Ulrich Seidl: „Keine Wiederbetätigung“

Wegen einer Szene in Ulrich Seidls „Im Keller“ ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen zwei Ex-ÖVP-Gemeinderäte. Seidl zeigt sich „überrascht“. Der Besitzer des Kellers voller Nazi-Devotionalien würde nicht Wiederbetätigung betreiben, sondern die Vergangenheit verharmlosen.

Die Szene aus Seidls neuem Film wurde bei Dreharbeiten im Jahr 2009 in einem Keller in Marz (Bezirk Mattersburg) aufgenommen. Zwei der gezeigten Personen, die sich unter dem Hitler-Bild filmen ließen, waren ÖVP-Gemeinderäte. Am Freitag traten sie zurück und aus der ÖVP aus. Die Staatsanwaltschaft hat Ermittlungen aufgenommen - mehr dazu in „Nazi-Keller“: Staatsanwaltschaft ermittelt.

Filmemacher Ulrich Seidl

ORF/Hubert Kickinger

Seidl in seinem Produktionsbüro in Wien

„Die Gemeinderäte hätten wissen müssen was sie tun. Das sind ja erwachsene Menschen mit Verantwortung. Das andere was den Herrn Ochs (Besitzer des Kellers, Anm.) betrifft, gibt es immer verschiedene Seiten. Mir gefällt es überhaupt nicht, wenn er jetzt so dargestellt wird, als würde er Wiederbetätigung betreiben. Das tut er nicht. Er verharmlost die Vergangenheit. Das ist einer von vielen. Das wollte ich zeigen. Wenn ihm jetzt Schaden zugefügt wird, ist das nicht in meiner Absicht gelegen“, sagte Seidl gegenüber dem ORF Wien.

„Natürlich war ich auch erstaunt“

Seidl sei „überrascht“, was die Szene ausgelöst hat. „Nach meinen Informationen waren die beiden Männer damals ja gar noch nicht Gemeinderäte. Was mein Film zeigt, ist die Szene, wo Freunde und Kollegen aus der örtlichen Musikkapelle feucht fröhlich unter dem Hitlerbild sitzen. Aber ich habe damals gar nicht gefragt, welchen Beruf sie haben. Insofern ist es für mich nun auch neu.“

Die Aufregung habe er nicht „erahnen können“, meint der preisgekrönte Regisseur. „Es gibt ja genug Filme wo man Hitler sieht. Ich habe keinen Aufdeckerjournalismus betrieben. Ich habe etwas gezeigt, was stattfindet“. Gleichzeitig räumt Seidl ein: „Natürlich war ich auch erstaunt, so etwas sieht man ja nicht jeden Tag. Für mich war der Ansatz für den Film, ja das gibt es halt und man findet nichts dabei. Aber der Herr Ochs und seine Freunde sind nicht die einzigen in Österreich. Es entspricht schon etwas, was es in den Köpfen bei uns immer wieder gibt, auch wenn die anderen keinen Nazi-Keller haben.“

Kellerbesitzer „nicht überrumpelt“

Auf den Besitzer des Kellers sei Seidl gestoßen, weil ihm jemand von dem Mann „erzählt hat, der ihn kannte“. Angesprochen darauf, wie es dann zu den Dreharbeiten im Keller gekommen ist, meint Seidl: „Ich gehe einmal hin und lerne ihn kennen und im Laufe der Zeit wird ein bestimmtes Vertrauensverhältnis aufgebaut. Wenn er dann bereit ist, das herzuzeigen und auch bereit ist zu sprechen, dann werde ich das irgendwann einmal drehen. Aber es ist ja nichts mit versteckter Kamera gedreht. Es ist keine Überrumpelung.“

TV-Hinweis:
Der Kulturmontag zeigt am 29. September in ORF2 um 22.30 Uhr die Dokumentation „Ulrich Seidl und die bösen Buben“.

Wer sich für Seidls Herangehensweise interessiert, hat bald die Möglichkeit, einen Blick hinter die Kulissen zu werfen: Begleitend zum Kinostart von Ulrich Seidls neuem Film zeigt das Stadtkino am 28. September um 12.00 Uhr im Rahmen einer Matinee den Dokumentarfilm „Ulrich Seidl und die bösen Buben“ von Constantin Wulff. Fernsehzuschauer können die Doku dann tags darauf im ORF sehen.

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