Pürstl gesteht Fehler ein

Obwohl er den Polizei-Einsatz beim Akademikerball zunächst noch verteidigt hatte, räumt Wiens Polizeipräsident Gerhard Pürstl nun einen „nicht optimalen“ Einsatz ein. Die Krawalle ließen am Donnerstag auch im Gemeinderat die Wogen hochgehen.

„Also ich bin auch nicht mit allem zufrieden. Beispielsweise wenn man die Bilder vom Stephansplatz gesehen hat. Vielleicht war dort eine wirklich zu lange deeskalierende Taktik auch der Polizei. Vielleicht hätte man dort viel schneller Front zeigen müssen“, sagte Pürstl im Ö1-„Morgenjournal“. Vor wenigen Tagen klang das aber noch ganz anders. Kritik an zu hartem Vorgehen und den Vorwurf, die Polizei sei nicht ausreichend vorbereitet gewesen, wies Pürstl zurück - mehr dazu in Pürstl: „Bleiben Sie am Teppich“ (wien.ORF.at).

Demo gegen Akademikerball

APA/Herbert P. Oczeret

Proteste gegen Akademikerball

„Waffengebrauch einsetzen“

Unter Umständen sei man zu defensiv vorgegangen, räumt der Polizeipräsident nun ein. „Die Frage ist, ob man nicht diesen Gewalttaten, die dort gegen die Polizisten gesetzt worden sind, entschiedener hätte entgegentreten müssen. Und ob man nicht hätte - anstatt zu versuchen noch zu deeskalieren und die Leute zur Vernunft zu bekommen - einfach bereits mit Waffengebrauch entgegentreten müssen.“

Es sei schwierig gewesen, da die Gewaltbereiten nur zum Teil bekannt waren. „Wir haben einige Busse kontrolliert und nichts gefunden. Da hats keine Hinweise auf Gewaltbereitschaft gegeben.“

Gewalt erst durch Vermummungsverbot provoziert?

Auch zum heftig kritisierten großräumigen Platzverbot nahm Pürstl Stellung: „Die Taktik eines großen Platzverbots war die einzig richtige. Denn wenn wir eine Gefährdungslage haben, wo geplant ist, im ganzen Stadtgebiet - zumindest in den Inner-Gürtelbezirken - Taxis und Ballgäste zu attackieren, dann gibts nur eine Möglichkeit: Die Zufahrtswege möglichst breit zu halten.“

Das Vermummungsverbot für die Bezirke 1-9 - eine Fläche größer als Eisenstadt - sorgte im Vorfeld ebenfalls für Unmut. Pürstl: „Während einer Demonstration ist das Vermummen sowieso verboten. Es ist deshalb um vermummte Gruppierungen gegangen, die außerhalb des Platzverbots ganz gezielt Taxis und zufahrende Gäste angreifen. Und das war der Plan, den wir durch unsere Taktik ganz klar verhindern konnten.“ Auf die Kritik, dass das die Mobilisierung und Gewaltbereitschaft deutlich erhöht habe, meint Pürstl: „Ob das letztlich zum Wutausbruch der Gewaltbereiten geführt hat, werden wir uns auch noch genau anschauen müssen.“

Fotos von Ausschreitungen rund um Akademikerball

Viel Kritik an Pürstl

Der Polizeipräsident hatte für den Polizeieinsatz am Freitag und seine Ankündigung danach, bei Rettung und Ärzten Nachforschungen zu medizinisch versorgten Demo-Teilnehmern einholen zu wollen, viel Kritik und auch Rücktrittsforderungen (von Grünen und der SPÖ-Jugend) geerntet - mehr dazu in Pürstl: „Ungenaue Formulierung“ (wien.orf.at).

Auch der Wiener Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) wunderte sich darüber, dass 2.000 Polizisten die 200 Vermummten nicht in den Griff bekamen - mehr dazu in Akademikerball: „Gewalt nicht rechtfertigbar“ (wien.ORF.at). Und die Grünen beklagten, die Polizei habe eskaliert statt deeskaliert.

Verbale Krawalle im Wiener Gemeinderat

Die Krawalle rund um den Akademikerball vergangene Woche haben am Donnerstag zu einem verbalen Schlagabtausch im Wiener Gemeinderat geführt: „Heute erfolgt der Anschluss von Links!“, ärgerte sich FPÖ-Mandatar Wolfgang Jung über „Radaubrüder“ und „Radikalinskis“ aus Deutschland bei den Demonstrationen gegen die Veranstaltung.

„Sie freuen sich ja über Ausschreitungen: Je mehr Krawall, je mehr Bahö, desto besser für Sie. Der Herr Generalsekretär reibt sich die Hände“, wies SPÖ-Mandatar Peko Baxant die Kritik zurück. Auch sein Parteikollege Godwin Schuster unterstrich: „Ich habe einen Motor in mir, der da lautet: Ich möchte unter keinen Umständen erleben, dass Hass und Ausgrenzung dazu führen, was damals in der Vorkriegs- und Kriegszeit den Menschen passiert ist.“ Deshalb sei er froh, dass sich Menschen vergangenes Wochenende im gewaltfreien Protest organisiert hätten.

Beschlussantrag gegen Veranstaltung in Hofburg

Der Grünen-Gemeinderat Senol Akkilic sah Schäden nicht nur an Scheiben in der Innenstadt: „Der Akademikerball richtet jedes Jahr den größten Schaden an Österreich und Wien an.“ Dabei sei in Fragen des Rassismus hohe Sensibilität gefragt, zumal Österreich in diesen Fragen eine schwer belastete Vergangenheit habe. Asylsuchende als Betrüger zu diffamieren sei etwa die Fortsetzung des NS-Gedankenguts mit anderen Mitteln.

Der klubunabhängige Wolfgang Aigner schoss sich unterdessen auf Rot-Grün ein: „Da wird eine Ballveranstaltung in völlig überzogener Weise hochgekocht und zum Vernetzungstreffen dunkler Mächte hochstilisiert.“ Dabei reklamiere man von Links die Hofburg für sich, die doch letztlich dem Haus Habsburg zu verdanken sei: „Vereinnahmen Sie nicht die Hofburg für den Sozialismus.“ Wenn damals schon Rot-Grün das Sagen gehabt hätte, stünde anstelle der Hofburg bestenfalls ein styroporverpackter Plattenbau.

Ein von SPÖ und Grünen initiierter Antrag gegen das Treffen in der Hofburg, inklusive der Passage „Der Wiener Gemeinderat lehnt jede Gewaltausübung als Mittel politischer Auseinandersetzung ab“ wurde mit den Stimmen der Wiener Regierungsparteien angenommen. Ein Beschlussantrag der FPÖ, die Gewaltakte von Freitagabend zu verurteilen und etwaigen Geschädigten ohne Versicherung Schadenersatz zukommen zu lassen, wurde hingegen mehrheitlich abgelehnt.

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