Polizei: Drogenszene „in Bewegung halten“

Die Beamten der Wiener Einsatzgruppe zur Bekämpfung der Straßenkriminalität (EGS) haben in knapp elf Jahren rund 13.000 mutmaßliche Drogendealer festgenommen. Die Aufgabenstellung dabei lautet: „Die Szene in Bewegung halten.“

Genau am 1. Juli hat die EGS zum 15.000. Mal seit ihrer Gründung zugeschlagen. Die Festnahme der ausschließlich in zivil tätigen Einheit erfolgte um 16.10 Uhr am Praterstern in Wien-Leopoldstadt. „Es war ganz unspektakulär“, schilderte Oberst Wolfgang Preiszler. Bis gestern, Donnerstag, kamen weitere 69 Festnahmen dazu. Statistisch gesehen haben die EGS-Beamten seit 1. September 2003 bis 1. Juli 2014 jeden Tag beinahe vier Personen festgesetzt. 13.023 Verdächtige kamen wegen des Verdachts auf Drogenhandel in Polizeigewahrsam, die anderen 2.046 in Zusammenhang mit Eigentumsdelikten.

Szene oft bei U-Bahnstationen

„Die Szene in Bewegung halten“, formulierte Preiszler die Aufgabenstellung. Verfestigte Drogenszenen, wie vor einigen Jahren am Schwedenplatz, soll es nicht mehr geben. „Es gab einen Tag, an dem wir 114 verschiedene mutmaßliche Dealer am Schwedenplatz gezählt haben“, schilderte Wipfler. Als die EGS einen Schwerpunkt ihrer Tätigkeit dorthin legte, griffen die Beamten einen erst elfjährigen Heroinabhängigen auf. Dessen ebenfalls süchtige Freundin war 13.

Die Schwerpunkte der Tätigkeit derzeit sind die U-Bahnstationen der U6 in der Brigittenau bzw. dieser Bezirk überhaupt, die U4 zwischen den Stationen Längenfeld- und Kettenbrückengasse mit Schwerpunkt Margaretengürtel, in der Leopoldstadt der Bereich Mühlfeldgasse mit dem Lokal „Schwarze Katze“ und spät in der Nacht der Bezirk Rudolfsheim-Fünfhaus, speziell das Gebiet um den Westbahnhof, so Preiszler.

Er zeigte sich überzeugt, dass es derzeit gelinge, die Szene in Bewegung zu halten. Dass speziell in den U-Bahnstationen und Zügen seit geraumer Zeit die uniformierte Bereitschaftspolizei patrouilliert, sei eine Arbeitserleichterung, erklärte der Oberst. Die EGS übernimmt quasi die Dealer, welche ihre uniformierten Kollegen aus den U-Bahnbereichen vertrieben haben, an der Oberfläche.

Neues Rekrutierungsverfahren

Derzeit versehen knapp über 70 Beamte bei der EGS in Wien ihren Dienst. Die Zahl der Posten soll auf 100 aufgestockt werden. Geändert hat sich das Rekrutierungsverfahren: „Die ersten acht Beamten haben wir uns ausgesucht“, erzählte Wipfler. Dann funktionierte es über Mundpropaganda. Nun gibt es erstmals ein offizielles Auswahlverfahren mit einem sportlichen Leistungstest, einem Koordinations- und einem Stressparcours, einem psychologischen Computertest sowie einem Hearing. Erstmals findet bei der EGS im September ein dreiwöchiger Basislehrgang statt, den Wipfler zusammengestellt hat, und an dessen Ende die Beamten ein Dekret bekommen werden.

„Die 30.000. Festnahme will ich noch im Dienst erleben“, sagte Preiszler, der als stellvertretender Leiter des Bereichs Assistenzdienste im Landeskriminalamt (LKA) auch die Verantwortung für die EGS innehat. Sein Traum ist die Zusammenlegung aller Drogenfahndungseinheiten im Bereich des LKA Wien, „ein Gift“, wie der Beamte es ausdrückte.

"Wir wurden angefeindet und belächelt

Dass es mittlerweile in jedem Bundesland eine EGS gibt, war am Beginn alles andere als absehbar. „Wir wurden angefeindet und belächelt“, erzählten Preiszler und Chefinspektorin Margit Wipfler, Ideengeberin für die EGS und deren Kommandantin. Das liegt auch an der Gründungsgeschichte: Die Installierung der EGS wurde nicht nur vom damaligen Innenminister Ernst Strasser (ÖVP), sondern auch vom damaligen Leiter des Landeskriminalamtes Roland Horngacher befürwortet, der bald darauf Wiener Landespolizeikommandant wurde und dessen Karriere mit der sogenannten Polizeiaffäre ein unrühmliches Ende vor Gericht fand.

Zur Erinnerung: Zwischen Horngacher und seinem Konkurrenten Ernst Geiger kam es zu Auseinandersetzungen, bei denen es um die Nachfolge Peter Stiedls als Wiener Polizeipräsident gegangen sein dürfte. Dabei ging es auch um angebliche Naheverhältnisse zum Wiener Rotlicht. Für beide ging es vor Gericht anstatt in den Chefsessel der Polizei in der Bundeshauptstadt. Geiger ist rehabilitiert und heute Abteilungsleiter im Bundeskriminalamt, Horngacher nicht mehr im Polizeidienst. Der EGS wurde von Kritikern am Beginn nachgesagt, ein zu enges Verhältnis zu Horngacher zu haben und trug unter Insidern nach dem Vorbild der Leibwache der Kaiser im antiken Rom den Spitznamen „Prätorianergarde“.

Während die Anfeindungen erst aufgehört hätten, als klar war, dass Horngacher nicht mehr im Polizeidienst sein würde, sei man „bald nicht mehr belächelt“ worden. „Die Zahlen haben alles getoppt“, begründete dies Preiszler. In den Bundesländern gab es spätestens mit September 2005 ebenfalls EGS. Klar war dabei von Anfang an, dass es um Ermittlungen im Suchtgiftbereich und bei der Eigentumskriminalität ging. Da wie dort waren jedoch nicht Strukturermittlungen die Aufgabe, sondern der Kampf gegen den Straßenhandel bzw. gegen die unmittelbar Tatausführenden.