Strategien gegen Gewalt an Frauen

Jede vierte Frau in der 53 Länder umfassenden WHO-Region Europa wird zumindest einmal im Leben Opfer von Gewalt. In Wien hat am Montag eine zweitägige Konferenz begonnen, bei der Experten über Strategien zur Gewaltbekämpfung beraten.

Körperliche und/oder sexuelle Gewalt habe medizinisch gesprochen geradezu epidemische Ausmaße, sagte Isabel Yordi Aguirre von der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Das Problem sei oft versteckt. Missstände zögen sich durch alle Staaten und könnten keinesfalls auf regionaler oder nationaler Ebene gelöst werden, sondern nur im Zusammenwirken aller.

Wegweisungen und Betretungsverbote

Österreichweit gab es im Vorjahr 7.748 Wegweisungen und Betretungsverbote, in Wien waren es 3.215.

In der Kriminalstatistik 2012 sind „nur“ 28.505 entsprechende Anzeigen mit Frauen als Opfer zu finden. 78 Mio. Euro machen die jährlichen Folgekosten familiärer Gewalt in Österreich aus. Darin enthalten sind laut Institut für Konfliktforschung etwa die medizinische Versorgung, Polizei- und Justizeinsätze sowie Sozialhilfe. Im Gerichtssprengel Wien gab es 2012 insgesamt 337 Anzeigen und 20 Verurteilungen wegen Vergewaltigung, 508 Anzeigen und 17 Verurteilungen wegen sexueller Belästigung sowie 651 Anzeigen und 41 Verurteilungen wegen Stalkings.

Seelische Gewalt nimmt zu

Doch immer öfter sind Frauen auch seelischer Gewalt ausgesetzt. „Du bist ein Nichts, Du bist nichts wert“, es sind Sätze wie diese, die Frauen, die mit psychischer Gewalt konfrontiert sind, oftmals von ihren Partnern zu hören bekommen. Sie werden über einen längeren Zeitraum seelisch gequält. Dazu zählen laut Andrea Brem, Leiterin der Wiener Frauenhäuser, Erniedrigung, Bedrohen und absolute Kontrolle bis zur Isolation.

Immer öfter suchen diese Opfer Hilfe im Frauenhaus. Schwierig ist ihre Rolle im Gerichtssaal, da sie keine gebrochenen Knochen oder ein blaues Auge vorweisen können, so Brem weiter. Bei Gericht müsste man sich daher auch ausreichend Zeit für Opfer psychischer Gewalt und deren Schilderung nehmen.

Neue Richtlinien für Umgang mit Gewaltopfern

Um den Kampf gegen Gewalt an Frauen zu forcieren, sollen Gesundheitseinrichtungen mehr in den Mittelpunkt gerückt werden. Denn an diese wenden sich Opfer von Gewalt am häufigsten. Daher werden bei der Konferenz in Wien etwa neue WHO-Richtlinien für Ärzte und Pflegepersonal vorgestellt. Sie enthalten Empfehlungen, wie Gewalt erkannt und Betroffene klinisch betreut werden sollten - aber auch Empfehlungen zu Erstversorgung, Fortbildung und Meldepflicht von Fällen häuslicher Gewalt.

Konferenz Gewalt gegen Frauen

ORF

Konferenz im Wiener Rathaus

Apropos häusliche Gewalt: Diese macht den Großteil der Vorfälle aus. Das Europäische Institut für Gleichstellungsfragen (EIGE) erhob, dass in den EU-Staaten der Anteil jener Bürgerinnen, die Opfer physischer Gewalt durch ihre Partner werden, zwischen zwölf und 35 Prozent liegt. EU-weit sind demnach neun von zehn Opfern in der Partnerschaft Frauen.

Als besonders beunruhigend wurde bei der Konferenz die Tatsache bezeichnet, dass sich rund 80 Prozent der Frauen selbst nach schwerwiegender Gewalt nicht an Schutzeinrichtungen wenden oder wenden können. Denn EU-weit fehlen laut EIGE rund 25.000 Frauenhaus-Plätze. Die Stadt Wien erfüllt hier mit 175 Plätzen in vier Frauenhäusern die EU-Vorgaben - mehr dazu in Psychische Gewalt gegen Frauen im Fokus.

Thema Gewalt oft noch tabu

„Heuer möchte ich die Hilfseinrichtungen in den Mittelpunkt stellen“, sagte dazu Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ). Wichtig sei ihr, zu zeigen, dass es in Österreich mit dem Gewaltschutzgesetz und den -einrichtungen ein wichtiges und dichtes Netz gebe, damit betroffenen Frauen und Kindern rasch geholfen werden könne. Heinisch-Hosek verwies u. a. auf die 24 Stunden am Tag erreichbare Frauenhelpline (0800/222555) sowie auf die neue fem:HELP-App (Frauen.bka.gv.at) .

Hilfsangebote

Wiens Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely (SPÖ) erinnerte daran, dass gerade Opferschutzeinrichtungen in finanziell schwierigen Zeiten oftmals dem Sparstift zum Opfer fallen würden. Der Kampf, dass Gewalt gegen Frauen als Kavaliersdelikt gesehen wird, „ist nie fertiggekämpft“.

Die Frauensprecherin der Wiener Grünen, Martina Wurzer, betonte, dass Gewalt noch immer tabuisiert werde. Es brauche noch viel Aufklärungs- und Sensibilisierungsarbeit. FPÖ-Frauensprecherin Carmen Gartelgruber verlangte ebenfalls, das Thema Gewalt zu enttabuisieren. Ein verbesserter Opferschutz sei in diesem Zusammenhang ein zentrales Thema, bei dem noch großer Handlungsbedarf bestehe.

„16 Tage gegen Gewalt“

Gleichzeitig mit der Konferenz im Rathaus startete am Montag die jährliche internationale Kampagne „16 Tage gegen Gewalt“. Diese will auf das Phänomen der Gewaltausübung und Frauen als Opfer aufmerksam machen und endet am 10. Dezember, dem Internationalen Tag der Menschenrechte.

Im gesamten Burgenland ist am Montag der Startschuss für die diesjährige Kampagne „16 Tage gegen Gewalt an Frauen“ gefallen. Mit der bis zum 10. Dezember dauernden Aktion soll ein deutliches Zeichen gegen Gewalt gesetzt werden - mehr dazu in Auftakt für „16 Tage gegen Gewalt an Frauen“ (burgenland.ORF.at).

Nur geringfügig ist die Zahl der Wegweisungen und Betretungsverbote in der Steiermark gesunken. In mehr als 900 Fällen musste die Polizei in dieser Form einschreiten, ein Drittel davon allein in Graz. Dass Misshandlungen erkannt werden, ist oft gut geschulten Ärzten zu verdanken - mehr dazu in Mehr als 900 Wegweisungen (steiermark.ORF.at).

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