Fall Kampusch: Polizist bekennt sich schuldig

In Wien hat sich heute ein Polizist, der im Bezirk Mödling an die DNA eines Mädchens gelangen wollte, um zu überprüfen, ob es die leibliche Tochter von Natascha Kampusch ist, für schuldig bekannt. Der Prozess wurde auf August vertagt.

Der Wiener Polizist habe laut Anklage im Entführungsfall Natascha Kampusch illegale Ermittlungen in einer niederösterreichischen Volksschule durchgeführt. Er hat sich Montagfrüh am Wiener Straflandesgericht wegen Amtsmissbrauchs und Urkundenunterdrückung verantworten müssen. Der mittlerweile suspendierte Beamte bekannte sich des Missbrauchs der Amtsgewalt für schuldig.

Ermittlungen auf Eigeninitiative

Laut Staatsanwaltschaft wollte der Beamte Ende 2011 bis Anfang 2012 im Bezirk Mödling an die DNA eines Mädchens gelangen, um zu überprüfen, ob es sich dabei um die leibliche Tochter von Natascha Kampusch handelt. Mit dem „neuen Beweis“ wollte der 63-jährige Angeklagte weitere Ermittlungen in dem Fall ins Rollen bringen, und auch beweisen, dass dieses Kind ebenfalls von Mittätern von Wolfgang Priklopil sexuell missbraucht werden würde.

Die unerlaubten Aktionen, die der Polizist gesetzt hatte, dürften vor allem durch den Kontakt mit dem pensionierten Präsidenten des Obersten Gerichtshofs (OGH), Johann Rzeszut, ausgelöst worden sein. Rzeszut war damals Mitglied einer vom Innenministerium eingesetzten Evaluierungskommission, die behördlichen Versäumnissen im Entführungsfall Kampusch nachgehen sollte, zweifelte in Interviews in diversen Medien an der Theorie, Priklopil sei ein Einzeltäter gewesen, und unterstellte Natascha Kampusch, diese habe eine Schwangerschaft verheimlicht.

„Ich habe den Fall Kampusch wie jeder andere Staatsbürger mitverfolgt“, sagte der 63-jährige Beschuldigte. „Wirklich tätig geworden“ sei er nach einem Vortrag eines FPÖ-Nationalratsabgeordneten, der dabei über zahlreiche Ungereimtheiten in dem Fall berichtete. Dabei war ihm auch zu Ohren gekommen, dass Kampusch ein Kind von Priklopil geboren habe, das nun an ihrer Stelle missbraucht werde. „In meinem Schädel war immer wieder, dass da ein Kind missbraucht wird“, sagte er vor Schöffensenatsvorsitzenden Elisabeth Reich.

Beschuldigter wollte „kleiner Inspektor“ sein

Nach mehreren Treffen mit Rzeszut, den er zufällig auf der Mariahilfer Straße traf und ansprach, dürfte der Polizist ebenfalls davon überzeugt gewesen sein. „Für mich war der die Koryphäe unter den Juristen“, sagte der 63-Jährige. Und der Bericht der Evaluierungskommission, der Rzeszut angehörte, zeigte „40 Seiten Fakten, nichts als Fakten“, so der Angeklagte. „Ich weiß, was Missbrauch in einem Menschen auslöst. Da hab ich mir gedacht, da musst du was machen“, sagte der Beschuldigte.

Er zeigte sich vor der Richterin zwar nicht überzeugt, dass das Kind von Kampusch, aber dass der Vater Priklopil sei. Mit dem DNA-Beweis hätte er sich als „kleiner Inspektor“ einen Namen machen und ein „Mediengetöse“ auslösen wollen. Zunächst ermittelte er auf eigene Faust in einer Wiener Klinik, wo das Kind auf die Welt gekommen war.

„Ich habe mich immer als Polizist ausgegeben“, erklärte der Angeklagte. Jedoch bediente er sich eines „kleinen Tricks“ und erklärte dem medizinischen Personal, dass es um eine Vaterschaftsstreitigkeit gehe, bei der er ermitteln müsste - und nicht um den Fall Kampusch. Nachdem er herausfand, dass Kampusch nicht die Mutter des Kindes sein konnte und ein Vater bei der Geburt nicht angegeben wurde, versuchte er, an die DNA des Kindes heranzukommen.

Rzeszut womöglich bald selbst vor Gericht

Dabei wurde der Wiener Beamte in der niederösterreichischen Volksschule des Mädchens vorstellig und sprach mit der Direktorin, einer Lehrerin und schlussendlich der Mutter des Kindes und erbat dabei um die DNA, „ein Taschentuch“ würde schon reichen, wie Richterin Reich aus dem Vernehmungsprotokoll vorlas. Die Frau meldete jedoch den Vorfall und der Beamte wurde im Februar 2012 vom Dienst suspendiert. Die Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt ermittelte eingehend, aus möglichen Befangenheitsgründen wurde die Verhandlung nach Wien delegiert.

Zur Befragung von Zeugen wurde die Verhandlung mittags auf August vertagt. Der Antrag von Verteidiger Dietmar Heck auf zeugenschaftlicher Befragung Rzeszuts wurde abgewiesen. Rzeszut selbst könnte in einem separaten Verfahren auch noch vor Gericht landen. Er hatte nämlich bestritten, den 63-jährigen Polizisten überhaupt zu kennen, weshalb gegen ihn von der Staatsanwaltschaft Linz wegen falscher Zeugenaussage ermittelt wird.