Anschuldigungen nach Fenstersturz

Nach dem Fenstersturz eines zehnjährigen Mädchens in einem Kinderheim in Wien-Simmering gibt es auch Anschuldigungen wegen Missbrauchs eines neunjährigen Buben. Das Wiener Jugendamt sieht die Sachlage in dem Fall aber anders.

Zu den aktuellen Anschuldigungen kam es offenbar, nachdem vergangene Woche ein zehnjähriges Mädchen aus dem Fenster eines Badezimmers in dem Heim in der Molitorgasse gestürzt und schwer verletzt worden war - mehr dazu in Anzeige nach Fenstersturz (wien.ORF.at; 13.6.2014).

„Mein Sohn wurde mit neun Jahren von der Bezugsbetreuerin grün und blau geschlagen. Vergangenen Freitag wurde bei der Staatsanwaltschaft Wien Anzeige erstattet“, erklärte die Mutter des Buben am Dienstag gegenüber der APA. Es gebe auch ähnliche Fakten bei anderen Kindern, so die Frau. Eine Sprecherin des Jugendamts sprach hingegen klar von einer gänzlich anderen Sachlage: „Das Heim ist eine Einrichtung mit geistlichen Schwestern als Träger.“

Kinderheim

ORF

Heim wurde mehrfach angeschaut

Laut Jugendamt arbeitet im Heim Fachpersonal, das den Anforderungen entspreche. „Das ist ein Haus, mit dem wir in guter Kooperation sind. Sonst würden wir es ja nicht als Vertragspartner nehmen. Wir haben uns das Heim mehrfach angeschaut.“ Die Aufsicht - auch mit Unterstützung eines Psychologen - hätte auch insbesondere nach dem Unfall zweimal Nachschau gehalten.

TV-Hinweis:

Einen „Wien heute“-Beitrag dazu sehen Sie um 19.00 Uhr in ORF 2. Zum Nachsehen gibt es den Beitrag nach der Sendung hier.

Laut Jugendamt befindet sich der Neunjährige wegen entsprechender Auffälligkeiten derzeit in kinderpsychiatrischer Behandlung in einem Wiener Spital. Man wolle prinzipiell Eltern nicht von ihren Kindern trennen. Das sei aber bei solchen Widerständen schwierig, sagte die Sprecherin in Bezug auf den Fall des Buben.

Zur Betreuung des neunjährigen Buben in dem Kinderheim sei es im Auftrag des Jugendamtes gekommen, weil die Mutter ihm nicht eine seinem Zustand entsprechende Hilfe bieten hätte können. „Frau B. kann nicht akzeptieren, dass ihr Kind nicht mehr bei ihr ist.“

Anzeige bei Staatsanwaltschaft

Der Wiener Rechtsanwalt Alexander Krasser bestätigte gegenüber der APA ein Mandat für die Vertretung des Buben. Man habe eine Anzeige wegen schwerer Körperverletzung bei der Staatsanwaltschaft eingebracht, sagte Krasser. Für den Juristen steht hinter den aktuellen Anschuldigungen eine spezielle Problematik: In Österreich würden Eltern viel häufiger Kinder abgenommen werden als in vergleichbaren Ländern, zum Beispiel in Deutschland. Auch wenn sich die Ursprungsfamilie wieder stabilisiere, verzögere die Jugendwohlfahrt die Rückführung.

Im Ö1-Mittagssjournal kritisierte der Anwalt der Mutter des zehnjährigen Mädchens, Martin Dohnal, dass die Betreuungssituation im Falle des aus dem Fenster gestürzten Mädchens zum Zeitpunkt des Vorfalls schlecht gewesen sei. Die Aufsicht durch eine 75-jährige Ordensschwester für zehn Kinder sei eine „gröbliche Vernachlässigung“ - mehr dazu in Fenstersturz aus Kinderheim: Vernachlässigung? (oe1.ORF.at).

Die Polizei ermittelt wegen des Verdachts der fahrlässigen Körperverletzung. Laut einer Jugendamtssprecherin sei die Aufsicht einer Frau mit 75 Jahren nicht „in Ordnung“. Schließlich liege das Pensionsalter in Österreich auch bei 60 bzw. 65 Jahren. Laut Jugendamt hätten zum Unfallzeitpunkt noch zwei professionelle Betreuerinnen anwesend sein müssen, nach 20.00 Uhr eine ausgebildete Sozialpädagogin. Alle Fenster in solchen Einrichtungen müssten Kindersicherungen aufweisen.