Akademikerball-Prozess: Sechs Monate bedingt

Im Prozess gegen einen weiteren Akademikerball-Demonstranten ist heute das Urteil gefällt worden. Der 43-jährige Angeklagte wurde zu einer bedingten Haftstrafe wegen schwerer Körperverletzung verurteilt - nicht jedoch wegen Landfriedensbruchs.

Der Prozess gegen den Mann endete mit einem Schuldspruch wegen schwerer Körperverletzung und versuchter schwerer Körperverletzung sowie versuchten Widerstands gegen die Staatsgewalt. Bei einer Kundgebung gegen den Akademikerball im Jänner 2014 war er laut Gericht gewalttätig gegen eine Polizistin vorgegangen. Mit einer Fahnenstange aus Holz schlug er demnach auf eine Sperrkette der Polizei ein und traf die Beamtin, die eine Prellung am rechten Handgelenk erlitt.

Auch Steinwürfe gegen namentlich nicht mehr feststellbare Polizisten bei einer weiteren Demonstration am 17. Mai ahndete das Gericht als versuchte schwere Körperverletzung. Weil der Angeklagte in seiner Einvernahme angegeben hatte, er habe im Mai die Uniformierten mit seinem Handeln an der Festnahme anderer Demonstranten hindern wollen, wurde er zusätzlich wegen versuchten Widerstands gegen die Staatsgewalt schuldig erkannt.

Angeklagter

APA/Herbert Pfarrhofer

Der Angeklagte vor Gericht

Freispruch von Landfriedensbruch

Von einem beträchtlichen Teil der Anklage wurde der Mann allerdings freigesprochen. Den von der Staatsanwaltschaft angenommenen Landfriedensbruch erachtete der Schöffensenat als nicht gegeben. Nach Ansicht des Gerichts waren bei beiden Kundgebungen die für einen Schuldspruch erforderliche Anzahl von 100 gewalttätigen Personen nicht nachweisbar. „Der überwiegende Teil der Leute war friedlich“, so der Richter in seiner Urteilsbegründung.

Einen Freispruch gab es auch von der versuchten absichtlichen schweren Körperverletzung, die dem Mann in Zusammenhang mit seiner Festnahme angelastet worden war. Dabei ging das Gericht vom Grundsatz „Im Zweifel für den Angeklagten“ aus. Auf dem Videomaterial waren die inkriminierten Stichbewegungen gegen den Unterleib eines Beamten nicht zu sehen.

Angeklagter wurde enthaftet

Die Freiheitsstrafe von sechs Monaten wurden zur Gänze auf Bewährung ausgesprochen, wobei dem 43-Jährigen seine bisherige Unbescholtenheit, die Schadensgutmachung - er hatte die Schmerzensgeldansprüche der verletzten Polizistin anerkannt - sowie die teilweise geständige Verantwortung mildernd angerechnet wurden. Der 43-Jährige nahm die Strafe an. Er wurde nach rund zweieinhalbmonatiger U-Haft unmittelbar nach der Verhandlung enthaftet. Staatsanwalt Hans-Peter Kronawetter gab vorerst keine Erklärung ab. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Die Verteidigerin zeigte sich über das Urteil durchaus erfreut: Die Bewährungsstrafe von sechs Monaten für die begangenen Körperverletzungen seien „gerechtfertigt“. Dass das Gericht den inkriminierten Landfriedensbruch nicht angenommen habe, nannte sie „eine demokratiepolitisch richtige Entscheidung“.

Angeklagter

APA/Herbert Pfarrhofer

Festnahme nach Demo gegen „Fest der Freiheit“

Festgenommen wurde der 43-Jährige am 4. Juni nach einer Gegendemo gegen das „Fest der Freiheit“, nachdem er von Polizisten erkannt worden war. Als der Mann mit der U-Bahn nach Hause fahren wollte, wurde er von mehreren Beamten in der U-Bahn-Station Schottenring überwältigt. Insgesamt waren an diesem Einsatz knapp zwei Dutzend Beamte beteiligt - mehr dazu in Zehn Anzeigen bei Demonstration (wien.ORF.at; 5.6.2014).

Empörung nach Urteil gegen Josef S.

Das Urteil ist insofern bemerkenswert, als am 22. Juli im Wiener Straflandesgericht ein 23 Jahre alter Student aus Jena als gewalttätiger Teilnehmer an der Anti-Akademikerball-Demo zu einem Jahr teilbedingter Haft - davon immerhin vier Monate unbedingt - verurteilt worden - mehr dazu in Josef S. nach Urteil in Freiheit (wien.ORF.at; 22.7.2014). Der junge Deutsche war vor knapp einem Monat - wenn auch nicht rechtskräftig - neben versuchter schwerer Körperverletzung auch wegen Landfriedensbruchs schuldig gesprochen worden.

Mehrere Organisationen hatten das Verfahren kritisiert - vor allem, weil sich die Anklage auf die Aussagen eines einzigen Zeugen stützte, der als Polizist bei der Demonstration im Einsatz war. S. kehrte nach Deutschland zurück. In einem Schreiben dankte er seinen Unterstützern und kritisierte die Zustände in der Justizanstalt Josefstadt: „In der JVA Wien Josefstadt ist nur ein Überleben möglich, aber kein Leben“ - mehr dazu in Josef S. wieder in Deutschland (wien.ORF.at; 30.7.2014).