Wienerin verzichtete auf Kleiderkauf

Nunu Kaller hat sich eine „Shopping-Diät“ verordnet und ein Jahr lang keine neuen Kleider, Schuhe, Taschen und Accessoires gekauft. Im Buch „Ich kauf nix!“ zeigt die Wienerin, wie sie vom „Shopaholic“ zur kritischen Konsumentin wurde.

„Ich habe gemerkt, dass ich nicht mehr einkaufen ging, weil ich etwas Neues brauchte, sondern um mich abzulenken. Das Kauferlebnis stand im Vordergrund“, so Nunu Kaller. Aus „Selbstschutz“ startete die 32-jährige Wienerin im Jänner 2012 den Versuch, ein Jahr lang keine neue Kleidung zu kaufen.

Nunu Kaller

Elisabeth Mondl

Nunu Kaller führt eine „On-Off-Beziehung“ mit ihrer Nähmaschine

Test von Tauschpartys

Zusätzlich zum Kaufverzicht machte sich Kaller auf die Suche nach Alternativen zum „sozialen und ökologischen Wahnsinn der Billigtextilbranche“ und stellte sich selbst Regeln und Aufgaben. Kaller testete beispielsweise öffentliche und private Kleidertauschpartys in Wien. „Dort bin ich Kleidung losgeworden, die ich nicht mehr angezogen habe oder nicht mehr anziehen konnte. Und ich habe im Gegenzug einige meiner absoluten Lieblingsstücke bekommen.“

„Kauf(nix)“-Regeln:

  • Kauf nix, nur weil es im Ausverkauf ist. Kaufe es vor allem nicht, wenn du es nicht auch zum vollen Preis gekauft hättest
  • Kauf nix, was du nicht vorher anprobierst
  • Kauf nix, was dir nicht in genau dem Moment passt, wenn du es kaufst. Nix mit „eine Hose zum Hineinschrumpfen“
  • Kauf nix, wenn du nicht mindestens zwei Teile zu Hause hast, die dazu passen
  • Kauf nix, in dem du dich nicht sofort wohlfühlst
  • Kauf nix, was gerade in ist, nur weil es gerade in ist. Kauf es, weil es „magical“ ist
  • Wenn es geht: Kauf regional

Außerdem strickte sie ihren ersten Pullover selbst und nähte sich ihr erstes Kleid. „Das Nähen wurde zur Hassliebe. Ich habe jetzt eine On-Off-Beziehung mit meiner Nähmaschine. Denn beim Umnähen habe ich ein Kleid ruiniert. Das ist jetzt ein Putzfetzen“, so Kaller. Das Stricken wurde für sie jedoch schnell zur Sucht. Gemeinsam mit ihrer Freundin Susanne Kristek gründete sie den ersten Wiener Strickverein, eine Selbsthilfegruppe für Strickabhängige. Sie erstellten eine Facebook-Seite, die inzwischen über 400 Fans hat, und organisierten Stricktreffen.

Stricken im Kinosaal

Im Vorjahr lud die Strickgruppe zum Strickkino in die Breitenseer Lichtspiele. „Dort kann man während dem Filmschauen stricken, weil der Kinosaal nicht ganz abgedunkelt wird“, so Kaller. Dort saßen bei der Premiere dann rund 50 Damen und wenige Herren mit ihrem Strickzeug und gingen ihrem Hobby nach, während die österreichische Komödie „Zweisitzrakete“ mit Manuel Rubey und Thomas Stipsits auf der Kinoleinwand lief.

Das Jahr 2012 ging für Kaller schlussendlich schneller vorbei als angenommen. Das erste, was sich Kaller nach ihrer „Shopping-Diät“ kaufte, waren Stiefel. „Ich dachte eigentlich, dass ich über das Jahr eine Einkaufsliste anfertigen würde. Aber die gab es nicht. Ich hatte auch keinen großen Nachholbedarf.“ Ihre Erfahrungen hielt Kaller in einem Internetblog fest. Dadurch erlangte ihr Versuch breite öffentliche Aufmerksamkeit. Aufbauend auf diesem Blog schrieb Kaller das Buch „Ich kauf nix!: Wie ich durch Shopping-Diät glücklich wurde“.

Nunu Kaller

Angelika Goldmann

Nunu Kaller empfiehlt, vermehrt im eigenen Kleiderschrank zu shoppen

„Einkaufen ist eine politische Handlung“

Tatsächlich veränderte sich Kaller durch das enthaltsame Jahr. „Ja, ich hab für mich im wahrsten Sinne des Wortes den roten Faden gefunden“, so Kaller, „weil in der Beschäftigung mit dem Thema sehr viel Sinnhaftigkeit liegt.“ Kaller möchte sich künftig als Konsumentensprecherin bei Greenpeace Österreich auch beruflich mit dem Thema Kleidung beschäftigen. Dort wird sie die Detox-Kampagne begleiten.

„Ich kauf nix!“-Lesung

Buchpräsentation mit Nunu Kaller, Donnerstag, 16. Jänner, 19.00 Uhr, Dellago. Eintritt frei.

Durch die Detox-Kampagne werden Modemarken aufgefordert, Schadstoffe durch ungefährliche Substanzen zu ersetzen. 17 Textil-Firmen, darunter H&M, Levis oder Nike, schlossen sich bereits der Greenpeace-Kampagne an und versprachen, bis zum Jahr 2020 gefährliche Chemikalien wie PFC vollständig zu ersetzen und ihre Produktionswege überprüfbar zu machen.

Kaller ist der Meinung, dass man im „glücklichen“ Westen durch die eigenen Konsumhandlungen etwas bewegen kann. „Es sind sehr kleine Schritte, aber jeder Einkauf, den man tätigt, ist eine politische Handlung. Man trifft eine Entscheidung, wem man sein Geld gibt.“ Kaller war auch von den Protesten in Kambodscha nicht überrascht. „Jetzt, nachdem die Bedingungen in den Textilfabriken in Kambodscha und Bangladesch weltweit Schlagzeilen gemacht haben, kann mir keiner mehr erklären, dass er nicht weiß, wie Kleidung entsteht, die sie beim billigen Textilkonzern kaufen.“

Drei Regeln für bewusstes Einkaufen

Kaller kann die einjährige Shopping-Diät jeden weiterempfehlen, da sie auch „im psychologischen Sinn sehr reinigend“ war. Für Kaller ist es sinnvoll, sich damit auseinanderzusetzen, was man besitzt. „Ich habe gelernt, im eigenen Kleiderschrank shoppen zu gehen. Ich hatte so viel Spaß, meine eigenen Sachen neu zu entdecken. Dadurch, dass es keine Möglichkeit gab etwas Neues zu kaufen, bekam alles einen neuen Wert.“

Buchhinweis

Nunu Kaller: „Ich kauf nix!: Wie ich durch Shopping-Diät glücklich wurde“. KiWi-Taschenbuchverlag, 272 Seiten, 8,99 Euro.

Seit der Shopping-Diät stellte sich Kaller beim Einkaufen immer drei Fragen: „Gefällt mir das wirklich? Passt mir das wirklich? Und brauche ich das wirklich?“ Damit reduzierte sie ihre Käufe auf ein Minimum. „Ich bin erst vor wenigen Tagen vor einem Kleid gestanden und mir ist fast der Sabber runter gelaufen. Aber ich brauchte es nicht. Ich konnte die Frage nicht mit Ja beantworten. Das war sehr hart, aber ich bin ohne Einkaufssackerl wieder aus dem Geschäft gegangen.“

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