Baugründe: Enteignungen für Grüne denkbar

Baugründe in Wien sind knapp, vor allem für günstige neue Wohnbauten. Immer öfter werden daher Rufe nach Zwangsmaßnahmen laut. Die Wiener Grünen können sich als letztes Mittel auch Enteignungen vorstellen.

Wegen der rasant steigenden Grundstückspreise - in Wien um 160 Prozent von 1987 bis 2010 - und der rückläufigen Liegenschaftsreserven sollte eine grundsätzliche Debatte über die Sozialpflichtigkeit des Eigentums geführt werden, meinte der Obmann der Gemeinnützigen Bauvereinigungen (GBV), Karl Wurm. Speziell der geförderte Wohnbau leide unter einem Preis- und Mengenproblem.

Grüne für Wiedereinführung des Gemeindebaus

Die Grünen erwägen laut „Falter“ auch Zwangsmaßnahmen, um trotz der steigenden Grundstückpreise und der knappen Baugründe weiterhin sozialen Wohnbau sicherzustellen. Planungssprecher Christoph Chorherr sagt, dass der Stadt Vorkaufsrechte für Grundstücke eingeräumt werden soll. "Als Ultima Ratio kann das – gegen Kostenerstattung – bis zur Enteigung gehen“, wird Chorherr in der Zeitung zitiert. Außerdem plädieren die Grünen für die Wiedereinführung des Gemeindebaus, der seit 2004 nicht mehr errichtet wird.

3.500 Wohnungen im Jahr fehlen

„Gelingt es nicht, die Grundpreis-Situation in den Ballungsräumen in den Griff zu bekommen, ist der geförderte Mietwohnungsbau nicht mehr möglich“, warnte Wurm, „außer die öffentliche Hand subventioniert das wieder unten, damit es doch wieder leistbar ist.“

Innerhalb nur eines Jahrzehnts, von 2003 bis 2013, sei die Wiener Bevölkerung um ein Zehntel gewachsen. Leider boome nur der freifinanzierte Wohnbau, nicht der geförderte, kritisierte der GBV-Obmann und bezifferte den Fehlbestand mit 3.500 Einheiten im Jahr. Daher hätten die Preise für Eigentumswohnungen von 2010 bis 2013 um 9,4 Prozent jährlich angezogen, obwohl sich die Gründe „nur“ um 5,4 Prozent im Jahr verteuert hätten.

Klare Widmung für geförderten Wohnbau

Nötig sei neben einer forcierten Anwendung der Vertragsraumordnung eine eigene Widmungskategorie „förderbarer Wohnbau“ mit klaren Preis-Obergrenzen. Und: „Wir brauchen eine Rückwidmung nach zehn Jahren, wenn nicht gebaut wird.“ Es gehe nicht an, dass für Wohnungen gedachte Heeresgründe zu 1.000 Euro pro m2 Nutzfläche veräußert werden, wie in Wien geschehen, so Wurm.

Er und Sozialbau-Chef Herbert Ludl erinnerten daran, dass laut Wohnbauförderrichtlinien Grundstücke für geförderte Wohnbauten nicht mehr als 250 Euro pro m2 erzielbarer Nutzfläche kosten dürften. Faktisch bewegten sich die Preise heute in Wien zwischen 235 und 250 Euro/m2; von den Gesamtkosten würden meist 10 bis 20 Prozent auf den Grundanteil entfallen. Und GBV-Obmann Wurm kritisierte, dass es sich in Wien eingebürgert habe, dass Grünland zu Baulandpreisen verkauft werde.

Haushaltsgründung für Junge schwierig

Auch aus Sicht von Christof Schremmer vom Österreichischen Institut für Raumplanung (ÖIR) ist „eine Bodenpreisdämpfung für den geförderten Wohnbau erforderlich“, sonst könnte womöglich „ein Kippen am Baulandmarkt gar nicht mehr zu stoppen“ sein. Vom Bodensektor erfolge ein zusätzlicher Druck auf den geförderten Wohnbau und auf die Subjektförderung, also finanzielle Hilfe für Menschen durch Mietzuschüsse. Für junge Menschen sei eine Haushaltsgründung nur mehr schwerer möglich, und die Überbelagsquote in Wohnungen wachse.

Der konstante Bevölkerungszuwachs, mit dem noch vor einigen Jahren in dieser Form kaum jemand gerechnet habe - speziell Zuzügler aus dem EU-Raum und vom Balkan - erfordere für Wien eigentlich eine Neubauleistung von 9.000 bis 11.000 Einheiten jährlich, ist Schremmer überzeugt. Zuletzt habe es hier 2013 aber nur 8.000 Förderzusagen gegeben. Die Stadt Wien gehe davon aus, dass die Bevölkerung von heute 1,77 Millionen bis 2041 auf 2,1 Millionen klettert, mehr sogar als die Statistik Austria annimmt.

Wertsteigerungsabgabe wie im Ausland

Wie im Ausland - etwa Köln oder in Schweizer Städten - sollte auch bei uns eine Wertsteigerungsabgabe überlegt werden, regte der ÖIR-Experte an, um die für Kommunen teure Infrastruktur rund um Wohngebiete mitfinanzieren zu lassen. In Köln etwa würden bei Umwidmungen zwei Drittel des Wertzuwachses zu diesem Zweck abgeschöpft, und nur ein Drittel verbleibe dem Begünstigten.

„Bodenpolitische Maßnahmen“, auch Enteignungen hält Raumordnungsfachmann Arthur Kanonier von der TU Wien für ein mögliches Mittel der Politik. Wenn der Druck nämlich sehr hoch sei, könne man die Eskalations-Pyramide schon höher gehen - ganz oben steht die Enteignung. Auch er sperrt sich nicht gegen eine Abschöpfung von Widmungsgewinnen, obwohl dies wenig mit Bauland-Mobilisierung zu tun habe. Neuwidmungen von Bauland könnten durchaus befristet erfolgen, sagt er - mit der Drohung einer entschädigungslosen Rückwidmung, sollte nicht innerhalb eines bestimmten Zeitraums ein Bau erfolgen.

Enteignung als äußerstes Mittel

Eine Enteignung sei immer die „ultima ratio“, und es gebe natürlich eine Entschädigungspflicht, betonte Verfassungsjurist Michael Holoubek vom Institut für Österreichisches und Europäisches Recht an der WU Wien. Die Europäische Menschenrechtskonvention lasse dem öffentlichen Interesse bzw. dem Gesetzgeber aber doch einiges an Gestaltungsmöglichkeit.

Eigentum sei ein Grundrecht, das sei klar, betont Holoubek. Ob hier der Vertrauensschutz ewig gültig sei, wird der Rechtsprofessor gefragt. Er meint dazu: Lasse sich ein eminentes öffentliches Interesse nachweisen, könne man wohl über moderate Mittel nachdenken - wenn man sich vor Augen halte, welche Einschnitte trotz Vertrauensschutz etwa beim Pensionssystem toleriert würden.

Die Enteignung einer konkreten Liegenschaft könnte aber doch Probleme aufwerfen, erläuterte der Jurist. Es müsste nämlich dann von der öffentlichen Hand ein konkreter Bedarf nachgewiesen werden und auch dass kein anderes Mittel möglich sei zur Errichtung eines Mietwohnungsbaus - das werde aber wohl für ein bestimmtes einzelnes Grundstück nicht gelingen, so der WU-Professor. Auch mit Preisobergrenzen in Raumordnungen werde es wahrscheinlich ein Problem geben.

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