Straßennamen: 159 Umbenennungskandidaten

Nicht nur der inzwischen umgetaufte Dr.-Karl-Lueger-Ring, sondern auch 159 weitere Wiener Straßennamen beziehen sich auf durchaus umstrittene Persönlichkeiten der Geschichte. Die Ergebnisse der Untersuchung liegen nun in Buchform vor.

Von Porsche bis Dusika gebe es noch „genügend“ weitere Umbenennungskandidaten, wie Historiker Oliver Rathkolb sagte. Im Sommer 2013 wurde der Bericht der von Universität Wien und Stadt Wien initiierten Kommission erstmals vorgelegt, nun liegt der Band in ergänzter und verdichteter Form vor und wird am Mittwoch präsentiert.

Am Montag folgt die offizielle Vorstellung. In vier Kategorien finden sich etwa Autokonstrukteur Ferdinand Porsche, der die Karriereleiter der Nationalsozialisten bis zum Rang des SS-Oberführers mit Totenkopfring erkletterte und dem heute eine Straße im 23. Bezirk gewidmet ist, und Radprofi, NSDAP-Mitglied und SA-Oberscharführer Franz „Ferry“ Dusika, nach dem eine Gasse im 22. Bezirk benannt ist.

„Wissenschaftliche Aufarbeitung“

Als Anleitungskatalog für die nächsten Umbenennungen will Rathkolb den Band allerdings nicht verstanden wissen: „Das ist nicht unsere Aufgabe, die Diskussion gehört auf die Bezirks- und Anrainerebene.“ Von dieser habe die Kommission auch bereits erste Anfragen erhalten und beispielsweise in Mariahilf und Hietzing Bezirksergebnisse im Detail präsentiert. „Man sieht, da bewegt sich einiges“, meinte der Historiker.

„Uns ging es vor allem um die wissenschaftliche Aufarbeitung“, sagte Historiker Peter Autengruber, ebenfalls Teil der Kommission. Geht es nach den Experten, sollte diese Aufarbeitung nun zumindest in erklärende Zusatztafeln münden. „Das wäre eine praktikable Lösung und würde die Diskussion anregen“, so Rathkolb. Denn viele Anrainer würden derzeit nicht einmal wissen, nach wem ihre Heimatgassen benannt wurden. Die Gemeinde habe hier aber schon einige moderne und kreative Lösungen überlegt: „Ich bin sehr zuversichtlich“, so der Historiker.

Von Anzahl umstrittener Persönlichkeiten überrascht

Dabei habe ihn vor allem die schiere Zahl der als umstritten zu qualifizierenden Straßennamen überrascht, sagte Rathkolb. Es sei zudem teils sehr merkwürdig, wer es durch Arbeit von Lobbyisten oder Vereinen zu diesen Ehren geschafft habe, so etwa der heute eher unbekannte „Wagnersänger, glühende Antisemit und Hitlerverehrer“ Josef von Manowarda, nach dem 1960 eine Gasse in Wien-Liesing benannt wurde.

Erfolgreich lobbyiert wurde auch für eine von zwei Frauen in der Riege der umstrittenen Namen: Die Schriftstellerin Maria Grengg verschob zu Ehren Adolf Hitlers sogar ihr Geburtsdatum um ein Jahr und behauptete, ebenfalls 1889 geboren worden zu sein. Nun ist sie Teil der „Fälle mit intensivem Diskussionsbedarf“. Die andere Frau ist übrigens die ehemalige SPÖ-Stadträtin Maria Jacobi, der die Kommission zur Aufklärung der Misshandlungsfälle im Kinderheim Wilhelminenberg die politische Hauptverantwortung für die Zustände im Heim zusprach.

Roland Rainer ist „Name mit Diskussionsbedarf“

Die Buchform habe man vor allem auch genutzt, um weitere kritische Namen zu prüfen und auch einige neue aufzunehmen, berichtete Autengruber. Schlüsseldokumente und Fotografien sollen die Ausführungen ergänzen. Der Fokus lag dabei vor allem auf dem 20. Jahrhundert und einigen „bewussten“ Einzelfällen aus dem 19. Jahrhundert. Hier habe man teils auch die Entstehung der Benennungen nachvollziehen können.

Spannend könnte es auch im Hinblick auf den Song Contest werden, der im nächsten Jahr in Wien stattfindet. Immerhin wird sich die internationale ESC-Community bei der Wiener Stadthalle versammeln, die am Roland-Rainer-Platz residiert. 2006 wurde der Platz nach dem Architekten der Halle benannt, in den „Umstrittenen Straßennamen“ wird Rainer immerhin in die Kategorie „Namen mit Diskussionsbedarf“ gereiht - u. a. aufgrund seiner NSDAP-Mitgliedschaft und seiner Schriften, in denen er sich etwa mit dem Zusammenhang zwischen „Rasse und Wohnform“ auseinandersetzte.

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