verhaftet und aus Wien rund 4.000 Juden ins Konzentrationslager Dachau deportiert. Zahlreiche jüdische Einrichtungen wurden verwüstet, Synagogen, Bethäuser, Wohnungen und Geschäfte zerstört. Im gesamten „Deutschen Reich“ gab es 91 Todesopfer.

Links: