Prüfbericht: Keine Misshandlung in Steinhof

Die Aufarbeitung von Vorwürfen gegen Spitäler und Heime seit 1945 geht weiter. Auch Behinderte am Steinhof seien zwischen 1960 und 1980 misshandelt worden, hieß es. Eine Kommission kommt in ihrem Endbericht zu einem anderen Schluss.

An die 70 Kinder und Jugendliche waren in den Jahren 1960 bis 1980 im Pavillon 15 des Otto-Wagner-Spitals untergebracht. Nach Bekanntwerden der Missbrauchsvorwürfe rief der Wiener Krankenanstaltenverbund (KAV) im Sommer 2013 eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe ins Leben. Zehn Fälle untersuchte diese Arbeitsgruppe exemplarisch.

Aufgearbeitet wurden laut KAV die historischen, rechtlichen und medizinisch-pflegerischen Fakten. Ebenso wurden Gespräche mit ehemaligen bzw. pensionierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und Zeitzeugen geführt, die sich bei der extra eingerichteten Servicestelle meldeten.

„Entsprach üblichen Behandlungsmethoden“

Die Mitglieder der Arbeitsgruppe konnten keine Anhaltspunkte für vorsätzliche, strafrechtlich relevante Vorgehensweisen finden. Die Vorfälle seien nach den damaligen Maßstäben zu bewerten gewesen, heißt es: „Das Verhalten der MitarbeiterInnen entsprach den in den 1960ern bis 1980ern üblichen Betreuungs- und Behandlungsmethoden, die mit den heute üblichen state of the art Methoden in keinster Weise vergleichbar sind“.

So sei es damals nicht darum gegangen, den geistig behinderten Menschen eine Verbesserung ihres Lebenszustandes zu ermöglichen, sondern sie am Rande der Gesellschaft unterzubringen und durch Medikamente zu beruhigen. Das betreuende Pflegepersonal sei auch vielfach mit der Versorgung der behinderten Kinder überfordert gewesen. Die ersten Vorwürfe hatte 2013 eine ehemalige Kinderkrankenschwester erhoben. Sie gab an, am Steinhof seien Patienten verhungert, Jugendliche hätten jahrelang nicht ins Freie dürfen - mehr dazu in KAV prüft Steinhof-Vorwürfe.

Umdenkprozess erst nach 1979

Erst 1979 begann laut KAV ein Umdenkprozess in der Unterbringung von behinderten und psychisch kranken Menschen. 1985 wurde im Pavillon 17 des Otto-Wagner-Spitals das „Förderpflegeheim Baumgartner Höhe“ eingerichtet. Ein Teil der Kinder und Jugendlichen des Pavillons 15 übersiedelte dorthin und später in betreute Wohngruppen. Mittlerweile gibt es auch eine eigene Ausbildung zum psychiatrischen Krankenpfleger und einen ganzheitlichen Ansatz. Ärzte und Therapeuten aus unterschiedlichen Fachrichtungen arbeiten zusammen.

Forschungsprojekt geplant

Die Wiener Psychiatriegeschichte nach 1945 soll weiter aufgearbeitet werden, ein Forschungsprojekt ist geplant. Im Mittelpunkt soll die Anwendung umstrittener bzw. rechtlich nicht gedeckter Behandlungsmethoden stehen. Dabei sollen Aktivitäten von Ärzten, Pflegepersonal, Behandlungsmethoden und der Umgang mit Patienten und Angehörigen im jeweiligen gesellschaftlich-historischen und rechtlich-historischen Kontext durchleuchtet werden. Konkret geht es, so der Krankenanstaltenverbund, etwa um Anwendung des Elektroschocks, Anwendung anderer Schocktherapien, Anwendung der Fiebertherapie und auch sexuellem Missbrauch.

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