Vor Erdogans „Privatbesuch“ in Wien
Die Stadthalle hatte als Austragungsort wegen Umbauarbeiten abgewunken, Krieau, Generali Arena und Ernst-Happel-Stadion sagten ebenfalls ab: Erdogan kommt am Donnerstag zu einer „privaten“ Feier anlässlich des zehnjährigen Bestehens des Vereins Union Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD). Seine Rede dürfte problemlos die 7.000 Menschen fassende Albert-Schultz-Halle füllen. Auch wenn die UETD beteuert, von Erdogans Partei AKP unabhängig zu sein, ist der Wahlkampfcharakter unübersehbar.
Türkischer Botschafter: Privat
Der türkische Botschafter in Wien ließ sich auf Anfrage der APA am Montag zu dem Termin nur entlocken: „Das Programm wird von einem privaten Verein erstellt.“ Bekannt ist vorerst nur, dass Erdogan am Vormittag nach Wien kommt, etwa ab 14.30 seine Rede hält und am Freitag über Paris nach Lyon weiterfliegt.
Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) bemüht sich nach Angaben aus seinem Umfeld um einen Gesprächstermin am Freitag, fixiert ist dieser aber noch nicht. Kurz hatte Erdogan in der Vorwoche gewarnt: „Integration ist heikel und mitunter schwierig. Eine falsche Rede kann uns zurückwerfen und das Klima vergiften“ - mehr dazu in Kurz warnt Erdogan vor Spaltung der Gesellschaft (oe1.ORF.at; 13.6.2014).
Dienstag: Exekutive trifft Demonstranten
Die Polizei ging am Montag davon aus, dass Erdogan am Donnerstag in der Albert-Schultz-Halle sprechen wird, auch wenn der Bescheid dazu noch nicht vorlag. Laut Johann Golob, Sprecher der Landespolizeidirektion Wien, waren zu dem Besuch Demonstrationen für den Heldenplatz in der Innenstadt sowie für den Westbahnhof unweit der Wiener Stadthalle angemeldet, „aber diese Anmeldungen liegen schon länger zurück“.
Am Dienstag werden Vertreter der Exekutive mit den Anmeldern der Demonstrationen konferieren. Dann weiß die Polizei Golob zufolge, welche Veranstaltungen wann, wo und unter welchen Umständen geplant sind. Dementsprechend werden die Beamten ihre Einsatzpläne anlegen. „Klar ist: Wir werden den Veranstaltungsort für Erdogan in irgendeiner Form schützen müssen“, sagte der Polizeisprecher.
Korun wegen Erdogan-Besuchs „besorgt“
„Erdogan stellt das Trennende in den Vordergrund“, sagte die in der Türkei geborene grüne Nationalrätin Alev Korun in einem Interview mit der „Kleinen Zeitung“ (Dienstag-Ausgabe). Sie habe Sorge, dass der türkische Premier mit seinem Besuch großen Schaden anrichte. Er predige ein altes, überholtes Konzept: „Für ihn ist man entweder Türke oder Österreicher“, so Korun. Es lebten aber in der Zwischenzeit die dritte und vierte Generation hier. „Man kann türkische Wurzeln haben und dennoch Österreicher sein“, so die Abgeordnete.
Bereits am Wochenende hatte Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) vor einer Spaltung der Türken in Wien gewarnt. Den Besuch Erdogans am Donnerstag bezeichnete Häupl als rein privat. Bei der FPÖ ist man weniger diplomatisch. Parteiobmann Heinz-Christian Strache nannte Erdogan einen „Despoten“, der in Wien nichts verloren habe, der Besuch sei eine Schande. Strache erwartet, dass sämtliche Kosten wie der Polizeieinsatz auch von Erdogan bezahlt werde - schließlich sei der Besuch ja privat, wie das von Häupl bezeichnet wird, sagte Strache.
Mikl-Leitner: Sensibles Vorgehen
Manfred Jurazka, Obmann der Wiener ÖVP, hofft auf positive Botschaften und dass der türkische Premier den Weg der Integration durch seine Rede nicht gefährdet. Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) wünschte sich ein „sensibles Vorgehen“ von Erdogan. Seine Ansprache dürfe „keinen Keil in die türkische Community treiben“, meinte Mikl-Leitner. Denn die türkische Bevölkerung solle in Wien in Ruhe leben können. Auch wenn es sich um einen Privatbesuch Erdogans handle, müssten natürlich alle sicherheitspolitischen Maßnahmen gesetzt werden, so die Ministerin.
Kritik wegen Interventionen
UETD-Präsident Abdurrahman Karayazili klagte im Vorfeld über politische Interventionen, die andere Veranstaltungsorte in Wien verhindert hätten - mehr dazu in Erdogan-Rede: Veranstalter kritisiert Intervention (wien.ORF.at; 13.6.2014).
In der Krieau etwa hätte es Platz gegeben, Präsident Anton Gaal (SPÖ) habe ihm aber gesagt: „wenn die Partei Nein sagt, dann ist es ein Nein. Ich agiere nach dem Willen der Partei.“ Gaal dementiert das, er habe in der Partei keine Funktionen mehr und lehne politische Veranstaltungen in der Krieau, die eine Sportstätte sei, grundsätzlich ab.
In der Stadthalle scheiterte der Termin an lange geplanten Renovierungsarbeiten. Auch in der Generali Arena holte sich Karayazili nach eigenen Angaben einen Korb. Ursprünglich war sogar das Ernst-Happel-Stadion vorgesehen. Als der Termin für den Besuch von ursprünglich 21. Juni auf 19. Juni vorverlegt wurde, war das Stadion aber wegen Abbauarbeiten nach dem Rolling-Stones-Konzert nicht verfügbar.
Umstrittene Rede in Köln
Schon am 24. Mai hielt Erdogan in Köln eine umstrittene Rede. Im August findet in der Türkei die Präsidentschaftswahl statt. Erdogan hat seine Kandidatur zwar noch nicht bekanntgegeben, allgemein wird diese aber erwartet, denn als Premier kann er nach drei Perioden nicht mehr antreten. In Österreich gibt es zumindest 90.000 Türken über 18 Jahre, die im August in der Türkei wahlberechtigt sind. Bei der Onlineanmeldung für die Veranstaltung am Donnerstag unter der Adresse Basbakanviyanada.com (übersetzt „Premierminister in Wien“) wird für ein Gratiseintrittsticket gleich auch die Staatsbürgerschaft abgefragt.
Distanz von Eissportzentrum
Pächter der Albert-Schultz-Halle ist seit Mai 2009 das Eissportzentrum Kagran: In einer Aussendung wurde betont, dass der Erdogan-Besuch „nichts mit den Vienna Capitals zu tun hat. Die Vienna Capitals sind genauso wie die Eisstockschützen, Sportkegelverbände und viele weitere Eissportvereine eine der Mieterinnen in der Albert-Schultz-Halle.“
Dass die UETD Erdogan als Redner eingeladen hat, wird vom Eissportzentrum Kagran als „Entscheidung des veranstaltenden Vereins“ bezeichnet. Die UETD sei „eine Institution, die die zu Recht eingeforderte verstärkte Bemühung um eine funktionierende Integration vorantreibt“.