Sormeh - neue Farbe der World-Music

Zwei Iranerinnen und eine Serbin spielen nicht nur jüdische Musik, aber dennoch genug, um beim KlezMORE-Festival im Theater Akzent am Mittwoch aufzutreten. Mit seiner Debüt-CD bringt das Wiener Trio Sormeh ganz neue Farben in die World-Music-Landschaft.

Sormeh ist persisch und heißt Lidstrich. Der ist in der orientalischen Kultur aber mehr als nur ein kosmetisches Detail. Eine ganze Philosophie der Sinnlichkeit umrahmt dieser Lidstrich. Dennoch musizieren Sormeh stilsicher an orientalischen Klischees vorbei.

Mit modernen Eigenkompositionen, Anleihen von armenischer, griechischer und bulgarischer Melodik und eben diesem auffälligen Fokus auf jüdischen Traditionen, vor allem Chansons der levantinischen Sepharden, also der aus Spanien in der frühen Neuzeit vertriebenen Juden, im altspanischen Dialekt Ladino.

Die drei Musikerinnen von Sormeh

Sormeh

Mona Matbou Riahi, Jelena Poprzan und Golnar Shahyar

Zwei Iranerinnen und eine Serbin

Kennengelernt haben sich die in Toronto aufgewachsene Sängerin Golnar Shahyar, die Klarinettistin Mona Matbou Riahi aus Teheran und Jelena Poprzan aus Novi Sad bei Projekten von Alegre Correa und Mathias Rüegg (Vienna Art Orchestra). Golnar Shahyar ist so etwas wie die tragende Säule einer neuen persischen World-Jazz-Szene in Wien. Mit ihrem Quartett Choub interpretiert sie Oriental Jazz. Und mit ihren frontalen und recht experimentellen Vokalimprovisationen weicht sie wohltuend von der Vorstellung ätherischer Ethnoballaden ab.

Mona Matbou Riahi, mit ihren 22 Jahren die Jüngste im Kleeblatt, ist für die meisten Texte im Repertoire verantwortlich und sieht sich vor allem von Lyrikern der iranischen Moderne wie Huschang Ebtehaj und Forough Farrokhzād beeinflusst.

Und Sängerin und Bratschistin Jelena Poprzan ist mit ihrem Duo Catch-Pop String-Strong und dem Quartett Poprzan/Jokic/Petrova/Neuner seit Jahren eine Fixgröße der hiesigen Szene. Mit dem jiddischen Cabaret-Song aus dem New York der 20er-Jahre „What can you mach, ‚sis Amerike“ etwa steuert sie dem Trio auch ihr komödiantisches Talent bei.

Zwischen westlicher und orientalischer Kultur

Dass Iranerinnen gerade jüdische Musik spielen, mag wie ein politisches Statement erscheinen. Die drei Musikerinnen plädieren allerdings für eine „Entpolitisierung“ ihres Repertoires, was vielleicht sogar noch politischer ist. „Wir verfolgen keine Absicht“, sagt Golnar Shahyar, „sondern haben diese Musik in erster Linie aus ästhetischen Gründen gewählt.“

Und Jelena Poprzan fügt nach: „Die sephardischen Lieder eignen sich besonders gut, weil sie auch ein Kompromiss sind zwischen westlicher und orientalischer Kultur. So wie wir halt.“ In der Tat sind sie das, und zwar in mehrerlei Hinsicht. So verwendet z.B. der Song „Adio Querida“ die Melodie der Arie Addio al passato aus Guiseppe Verdis La Traviata, einem „Pophit“ des späten 19. Jahrhunderts.

Melodieschönheit und Experimentierfreude

Den Titelsong ihrer bei Lotus Records erschienenen CD „Sormeh“ haben sie sich von einem Österreicher schreiben und komponieren lassen, dem Schriftsteller Richard Schuberth, der ein besonderes Nahverhältnis zu den von Sormeh zitierten Musikformen hat. Judentum, Islam, der Westen – das alles scheint für Sormeh nicht von Belang zu sein.

Die drei Musikerinnen von Sormeh

Sormeh

Das Trio, welches auf Farsi, Griechisch, Ladino, Serbisch, Bulgarisch, Jiddisch und Türkisch singt, setzt sich nonchalant über kulturelle Zuschreibungen, aber auch Exotisierungen hinweg. Zeitlose Melodieschönheit, Experimentierfreude und Humor mögen westlichen Hörern auch die Scheu vor „fremder ethnischer Musik“ nehmen. Sormeh verkörpern somit auch ein neues migrantisches Selbstbewusstsein, das sich nirgendwo anzupassen braucht, weil es überall daheim ist.

Ist bereits ihre CD ein großer Wurf, sollte man sich Sormeh nicht als Live-Erlebnis entgehen lassen, so z. B. am Mittwoch, wo sie sich im Theater Akzent den Abend mit Andrea Pancur und Ilya Shneyveys teilen werden. Everything is possible.

Veranstaltungshinweis

Vom 9. November bis zum 24. November findet das KlezMORE Festival Vienna auf diversen Wiener Bühnen statt. Am 13. November um 20.00 Uhr treten Sormeh sowie Andrea Pancur und Ilya Shneyveys im Theater Akzent auf.

Zum zehnten Mal KlezMORE

Mit dem neu gegründeten Vienna KlezMORE Orchestra begann am Samstag die zehnte Ausgabe des KlezMORE-Festivals in Wien begonnen. 82 Künstler werden 19 Tage lang jüdische Weltmusik in allen Variationen zum Besten geben.

„Wir wollen mit diesem Festival jüdische und nicht jüdische Musiker zusammenzubringen und aus dem Ghettodasein herausholen", so Veranstalter Friedl Preisl. „Jetzt ist die Zeit reif, wo man dieses Festival braucht. Ich merke, dass irrsinnig viele Menschen diese Musik haben wollen. Es gibt auch international eine große Klezmer-Szene“ - mehr dazu in Jüdische Weltmusik feiert Jubiläum (wien.ORF.at).

Links: