Bankerlegende Heinrich Treichl tot

Der legendäre Wiener Banker Heinrich Treichl ist gestorben. Der ehemalige Generaldirektor der Creditanstalt (CA) sei am Sonntag im 102. Lebensjahr „sanft entschlafen“, teilte seine Familie am Dienstag mit.

Heinrich Treichl ist der Vater des Erste-Group-Chefs Andreas Treichl. Bis ins hohe Alter war er fit und streitbar. Zum vorjährigen hundertsten Geburtstag gab es noch Interviewserien, in den vergangenen Monaten wurde es stiller um ihn. Von 1970 bis 1981 war Treichl Generaldirektor der CA, die später in der Bank Austria aufging. Außerdem war er langjähriger Präsident des Österreichischen Roten Kreuzes - bis 1999.

Treichl kam am 31. Juli 1913 in Wien als Sohn einer geborenen Baronesse von Ferstel auf die Welt. Sein Vater stammte aus einer bäuerlichen Familie und schaffte es bis zum Handelskammerfunktionär und Privatbankier. Heinrich Treichl erhielt seine Ausbildung zunächst in Wien und in Frankfurt, wo er Gymnasium und Universität absolvierte. Noch im Jahr seiner Promotion (1936) zum Doctor juris an der Universität Wien trat er als Devisenhändler in die Zentrale der Pariser Banque des Pays de l’Europe ein. Es folgten Engagements bei der Mercur-Bank und der Länderbank in Wien.

Heinrich Treichl

APA/Herbert Neubauer

Heinrich Treichl wurde 101 Jahre alt

Treichl öffnete CA für Privatkunden

Die Kriegsjahre verbrachte er zunächst als Soldat der deutschen Wehrmacht, zu der er eingezogen wurde. Er desertierte in Paris und kam schließlich in amerikanische Kriegsgefangenschaft. Nach dem Zweiten Weltkrieg war Treichl zehn Jahre lang im Verlagswesen (Ullstein-Verlag) tätig, bis er 1956 als Leiter der Finanzabteilung in die damalige Verstaatlichten-Holding IBV (Österreichische Industrie- und Bergbauverwaltungs-Ges.m.b.H.) eintrat.

1958 wurde er vom damaligen Generaldirektor der Creditanstalt, Josef Joham, in die mehrheitlich staatliche CA geholt. Bereits vier Jahre später wurde Treichl in den Vorstand berufen. In Treichls Ära fiel die Internationalisierung der Bank ebenso wie die Öffnung für den Privatkunden und das Massengeschäft. Unmittelbar nach seiner Bestellung zum Vorstandsvorsitzenden leitete er eine breite Umstrukturierung ein. Seine persönliche Vorliebe galt der „großen Ökonomie“, der Industriepolitik sowie Auftritten in der internationalen Finanzwelt.

Übernahme der CA „großer Fehler“

Kritiker warfen Treichl vor, Adelige bei Postenbesetzungen zu bevorzugen. Sein weltmännisches Auftreten habe der Bank eine angesehene Position verschafft, mussten sie einräumen. Dass sein Nachfolger an der CA-Spitze ausgerechnet der Sozialdemokrat Hannes Androsch wurde, der von Bruno Kreisky dorthin entsandt worden war, und nicht sein eigener bürgerlicher „Kronprinz“ Guido Schmidt-Chiari, konnte Treichl lange nicht verwinden.

1997 - lange nach Treichls Managerzeit - wurde die CA von der Bank Austria übernommen, diese wiederum von der Münchner HypoVereinsbank und diese von der italienischen UniCredit. Die Übernahme „seiner“ CA stimmte Treichl „tieftraurig“: Das sei ein „rein politisches Manöver“ gewesen und ein „großer Fehler“, denn eigentlich hätte die CA die „schwache Bank Austria“ übernehmen sollen.

Beide Söhne in Finanzbranche tätig

Treichl war Mitglied in zahlreichen Aufsichtsräten - von 1981 bis 1991 auch jenem der CA - und gehörte von 1970 bis 1992 auch dem Generalrat der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) an. Für seine Leistungen und Verdienste erhielt er zahlreiche Auszeichnungen aus dem In- und Ausland, darunter das Große Goldene Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich, das Große Verdienstkreuz mit dem Stern der Bundesrepublik Deutschland und das Komturkreuz des päpstlichen Ordens des Heiligen Gregor des Großen mit dem Stern.

Treichls Ehefrau Helga aus der Verlegerfamilie Ullstein verstarb schon 1995. Die beiden Söhne sind auch in der Finanzbranche tätig: Andreas Treichl ist Chef der Erste Bank. Michael Treichl ist als Investor in Großbritannien tätig.

Bundespräsident: Treichl „großer Patriot“

Bundespräsident Heinz Fischer würdigte Treichl in seinem Kondolenzschreiben als großen Patrioten, bekennenden Liberalen und bewussten „Homo politicus“, dem in allen politischen Lagern des Landes Respekt und Anerkennung entgegengebracht wurde. Für Fischer zählte Treichl zu den „Gestaltern der Zweiten Republik.“

Neben dem Bundespräsidenten kondolierten am Dienstag zahlreiche Menschen aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Der Präsident des Roten Kreuzes, Gerald Schöpfer, schrieb über Treichl: „Er war stets entschlossen, Neues zu wagen, und hat vor Veränderungen nicht zurückgeschreckt.“ Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl ist „dankbar für den großartigen Menschen Heinrich Treichl“, den er als „großen Österreicher, Bankier, besonderen Interessenvertreter ‚seiner‘ Branche und humanitär engagierten Menschen“ sah.