Akademikerball: Zeugen am Wort

Mehrere Zeugen, etwa eine chemische Gutachterin und der Hauptbelastungszeuge, haben am Montag, dem zweiten Tag im Prozess gegen Josef S., ausgesagt. Der 23-Jährige sitzt seit den Demos gegen den Akademikerball im Jänner in U-Haft.

In einem nicht unumstrittenen Prozess werden dem 23-Jährigen Landfriedensbruch, schwere Sachbeschädigung und schwere Körperverletzung vorgeworfen. Er soll dem linken Schwarzen Block angehören und für Sachbeschädigungen während der Proteste gegen den FPÖ-Burschenschafterball verantwortlich sein. Belastet wird der Mann von einem Polizisten. Dieser will ihn als Rädelsführer erkannt haben, als er Steine und andere Gegenstände auf Beamte geworfen und Scheiben eingeschlagen haben soll.

Ein kurzes Interview mit Josef S. sehen Sie in einem Beitrag der ZIB24 in der ORF TVthek.

Dieser Hauptbelastungszeuge blieb auch am zweiten Tag bei seinen Angaben. Demnach war der Angeklagte auf dem Stephansplatz als Rädelsführer in Erscheinung getreten. Ein Mann mit Kapuzenpulli mit der Aufschrift „Boykott“ habe Scheiben und eine Eingangstüre der Polizeiinspektion Am Hof eingeschlagen, bevor er ein Polizeiauto völlig demolierte. Er habe den Mann aus den Augen verloren, ihn später aber vor dem Burgtheater wieder ausgemacht. Dann habe er die WEGA auf ihn aufmerksam gemacht, die den Mann festnahm.

MA 48 fand keine Steine

Der Angeklagte wollte auch am Montag nichts zu den Vorwürfen sagen. „Er war auf dieser Demonstration, hat friedlich daran teilgenommen und hat mit Straftaten nichts zu tun. Wir gehen davon aus, dass hier eine Verwechslung vorliegt und unserem Mandanten diese Straftaten irrtümlich zu Last gelegt werden“, sagte sein Verteidiger Clemens Lahner.

Die Aussagen mehrerer Beamter folgten. Sie blieben vor Gericht anonym, gaben lediglich ihre Dienstnummer an. Auch Mitarbeiter des Putztrupps der MA 48 wurden befragt, wo sie nach der Demo welche Gegenstände aufgesammelt haben. Sie hätten Glasscherben, Flaschen und Mistkübeln weggeräumt. Lose Steine - wie vom Hauptbelastungszeugen behauptet - seien nicht darunter gewesen.

Angeklagter wird in Gerichtssaal gebracht

APA/Hochmuth

Großes Interesse am Prozess

Drei Nitritpartikel auf Handschuh

Zum Auftakt wurde ein Gutachten präsentiert, das klären soll, ob der Sweater und der Handschuh des Angeklagten Rückschlüsse auf eine angeblich von ihm gezündete Rauchbombe geben könnten. Auf dem schwarzen Kapuzensweater und dem linken Handschuh des jungen Mannes wurden keine Partikel gefunden, auf dem rechten Handschuh wurden jedoch drei Nitritpartikel entdeckt, die „mit dem Zünden eines pyrotechnischen Gegenstandes mit hoher Wahrscheinlichkeit im Zusammenhang stehen“, sagte die Gutachterin.

TV-Hinweis:

Einen „Wien heute“-Beitrag dazu sehen Sie am 21. Juli 2014 um 19.00 Uhr in ORF 2 und danach on Demand.

Rückschlüsse auf die Farbe der Rauchbombe, die der angeklagte 23-Jährige gezündet haben soll - auf einem Foto ist eine violette Rauchwolke zu sehen -, konnte die Gutachterin nicht geben. Die Partikel könnten auch auf den Handschuh geweht werden, wenn man in der Nähe einer Rauchbombenzündung stehe, allerdings wären sie dann eher auf der Kleidung zu finden, so die Gutachterin.

Zwei Fotografen und ein ORF-Kameramann waren am Montagvormittag ebenfalls im Zeugenstand. Sie waren mitten im Geschehen, haben aber nicht gesehen, dass der Angeklagte eine Rauchbombe gezündet habe oder gewalttätig gewesen sei. Ein Fotograf sagte, dass der Angeklagte auf seinen 700 Fotos nicht zu sehen sei.

Gerichtssaal zu klein

Vor dem Straflandesgericht fand eine Solidaritätskundgebung statt, zahlreiche Interessierte konnten nicht in den überfüllten Gerichtssaal. Auch Prozessbeobachter aus Deutschland waren in Wien und sahen, wie S. unter Jubel in den Gerichtssaal gebracht wurde. Auch der Vater des Angeklagten war aus Jena angereist. „Über unserem Leben liegt seit dieser Verhaftung ein Schatten. Wir können damit überhaupt nicht umgehen. Unser Leben hat sich total verändert. Wir bemühen uns, zu zeigen, dass unser Sohn kein Gewalttäter ist“, sagte er gegenüber wien.ORF.at.

Stimmanalyse entlastet Angeklagten

Die am ersten Prozesstag als Belastungsmaterial vorgelegten Videoaufzeichnungen brachten keine Verbindung mit dem Angeklagten. Dass der Angeklagte, den ein Polizist mit seinem privaten Handy gefilmt hatte, verbale Anweisungen erteilt hatte, stellte sich durch eine Stimmanalyse als Falschannahme heraus.

Menschen vor Gerichtssaal

ORF

Nicht alle Interessierten hatten im Gerichtssaal Platz

Angeklagter: „Nicht schuldig“

Beim Prozessauftakt am 6. Juni hatte sich der Angeklagte nicht schuldig bekannt. Der Richter lehnte einen Enthaftungsantrag ab. Die Beweislage habe sich im Zuge des Verfahrens „erhärtet“, so der Vorsitzende des Geschworenengerichts. Zugleich wurde aber einigen Beweisanträgen stattgegeben, weshalb zwei weitere Verhandlungstage notwendig wurden - mehr dazu in Akademikerball-Demo: Verhandlung vertagt. Ein weiterer Verhandlungstag in dem Prozess ist für Dienstag angesetzt.

Justizwachebeamten rund um Angeklagten

APA/Hochmuth

Der Angeklagte wurde von mehreren Justizwachebeamten in den Saal gebracht

Am 18. August wird gegen einen zweiten Mann verhandelt, der laut Anklage ebenfalls ein Rädelsführer der gewalttätigen Proteste gegen den Akademikerball sein soll - mehr dazu in Akademikerball: Zweite Anklage.

Bei den Gegendemos zu dem von der FPÖ organisierten Akademikerball war es im Jänner zu massiven Ausschreitungen in der Innenstadt gekommen. Gewaltbereite Gegendemonstranten warfen Pflastersteine gegen Polizisten, zerstörten Auslagenscheiben, demolierten mehrere Einsatzfahrzeuge und eine Polizeistation. Die Ermittler gehen von einem Schaden von 500.000 Euro aus - mehr dazu in Akademikerball: Ermittlungen gegen 500 Täter.