Landfriedensbruch: OLG warnt

Akademikerball und Rapid-Ausschreitungen: Bei der Wiener Staatsanwaltschaft sind derzeit zwei große Verfahren wegen Landfriedensbruchs anhängig. Das Oberlandesgericht warnt jetzt davor, das Delikt, das lange als „totes Recht“ galt, nicht zu extensiv auszulegen.

Auf Basis des Verdachts des Landfriedensbruchs wird gegen rund 500 noch unbekannte Personen ermittelt, die sich am 24. Jänner an einer Kundgebung gegen den von der FPÖ veranstalteten Akademikerball beteiligt hatten, bei der es zu Ausschreitungen gekommen war - mehr dazu in Akademikerball: Ermittlungen gegen 500 Täter.

§ 274 lange „totes Recht“

Der § 274 StGB „Landfriedensbruch“ sieht für Personen, die „wissentlich“ an einer „Zusammenrottung einer Menschenmenge“ teilnehmen, die auf die Begehung von Körperverletzungen oder schweren Sachbeschädigungen ausgerichtet ist, bis zu zwei Jahre Haft vor.

Ermittlungen nach Fußballspiel

45 bereits namentlich ausgeforschte Verdächtige finden sich wiederum im Visier der Staatsanwaltschaft, weil sie sich nach einem Freundschaftsspiel zwischen Rapid Wien und dem 1. FC Nürnberg am 7. September 2013 im bzw. vor dem Hanappi-Stadion in gewalttätiger Absicht zusammengerottet haben sollen und sich nicht - was strafbefreiend gewirkt hätte - freiwillig zurückgezogen bzw. dies zumindest versucht hatten, bevor es zu Gewalttätigkeiten kam - mehr dazu in Sechs Festnahmen nach Rapid-Testspiel und in U-Haft gegen fünf Rapid-Fans verhängt. Im Fall der Ausschreitungen nach dem Rapid-Spiel dürfte die Staatsanwaltschaft den Paragraphen etwas zu extensiv ausgelegt haben, wenn zwei Entscheidungen des OLG richtig interpretiert werden.

Teilnahme an Ansammlung oder Demo reicht nicht

Im ersten OLG-Beschluss geht es um den ehemaligen Chef der Rapid-„Ultras“. Die Anklagebehörde wirft dem 32-Jährigen die führende Beteiligung am Landfriedensbruch sowie eine Körperverletzung vor, wofür es laut OLG aber keine „ausreichenden Anhaltspunkte“ gibt. Das OLG hat daher die sofortige Enthaftung angeordnet - mehr dazu in U-Haft für Ex-„Ultras“-Chef aufgehoben. Für den angenommenen Landfriedensbruch gibt es bei ihm für das OLG keinen dringenden Tatverdacht.

Das OLG macht damit deutlich, dass die bloße Teilnahme an einer Demo oder Ansammlung nicht ausreicht, um den betreffenden Personen im Fall einer Eskalation ein im Sinne des § 274 tatbestandsmäßiges Verhalten zu unterstellen: „Die Notwendigkeit einer solchen Abgrenzung wird schon daran deutlich, dass andernfalls auch die in der Menschenmenge anwesenden Ordner oder Polizeibeamten zwangsläufig tatbestandsmäßig handeln müssten.“ Ganz konkret weist das OLG darauf hin, dass „bloß außenstehende Schaulustige“ auf keinen Fall tatbestandsmäßig handeln.

Weiterer Rapid-Fan enthaftet

Neben dem Ex-Ultras-Chef wurde ein weiterer Rapid-Fan festgenommen. Er soll einem Ordner einen Stoß versetzt haben. Der Vorwurf: Landfriedensbruch. In einem Beschluss belehrt das OLG die Anklagebehörde, dass der - dank der Videoaufzeichnung aus einer Überwachungskamera dokumentierte - Stoß den Ordner „nur kurz ins Straucheln brachte“, womit „der Eintritt einer Körperverletzung in aller Regel nicht zu erwarten und daher mit ausreichender Wahrscheinlichkeit auch nicht zu erschließen ist“.

Aus diesem Grund bestätigte das OLG den Beschluss des Wiener Straflandesgerichts, das die Verhängung der U-Haft über diesen Mann abgelehnt hatte. Dagegen hatte sich die Staatsanwaltschaft beschwert.

Vor zwei Jahren wurden Rapid-Fans nach Randalen am Westbahnhof unter anderem wegen Landfriedensbruchs schuldig gesprochen - mehr dazu in 32 Rapid-Fans schuldig gesprochen. Diese Urteile wurden vom OLG bestätigt - mehr dazu in OLG bestätigt Urteile gegen Rapid-Fans.