Die bunte Handschrift der Stadt

Alte Geschäftslogos und Reklametafeln erzählen die urbane Geschichte in Buchstaben. Die Typografie einer Stadt ist heute Kunst und Sammelobjekt. Auch in Wien. So fotografiert Achim Gauger seit zwei Jahren Schriftzüge für seine Instagram-Seite.

„Es ist der Versuch, einen Teil des für mich so sympathischen Wiener Gesichts abzubilden“, sagt der Wiener Fotograf über sein Projekt „ViennaCityTypeFace“, welches er seit etwa zwei Jahren via Instagram betreibt. Er fotografiert Logos und Reklamen über bestehenden oder bereits verlassenen Geschäftslokalen in ganz Wien. Die Intention dahinter - Gauger möchte die Menschen animieren, bewusst und mit offenen Augen durch die Straßen zu gehen. Ganz einfach.

Die Galerie PEPH in der Haberlgasse 74 in Ottakring zeigt am 14. und 15. Juni eine Ausstellung.

„Keep variety alive“ steht in der Beschreibung des Instagram-Accounts. Die Vielfalt am Leben erhalten also. Und zwar mit Hilfe von knapp 600 Postings von auf Häuserfassaden gemalten oder montierten Schriftzügen und leuchtenden Logos aus Neonröhren. Die typografischen Eigenheiten Wiens sind mittlerweile zu Kunstobjekten avanciert. Eigentlich kennt sie ja jeder.

Polaroid-Logo-Jagd

Die Fotos von Achim Gauger sind jedoch nur ein Teil dieser kollektiven Schau. Etwa 30 seiner Bilder können als Pigmentprints auf Bambuspapier erworben werden, und auch seinen zweiten Bildband wird es zu kaufen geben. „Auch das Buch soll Anstoß dafür sein, dass Menschen die Straßen bewusster wahrnehmen und darüber reflektieren, wie sich das Stadtbild verändert“, so Gauger. Ein weiterer Aspekt der vom „Fesch“-Designmarkt organisierten Ausstellung „Typografie auf der Straße“ ist der „Typo Polawalk“.

Hierfür können Polaroid-Kameras ausgeliehen werden, um innerhalb einer Stunde auf einer fixen Route die „typografischen Meisterwerke der Gegenwart und Vergangenheit“ zu erhaschen. Die Tour kostet neun Euro ohne und 29 Euro mit Polaroid-Kamera inklusive Film mit acht Bildern. Viermal pro Tag findet der „Typo Polawalk“ statt. Die Voranmeldung unter office@polawalk.com ist empfohlen, um ganz sicher einen Platz bei der Tour zu bekommen.

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viennacitytypeface/Achim Gauger

Dieses und fast 600 andere Fotos befinden sich im Instagram-Archiv von Gauger

Permanente Ausstellung in Planung

Ambitionen, das Schriftbild von Wien festzuhalten, gibt es auch beim 2012 gegründeten Verein „Stadtschrift“. Im Gegensatz zu Achim Gauger und seinem „ViennaCityTypeFace“-Projekt bewahrt der Verein originale und bereits ausgediente Schriftzüge auf, restauriert sie und macht sie der Öffentlichkeit im Rahmen von Ausstellungen wieder zugänglich. Die Initiatoren Birgit Ecker und Roland Hörmann sammeln Objekte, die typografisch interessant sind, einen eigenen Charakter haben.

Einen ersten Einblick in die Sammlung der beiden gab die Ausstellung „Ausgelesene Wiener Schriftzüge“, die von November bis März lief. An einer permanenten Schau wird gearbeitet. Im PEPH wird am Wochenende ein ganz kleiner Teil der Sammlung ausgestellt, nämlich der Buchstabe „F“.

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viennacitytypeface/Achim Gauger

Die Wiener Schriftzüge sind mittlerweile zu öffentlichen Kunstobjekten avanciert

Die typografische Verarmung des Stadtbildes

Warum dieses künstlerische Festhalten dieser Art von Stadtgeschichte erst in den letzten Jahren ins Bewusstsein der Wienerinnen und Wiener getreten ist, weiß Achim Gauger genau. „Die Menschen merken langsam, dass viel vom ehemals sehr individuellen Stadtbild in Wien verloren geht. Die handgemachten Geschäftsschilder weichen denen von international tätigen Konzernen. Man nennt das typografische Verarmung. Bestes Beispiel sind Einkaufsstraßen wie die Mariahilfer Straße.“ Für ihn ist das ein augenscheinliches Symbol für die Globalisierung Wiens.

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