Ute Bock ist tot

Die 75-jährige Ute Bock ist nach kurzer, schwerer Krankheit am Freitag im Wiener Ute-Bock-Haus in Favoriten verstorben. Das von der Stadt Wien angebotene Ehrengrab hat die Familie der Flüchtlingshelferin abgelehnt.

Bis zur letzten Sekunde habe sich ihr ganzes Denken und Handeln um das Wohlergehen geflüchteter Menschen gedreht, hieß es in einer Aussendung des Vereins. Der Erfüllung ihres größten Wunsches, eines Tages überflüssig zu werden, sei man gerade in Zeiten wie diesen ferner denn je. „Tugenden wie Zivilcourage, Solidarität und Menschlichkeit hat uns Frau Bock zeit ihres Lebens gelehrt“, hieß es: „Ohne viele Worte hat sie einfach gehandelt, sich selbst hat sie dabei nie geschont.“ Am 2. Februar plant der Verein ein Lichtermeer auf dem Heldenplatz, um sich von seiner Patronin zu verabschieden.

Ute Bock im neuen Heim

APA/ROBERT JAEGER

Von ihren Schützlingen wurde sie „Mama“ genannt

Aus Gesellenheim wird Quartier für Zuwanderer

Jahrelang hatte sich die pensionierte Erzieherin kompromisslos und ohne Rücksicht auf die eigene Gesundheit für Flüchtlinge eingesetzt, butterte Gehalt bzw. Pension und Spendengelder in deren Unterbringung. Für Linke wurde sie damit zur Schutzherrin für Flüchtlinge, für Rechte und manchen Anrainer dagegen zu einer Art Gottseibeiuns - mehr dazu in Ute Bock geehrt: „Ich habe einen Vogel“.

Ihr Einsatz machte sie sogar zum Dokufilmstar, es wurde ihr eine Biografie gewidmet, und sie erhielt zahlreiche Ehrungen von Renner- bis Kreisky-Preis. Geboren am 27. Juni 1942 in Linz, begann sie nach der Matura in einem Heim für schwer erziehbare Sonderschüler in Biedermannsdorf zu arbeiten. Der nächste Weg führte sie nach Wien-Favoriten in die Zohmanngasse, bis heute ein symbolträchtiger Ort für Bock-Freunde wie -Gegner.

Dort stand in den 1970er Jahren ein Gesellenheim, Bock kümmerte sich dort zunehmend um Fälle aus schwierigen sozialen Verhältnissen. 1976 wurde sie Leiterin der Einrichtung. In den 1990er Jahren wandelte sich das vormalige Gesellenheim in ein Quartier für junge Zuwanderer, zunächst aus dem vom Krieg zerstörten Jugoslawien, später auch für viele Menschen aus Afrika, was auch für Probleme mit Anrainern sorgte, die sich offenbar an Afrikanern in Favoriten stießen.

Wiener Lokale haben „Bock auf Bier“

Bei der nicht unumstrittenen Polizeiaktion „Operation Spring“ wurde „die Zohmanngasse“ 1999 Ziel einer Razzia, bei der etwa 30 Afrikaner unter Verdacht des Drogenhandels festgenommen wurden. Wenig später war Bock in Pension, was ihr Engagement aber nicht beendete. Ganz im Gegenteil, mit eigenen Pensionseinkünften und Gaben von Sponsoren wurden Unterkünfte für obdachlose Flüchtlinge geschaffen. Bocks Einrichtungen wurden auch zur Briefkastenadresse für jene, die kein Dach über dem Kopf haben und einen Meldeort benötigen. Gewechselt wurde die Hilfszentrale. Von Favoriten ging es in die Leopoldstadt.

TV-Hinweis

In memoriam Ute Bock zeigt ORF2 am Sonntag um 23.05 Uhr die Dokumentation „Die verrückte Welt der Ute Bock“ - mehr dazu in tv.ORF.at.

Die von ihren Schützlingen gerne als „Mama“ bezeichnete Bock schwang sich mit ihrem Wirken schnell zu einer Art Kultfigur auf, was beim Lukrieren von Geldern durchaus hilfreich war. Die wohl bekannteste Aktion war „Bock auf Bier“, bei der in Dutzenden Wiener Lokalen ein Zuschlag von zehn Cent zugunsten der Bock-Einrichtungen eingehoben wurde. „Ich brauch’ die Reklame und ich brauch’ das Geld“, kommentierte Bock die Aktionen.

Alles Bemühen vor allem der Kulturwelt hätte freilich nichts genützt, wäre nicht STRABAG-Chef Hans Peter Haselsteiner in die Bresche gesprungen, als 2008 Bocks Verein finanziell vor dem Aus stand und die Helferin sogar mit dem Sprung aus dem Fenster drohte.

Ute Bock im Rahmen einer Zeremonie anlässlich ihrer Auszeichnung mit dem Goldenen Verdienstzeichens der Republik Österreich

APA/Roland Schlager

Ute Bock wurde vom damaligen Bundespräsidenten Heinz Fischer geehrt

Widerstand der FPÖ

Später lief alles wieder in ruhigeren Bahnen ab. Bock bekam ein neues Haus, das eigentlich ein altes war, wieder in der Zohmanngasse, sehr zum Unwillen der örtlichen Freiheitlichen und vieler Anrainer. Vor der Rückkehr hatte sich Widerstand geregt, die FPÖ wetterte gegen den Verein, Anrainer machten sich Sorgen.

Radiohinweis

In memoriam Ute Bock ändert Ö1 sein Programm und sendet am Samstag um 9.05 Uhr ein „Hörbild“ mit dem Titel „Mama General - Ein Leben für die bösen Buben“ von Cornelia Krebs.

„Ich habe immer gesagt: Wenn ich da herkomme, werden sie sich an mich gewöhnt haben, und dann war es das. Mein Eindruck ist, dass es tatsächlich so ist. Ich habe jetzt keine Schwierigkeiten gehabt“, sagte Bock damals. „Es gibt sehr viele, die sehr freundlich sind, und sehr viele, die ihre Angst abgelegt haben. Natürlich gibt’s welche, die sind dagegen, gegen alles, was man macht. Aber mein Gott: Bei mir war noch keiner, der sich über etwas aufgeregt hat“, sagte Bock.

Spitalsaufenthalt nach Schlaganfall

Im Dezember 2013 lag Bock nach einem Schlaganfall auf der Intensivstation im Spital. Die damals 71-Jährige war nicht in akuter Lebensgefahr. Nach ihrem Schlaganfall wurde Bock wenig später mit den Worten zitiert, sie wolle „nicht kürzer treten“ - mehr dazu in Ute Bock: „Werde nicht kürzer treten“.

Während der großen Flüchtlingswelle im Sommer 2015 appellierte Bock an die Bevölkerung. Es sei eine Schande für Österreich, dass Kinder, Frauen und Männer in Zelten hausen müssen, schrieb sie in einem offenen Brief. An die Politik wandte sie sich ein Jahr später und forderte, auch jenen Flüchtlingen zu helfen, die erst nach Österreich kommen werden - mehr dazu in Ute Bock kritisiert Obergrenzen.

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