Stadt-Initiative für weniger Kaiserschnitte

Die Zahl der Kaiserschnitte ist in den vergangenen Jahren gestiegen, mehr als 30 Prozent der Wiener Kinder kommen per Kaiserschnitt zur Welt. Weil das auch Risiken birgt, will die Stadt mit besserer Information die Zahl senken.

In einer Studie mit insgesamt 1.829 Wiener Frauen, die im Wochenbett und einige Monate nach der Geburt befragt wurden, fahndete die Stadt Wien nach den Gründen für den anhaltenden Trend zum Kaiserschnitt, medizinisch Sectio genannt. „Es liegt nicht am Alter, der Zusatzversicherung oder am Bildungsstand“, so Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely (SPÖ).

Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely (SPÖ) bei Pressekonferenz

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Sonja Wehsely

Vielmehr würden sich vor allem Frauen für den Eingriff entscheiden, die sich vor der natürlichen Geburt fürchten, glauben, diese nicht durchzustehen, oder Mütter, die bereits einen Kaiserschnitt hinter sich haben.

Info-Broschüre geplant

Grundsätzlich träten nur 1,5 Prozent der Frauen zu Beginn der Schwangerschaft mit einem dezidierten Wunsch nach einer Sectio an die Spitäler heran, so Wehsely: „85 Prozent der Befragten würden eine Spontangeburt bevorzugen.“ Erst mit der nahenden Geburt überlegen es sich viele werdende Mütter anders - vielen seien vor allem die Schmerzen nach dem Kaiserschnitt nicht ausreichend bewusst. „Da müssen wir besser informieren“, so Wehsely. Sie plant unter anderem eine leicht verständliche Info-Broschüre zu allen Geburtsarten und einen Ausbau der psychosozialen Betreuung.

In den meisten Fällen handelte es sich um geplante Kaiserschnitte etwa bei Mehrlingsgeburten, Frühgeburten oder Beckenendlagen. Nur 13 Prozent seien sogenannte sekundäre Sectios - also aus medizinischen Gründen spontan durchgeführte Eingriffe. „Besonders auffällig war die Wiederholungsrate“, meinte die Wiener Frauengesundheitsbeauftragte Beate Wimmer-Buchinger.

Haben Frauen bereits eine Sectio hinter sich, wird das nächste Kind zu 77 Prozent wieder per Kaiserschnitt auf die Welt gebracht. Auch bei Erinnerungen an eine vergangene schmerzhafte Geburt tendieren mehr als die Hälfte der Frauen zum operativen Eingriff.

Baby

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Risiken wegen Allergie und Asthma

Nur 24 Prozent der Mütter würden einen Kaiserschnitt vermutlich oder klar weiterempfehlen. Frauen, die eine natürliche Geburt hinter sich haben, haben im Wochenbett zudem weniger Schmerzen, zeigen sich selbstsicherer und zuversichtlicher. Besonders schlecht geht es Müttern mit ungeplanten Sectios.

„Auch die Langzeitwirkungen von Kaiserschnitten wurden bisher unterschätzt“, meinte Paul Sevelda, Vorsitzender der Fachkommission Gynäkologie und Geburtshilfe des Wiener Krankenanstaltenverbundes. Der Eingriff könne nicht nur Auswirkungen auf das Stillen haben, sondern auch die nächste Schwangerschaft bzw. die Fruchtbarkeit beeinträchtigen. Die Kinder haben ein erhöhtes Allergie- und Asthmarisiko.

Den weltweiten Anstieg führt er auf die Weiterentwicklung der OP-Techniken und einer gewissen „Modeentwicklung zum Wunsch-Kaiserschnitt“ zurück. Um diesem Trend weiter Einhalt zu gebieten, möchte Sevelda die Folgen und Langzeitwirkungen der Sectio auch im Standardrevers - der schriftlichen Erklärung des Patienten vor dem Eingriff - festhalten.

Zu wenig Aufklärung für Risikoschwangere

Auch Doris Ruthensteiner, Obfrau der Landesgeschäftsstelle der Wiener Hebammen, hält nicht jeden Kaiserschnitt für notwendig. Ob ein Kaiserschnitt durchgeführt wird, liegt oft an der Einstellung des betreuenden Teams. „Es ist vom Personal, Einsatz und von der Bereitschaft her sicher aufwendiger, rund um die Uhr genügend Personal zur Verfügung zu haben, um schwierige Geburten zu betreuen“, so Ruthensteiner.

Ausgerechnet Risikoschwangere würden zu wenig aufgeklärt. „Wenn sie jetzt zum Beispiel in einem Spital angemeldet sind, wo keine Beckenendlagen-Geburten oder Zwillingsgeburten spontan durchgeführt werden, weil sich das Team dort dagegen entschieden hat, dann werden Sie zum Teil nicht darüber auifgeklärt, dass sie in ein anderes Spital gehen könnten, wo das möglich ist“, sagte Ruthensteiner. „Im SMZ Ost wird das zum Beispiel sehr gut gemacht. Da ist eine sehr niedrige Kaiserschnitt-Rate - trotz Hochrisikopatientinnen.“

Im Mutter-Kind-Pass ist ab März eine Beratung durch eine Hebamme vorgesehen. Ruthensteiner hofft, dass sich dadurch mehr Frauen für eine Spontangeburt entscheiden. Frauen würden zu wenig aufgeklärt, welche Risiken ein Kaiserschnitt mit sich bringen kann und dass sie danach starke Schmerzen haben, die die ersten Tage mit dem Baby beeinträchtigen können. „Da wissen viele Frauen nicht, worauf sie sich da einlassen.“

Große regionale Unterschiede

Die Geburtenstatistiken der letzten 15 Jahre zeigen auch international einen deutlichen Anstieg der Kaiserschnittrate. Betrug die Kaiserschnittrate im OECD-Schnitt 1990 etwa 14 Prozent, stieg sie 2009 auf 26,7 Prozent an. In Österreich kamen laut Statistik Austria von den 78.952 Lebendgeborenen im Jahr 2012 29,4 Prozent per Kaiserschnitt auf die Welt.

Ein Vergleich der einzelnen Bundesländer weist große regionale Unterschiede auf. Während die Kaiserschnitt-Rate in Wien im Jahr 2012 bei rund dreißig Prozent lag, gab es zwischen dem Bundesland mit der höchsten Rate (Burgenland: 35,2 Prozent) und dem Bundesland mit der niedrigsten Rate (Salzburg: 22,6 Prozent) 12,6 Prozent Differenz.

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